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2Minuten2Millionen_Jury_Puls4 Die Business Angel Michael Altrichter (links), Oliver Holle, Daniel Mattes, Selma Prodanovic und Hansi Hansmann saßen in der ersten Staffel von 2 Minuten 2 Millionen auf dem Jury-Podium

„Es gab hoch innovative Konzepte und komplette Nieten“

„Wo ist die Innovation?“ fragt Daniel Mattes lapidar. Der 42-Jährige Jumio-Gründer ist nicht überzeugt. „Das gibt’s in jedem Flugzeugkatalog.“ Seine Kollegen pflichten bei und haken nochmal nach.

Der Kandidat steht unter Beschuss. Er hat das Unternehmen SunnyBag gegründet, das Taschen und Rucksäcke mit eingenähten Solar-Panelen vertreibt. Gerade scheint sich der junge Mann seiner Sache nicht mehr sicher zu sein. „Die Innovation ist, dass man umweltfreundlich unterwegs Energie erzeugen kann“, stammelt er.

Die Stimmung lockert sich erst, als der Gründer vom ansehnlichen sechsstelligen Jahresumsatz seines Unternehmens und Retail-Kooperationen mit Media Markt und Saturn berichtet. Geld locker machen will für die Solar-Taschen am Ende trotzdem kein Investor.

Im vergangenen Herbst startete auf dem österreichischen Privatsender Puls 4 die Startup-Show 2 Minuten 2 Millionen, bei der fünf Juroren Kapital springen lassen und Unternehmensanteile einheimsen konnten. Vor ihnen gaben Jungunternehmer wie der SunnyBag-Gründer ihr Geschäftsmodell zum Besten – mal mehr, mal weniger erfolgreich.

Auf dem Jury-Podium in Österreich saß auch Michael Altrichter, dessen Bezahl-Startup Paysafecard 2012 für 140 Millionen Euro an den britischen Online-Zahlungsdienstleister Skrill ging. Heute ist Altrichter Business Angel und hält Beteiligungen an Startups wie Wikifolio, Tausendkind oder der Rubbellos-App Rublys, die aus der ersten Staffel der Startup-Show als Gewinner hervorging.

Heute startet mit „Die Höhle der Löwen“ das deutsche Pendant zur Show. Wie es beim österreichischen Vorgänger zuging, beschreibt Juror Altrichter im Interview.

Ein Damenschuh mit schwebendem Fußbett, Schokolade zum Paffen oder Musikunterricht im Netz: Welchen Eindruck hattest Du von den Startups, die in der ersten Staffel von 2 Minuten 2 Millionen angetreten sind?

Das Spektrum war sehr breit: Von hoch innovativen Geschäftsmodellen, in die man sofort investiert bis hin zu kompletten Nieten. Viele, deren Konzepte kaum etwas hergaben, haben sich hervorragend für die Show geeignet, konnten die Jury aber nicht von sich überzeugen. Die exzellenten Ansätze anderer Gründer wiederum waren für das Publikum schwer zu verstehen.

Michael_Altrichter
Michael_Altrichter Juror Michael Altrichter. Bild: © Georg Bodenstein

Es geht also in erster Linie um Unterhaltung.

Auch. Vor allem aber geht es aber um echte Investments und echtes Geld. Außerdem hat die Sendung der Bevölkerung die Rolle von Business Angels nähergebracht. Natürlich wurde das Bild durch den Show-Charakter etwas verzerrt dargestellt, schließlich sind Zwei-Minuten-Pitchs im echten Leben nicht üblich. Auch mit dem Begriff „Startup“ konnten viele Österreicher vor der Sendung nichts anfangen. In der Hinsicht wurde also in jedem Fall Aufklärungsarbeit geleistet.

Was müssen Gründer mitbringen, um bei so einem Format abzuräumen?

Passen muss die Idee, der Markt, das Konzept – und natürlich die Gründer. Wer in kürzester Zeit einen ordentlichen und vollständigen Pitch abliefert, hat schon gute Chancen. Einige Teilnehmer haben sich aber verkalkuliert und in ein Thema verrannt. Die Hälfte der Zeit haben sie dann etwa von der Problemstellung gesprochen, aus der sie eine entsprechende Idee entwickelt haben.

Wie hat der ideale Pitch dann auszusehen?

In der perfekten Präsentation werden die wichtigsten Themen kurz und prägnant dargelegt. Sie beinhaltet die ursprüngliche Problematik, das Produkt und dessen Reifegrad, ein Marktkonzept, einen Finanzplan sowie einen Blick auf das eigene Team und die Konkurrenz. Die spezielle Herausforderung bei 2 Minuten 2 Millionen ist, das Konzept oder das Business-Modell in Kürze, dafür aber in voller Breite darzustellen und es den Investoren schmackhaft zu machen. Insgesamt muss das Gesamtbild stimmen – wie bei einem Pitch außerhalb des Fernsehstudios.

Wie steht es um die berühmt-berüchtigte Castingshow-Symptomatik? Zwischen Rampenlicht und Funkstille liegen bei den Gewinnern vieler Casting-Formate oft nur wenige Monate.

Die Sendung gibt den Teilnehmern Starthilfe und lenkt Aufmerksamkeit auf sie. Natürlich werden in erster Linie Leute eingeladen, deren Ansätze entweder außerordentlich gut und umsetzbar oder unterirdisch sind. Das ist wie bei Gesangs- und Talentshows: Sehenswert sind immer die hervorragenden und die furchtbaren Teilnehmer. Die Grätsche zwischen Quote und seriösem Investitionsgeschehen ist den Machern aber sehr gut gelungen, wie ich finde.

Offline oder Online? Wer macht das Rennen?

Es gibt da keine grundsätzliche Richtung. Haptische Produkte lassen sich im Fernsehen naturgemäß besser präsentieren als Apps oder Webseiten, die auf den ersten Blick weniger sexy sind.

Und was sagt der Investor in Dir?

Meine persönliche Investitionsstrategie beschränkt sich auf den Online-Bereich. Es gab durchaus viele geniale Konzepte, die nicht in mein Beuteschema gepasst haben und in die ich schlussendlich nicht investiert habe.

Wie haben die Österreicher auf die Show reagiert?

Die Resonanz war sehr positiv. Ich weiß, dass sich einige Zuschauer gefragt haben, ob da tatsächlich Geld geflossen ist oder nur leere Versprechungen vor laufender Kamera gemacht wurden. Diese Vorstellung, in ein vorher fremdes Konzept zu investieren, war einfach völlig neu. Insofern hat 2 Minuten 2 Millionen ein Bewusstsein für die Szene geschaffen. Bei der Live-Show hatte das Fernsehpublikum auch die Möglichkeit, selbst per Crowdfunding in ein Projekt zu investieren. Den Zuschauern fiel es aber schwer, einen Unterschied zwischen Schwarmfinanzierung und Investorenrunde zu erkennen. Da könnte die Kommunikation in Zukunft noch besser werden.

Artikelbild: Puls 4 © Gerry Frank