Kann Instagram solche Störfaktoren zukünftig automatisch aus Bildern löschen?

Die Bilderfluten sind gewaltig: 40 Milliarden Fotos stehen auf der Foto-Plattform Instagram, täglich kommen 80 Millionen hinzu. Mike Krieger gründete das Foto-Netzwerk im Jahr 2010 mit seinem Stanford-Kommilitonen Kevin Systrom. Sie landeten einen Sofort-Hit: Zwei Jahre später kaufte Facebook-Chef Mark Zuckerberg ihr Startup für eine Milliarde US-Dollar. Seitdem können die Ingenieure um den 29-jährigen Krieger auf das Know-how der Konzernmutter zurückgreifen. Das verändert die Bilder-Plattform.

Herr Krieger, wie sieht das Instagram der Zukunft aus?

Die zwei Zukunftstechnologien, die mich aktuell am meisten interessieren, sind künstliche Intelligenz und virtuelle Realität. Facebook forscht aktuell in beiden Bereichen sehr intensiv, und wir reden sehr oft mit den Kollegen über die Fortschritte. Wir haben noch keine konkreten Pläne, aber ich persönlich bin sehr gespannt darauf, die Welt in 360-Grad-Fotos und -Videos sowie mithilfe von virtueller Realität zu erleben. Wir sind immer offen für neue Formate und aktuell kommen diverse Kameras für 360-Grad-Videos auf den Markt. Instagram bedeutet für mich, die Welt aus der Perspektive unserer Community sehen zu können. Und diese einzigartige Betrachtungsweise wird dank virtueller Realität noch spannender.

Nutzt Instagram bereits künstliche Intelligenz?

Aktuell nutzen wir künstliche Intelligenz vor allem, um gezielt gegen Spam und Mobbing vorzugehen. Unsere Technologie lernt, Spam oder Hass-Inhalte zu erkennen. Das geschieht aktuell vor allem durch Texterkennung sowie durch eine genaue Analyse von Hashtags und Kommentaren. Wir möchten diese Aufgabe allerdings vorerst nicht komplett künstlicher Intelligenz übertragen. Letztendlich sollte immer unser ausgebildetes Team entscheiden, ob bestimmte Inhalte gegen unsere Richtlinien verstoßen. Aber künstliche Intelligenz kann uns beim Vorsortieren helfen und gemeldete Inhalte danach bewerten, ob der betreffende Instagrammer bereits in der Vergangenheit öfters hilfreiche Hinweise gegeben hat.

Kann Ihre künstliche Intelligenz Bildinhalte erkennen?

Die Forschung im Bereich künstliche Intelligenz ist eines der Projekte, bei denen wir mit Facebook zusammenarbeiten. Dadurch können wir uns sehr viel Grundlagenarbeit ersparen, die von den Kollegen bei Facebook bereits erledigt wurde. Wir arbeiten aktuell zusammen daran, Bildinhalte zu erkennen. Das würde es sehr erleichtern, der Community Bilder zu empfehlen, die für sie relevant sind und die sie interessieren. Unsere Suche nach Bildern wird durch Maschinenlernen ebenfalls besser werden. Wir können künftig nach Inhalten anstatt nach Bildbeschreibungen suchen.

Setzen Sie diese Bilderkennung bereits ein?

Unsere Bildredakteure werden durch künstliche Intelligenz unterstützt. Wir haben das an Halloween und zum Superbowl ausprobiert – beides bekannte und beliebte Anlässe, bei denen Millionen Instagrammer Inhalte teilen. Unser kleines Team von Redakteuren kann nicht Millionen Fotos und Videos gleichzeitig betreuen. Also sortiert das System in Echtzeit vor, nachdem es per Maschinenlernen festgestellt hat, welche Inhalte für den jeweiligen Zusammenhang interessant sind. Gleichzeitig können nur Menschen eine konsistente Geschichte mit Bildern erzählen. Die Kombination aus künstlicher Intelligenz und menschlicher Arbeit führt zu spannenden Resultaten, die von der Community angenommen werden: Superbowl-Inhalte auf Instagram wurden an dem Tag insgesamt 155 Millionen mal abgerufen.

Wird Instagram künftig öfter eigene Geschichten erzählen und mit traditionellen Medien darum konkurrieren, Nachrichten zu berichten?

