BERLIN, GERMANY - OCTOBER 14: German Vice Chancellor and Economy and Energy Minister Sigmar Gabriel presents the German government's revised economic outlook on October 14, 2014 in Berlin, Germany. Gabriel announced the government has downgraded its growth forecast for German gross domestic product (GDP) in 2014 from 1.8% to 1.2%. The revision follows a drop in factory orders and industrial output in August. (Photo by Sean Gallup/Getty Images)

Es war eine geheimnisvolle Veranstaltung, zu der Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel am Dienstag Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft in den Berliner Westhafen eingeladen hatte. Um eine Innovationsoffensive sollte es gehen, die mit dem Hashtag #de2025 beworben wurde. War damit eventuell ein Strategiepapier gemeint, das endlich klarmachen würde, wie Gabriel Deutschland technologisch wettbewerbsfähig machen will? Wie er Entrepreneurship fördern und Talente im Land halten will? Wer darauf hoffte, wurde enttäuscht. Denn Gabriel gab sich betont ehrlich: Er hatte an die Anwesenden mehr Fragen als Antworten.

Deutschland stehe zwar heute wirtschaftlich gut da, sagte der Minister in seiner Eröffnungsrede, die Arbeitslosigkeit befinde sich auf einem historischen Tief und Jobs würden immer besser bezahlt. Aber das könne sich schnell wieder ändern. Die Welt werde neu vermessen – und die Digitalisierung trage dazu bei, sie sei Fortschritt und Zerstörung in einem.

„Wenn wir weiter eine erfolgreiche Volkswirtschaft mit gut bezahlten Arbeitsplätzen bleiben wollen, müssen wir nicht nur den Investitionsstau der Vergangenheit aufholen“, so Gabriel. „Vielmehr sollten wir auch den Blick auf die Zukunftsinvestitionen richten.“ Das würde sich mehr auszahlen als Steuersenkungen mit der Gießkanne.

Vor etwa einem halben Jahr haben das Bundeswirtschaftsministerium und der Europäische Investitionsfonds deshalb eine Milliarde Euro zusätzlich an Wagniskapital zur Verfügung gestellt. Sie erhöhten dadurch die Mittel des ERP/EIF-Dachfonds und des European Angels Fonds auf 2,7 Milliarden Euro. Kurz darauf legte das Bundesfinanzministerium nochmal einen drauf und verkündete einen neuen 10-Milliarden-Fonds für Gründer.

Heute will Gabriel von mehreren Experten wissen, was er sonst noch tun könne. Deren Antwort ist in zwei Punkten übereinstimmend: Die Regierung solle mehr in die technische Infrastruktur des Landes und in Bildung investieren. Die Wirtschaftswissenschaftlerin Mariana Mazzucato fordert zudem, dass eine Regierung sich durchaus wie ein Investor erfolgsversprechende Unternehmen gezielt herauspicken und fördern solle. „Kein Land hat es bisher ohne einen aktiven Staat geschafft“, sagt sie.

Der Ökonom Marcel Fratzscher erwähnt, wie wichtig der Breitbandausbau in Deutschland sein könne: „Das Angebot an Infrastruktur muss da sein, dann entwickelt sich die Nachfrage.“ Als Finanzierung schlägt er eine Mischung aus privaten und öffentlichen Ausgaben vor.

Wall-Lab-Gründer Catalin Voss erzählt, dass es in den USA viel einfacher sei, eine Firma zu gründen. Bei seiner ersten Unternehmensgründung dort habe der Anwalt noch nicht mal eine Rechnung gestellt, so schnell sei das gegangen. Er fordert: „Wir brauchen mehr Risikokapital und ganz allgemein eine kulturelle Risikobereitschaft.“ Scheitern müsse gesellschaftlich anerkannt werden. Ein Punkt, bei dem sich die Experten einig sind.

Laut Gesche Joost, die für die Bundesregierung als Digital-Botschafterin tätig ist, sei im deutschen Bildungswesen dringend ein Umdenken nötig, vor allem bei den Lehrern: „Die Schule ist der letzte Hort des Analogen.“ Benötigen wir das Schulfach Coding?, will Gabriel von ihr wissen. Sie verneint: Die Digitalisierung sei Thema aller Fächer, nicht nur eines einzelnen.

Kent Walker, Senior Vice President von Google, ergänzt, dass Lernen und die Fähigkeiten, neue Aufgaben zu analysieren nicht nur für Kinder wichtig seien, sondern auch für Erwachsene.

Martina Köderitz, Vorsitzende von IBM Deutschland, moniert den Fachkräftemangel: „Uns fehlen die Talente. Die Jobs liegen auf der Straße.“

Und Anna Alex, Gründerin von Outfittery, sagt hierzu, dass in ihrer IT-Abteilung 20 Menschen arbeiten, nur zwei davon kämen aus Deutschland. „Es ist sehr schwer, gut ausgebildete Entwickler aus Deutschland oder Europa zu finden.“

Während des Gesprächs stellt Gabriel viele Fragen, die unbeantwortet bleiben. Soll sich der Staat mehr in die Angelegenheiten der Startups einmischen oder sich raushalten, die Unternehmen machen lassen? Soll er gezielt Bereiche fördern, die dem Land eine wirtschaftliche Förderung bringen könnten, zum Beispiel die Batterietechnik? Sind die regulatorischen Beschränkungen in Deutschland zu hoch, um neue Großkonzerne zu ermöglichen?

Wie seht ihr das? Was braucht Deutschland, um wettbewerbsfähig zu sein? Wir freuen uns über Eure Meinung in den Kommentaren.

Bild: Getty Images / Sean Gallup