Das vielleicht nicht, aber wir wollen Live-Events wie etwa Sport-Veranstaltungen oder Konzerte begleiten. Auch dabei kann künstliche Intelligenz helfen, etwa wenn es darum geht, die individuellen Perspektiven tausender Instagrammer zu einer konsistenten Rekonstruktion des Events zusammenzusetzen. In Kombination mit virtueller Realität könnte man fast eine Art immersive Erfahrung bauen: Nutzer könnten virtuell zu verschiedenen Sitzplätzen im Konzertsaal springen und bei der Backstage-Party nach dem Konzert zusehen.

Wie wird virtuelle Realität Instagram verändern? Verlieren klassische Fotos ihre Bedeutung?

Ich glaube, dass Fotos noch eine lange Zeit eine große Rolle dabei spielen werden, schöne und wichtige Momente festzuhalten. Ich würde jedoch Inhalte gerne je nach Gerät skalieren können. Sie sollten sowohl auf dem Smartphone als Foto oder Video und zu Hause mit der VR-Brille als 360-Grad-Ansicht funktionieren. Eine faszinierende Frage ist, wann Virtual Reality wirklich im Alltag ankommen wird.

Aktuell können die Instagram-Nutzer nur eingeschränkt nach Bildern suchen. Wird sich das ändern?

Wir arbeiten daran, detailliertere Suchanfragen zu ermöglichen. Aktuell kann man auf drei Wegen nach Bildern auf Instagram suchen: Man kann nach einer Person suchen, man kann nach Hashtags suchen und man kann nach Inhalten zu bestimmten Orten suchen – etwa nach Bildern, die am Brandenburger Tor aufgenommen wurden. Ich kann mir viele weitere Suchtechniken vorstellen. Wüssten wir beispielsweise vom Interesse eines Instagrammers für eine bestimmte Hunderasse, könnten wir ihm andere Fotos, die dazu passen, zeigen. Aber dafür muss die Bilderkennung gut genug funktionieren, um zwischen Hunderassen zu unterscheiden, damit wir dem Instagrammer nicht einfach nur Fotos von Hunden zeigen. Eine weitere Möglichkeit wäre eine komplexe Suche nach ganzen Themengebieten wie etwa Straßenfotografie, die weit über ein einfaches Hashtag hinausgeht.

Wollen Sie dann entsprechende Werbung einblenden?

Aktuell werden der Community Anzeigen im Feed angezeigt. Suchspezifische Werbung ist Googles Domäne. Wir bei Instagram fokussieren uns im ersten Schritt immer auf das Naheliegende. Naheliegend ist, Werbung im Feed zu zeigen, dort wo die Instagrammer die meiste Zeit verbringen. Aber es wäre natürlich interessant, der Community bei der Suche nach Bildern von einem bestimmten Produkt sofort die passende Werbung anzuzeigen.

Noch ist Instagram ein von Facebook separates Produkt. Ändert sich das künftig?

Nein! Instagram agiert unabhängig von Facebook. Facebook basiert sehr stark auf der Identität der Nutzer, auf echten Namen und Daten, da sie sich hauptsächlich mit Freunden verbinden. Menschen auf Instagram hingegen wählen ihren Profilnamen frei und können dadurch viel kreativer handeln. Ich habe zum Beispiel einen Instagram-Account, der aus der Sicht meines Hundes geführt wird. Das wäre auf Facebook schwierig. Die Zusammenarbeit findet eher hinter den Kulissen statt, etwa im Bereich Server-Technik, künstliche Intelligenz und so weiter. Es fühlt sich so an, als konnten wir drei Jahre Entwicklungsarbeit einsparen dank der Zusammenarbeit.

Instagram wurde wegen seiner Foto-Filter populär. Wie könnten intelligente Filter in der Zukunft aussehen?

Wir haben gesehen, wie insbesondere Smartphone-Kameras immer besser werden. Unsere Filter werden deswegen immer subtiler und unauffälliger. Eine Sache, über die unsere Entwickler aktuell nachdenken, ist eine Art von intelligenter Bildbearbeitung, die automatisch nur Teile eines Bildes aufhellt, andere abdunkelt oder nachschärft. Das würde die Qualität von Fotos automatisch verbessern. Ein Teil der Anziehungskraft von Instagram liegt jedoch darin, dass die Community eben selbst mit dem Filter experimentieren kann. Wenn die Bildbearbeitung komplett automatisch abläuft, geht dieser kreative Spaß verloren. Künstliche Intelligenz kann aber künftig noch mehr: Sie kann etwa Vorder- und Hintergrund im Bild detektieren und unerwünschte Inhalte im Hintergrund löschen – gewissermaßen ein Radiergummi für Photobombs.

Dieser Artikel erschien zuerst auf Welt.de.

Bild: Gettyimages ferrantraite