CDU-Politiker Jens Spahn sichtet Fintechs für die Bundesregierung. (Foto: Laurence Chaperon)

Wo ist der Bankenstandort der Zukunft? In Berlin oder in Frankfurt? Oder in Berlin und in Frankfurt? Mittlerweile gibt es im Finanzbereich mehr als 200 junge Fintechs, die den etablierten Kreditinstituten Konkurrenz machen. Sie treten mit dem Anspruch an, dass Kunden dank moderner Technik einfacher und günstiger sparen, bezahlen und Geld leihen können als bei herkömmlichen Banken. Wie groß die neuen Spieler werden, ist offen.

Doch Fintechs wecken zunehmend das Interesse der Politik. Die Landesregierung Hessen lässt sich diese Woche zehn Konzepte für ein Fintech-Zentrum in Frankfurt präsentieren. Auch die Wirtschaftsförderer in Berlin sehen in den Gründern ein Zukunftsthema. Es geht nicht nur um einen nationalen Wettstreit zwischen der Bankenstadt und der Gründerstadt. Es geht vor allem darum, sich international zu positionieren.

Jens Spahn (CDU) ist der Fintech-Beauftragte der Bundesregierung. Der Staatssekretär im Bundesfinanzministerium hat eigene Vorstellungen zum Finanzplatz der Zukunft.

Herr Spahn, welche Finanz-App haben Sie auf Ihrem Smartphone?

Derzeit keine. Ich nutze im Moment nur das Online-Banking meiner Sparkasse.

Sie sind der Fintech-Beauftragte der Bundesregierung, gehört da die persönliche Praxiserfahrung nicht dazu?

Klar, ich teste auch immer mal wieder was aus. Und wir laden regelmäßig Fintechs zu Gesprächsrunden in das Ministerium ein, um zu erfahren, was die Gründer aus dem Finanzbereich umtreibt, welche Sorgen sie haben, was die Politik machen kann, um sie zu unterstützen. Fünf solcher Runden gab es schon.

Wie wichtig sind die neuen Spieler aus Sicht der Politik?

Deutschland ist der größte Finanzplatz in Kontinentaleuropa. Wir dürfen die Zukunft des Bankings nicht verschlafen. Das, was wir bislang in Form einiger schicker Apps von Start-ups sehen, ist erst der Anfang eines tiefgreifenden Wandels. Der technologische Fortschritt ist hier ein Treiber. Und die Banken müssen viel stärker als bisher vom Kunden und nicht vom Produkt her denken. Die Marge wird am Ende von dem gemacht, der den Zugang zum Kunden hat. Und das werden in Zukunft nicht mehr zwangsläufig die etablierten Adressen sein. Viele deutsche Banken unterschätzen das. Einige Direktbanken zumindest sind da schon besser aufgestellt.

Die deutsche Politik hat das Thema doch auch lange unterschätzt. Großbritannien pumpt bereits Milliarden Pfund in den Fintech-Bereich, hat sich längst Expertenrat aus der freien Wirtschaft geholt.

Großbritannien powert da gerade sehr, das stimmt. Dort haben Finanzdienstleister traditionell ein größeres Gewicht. Die Banken sind dort für die Wirtschaftskraft sehr viel wichtiger als in Deutschland. Eine staatliche Förderung in Milliardenhöhe kann ich mir für Deutschland nicht vorstellen. Und doch wollen wir die Rahmenbedingungen für Gründer verbessern.

Viele Gründer beklagen die langwierigen Genehmigungsprozesse bei der Finanzaufsicht, fehlende Ansprechpartner.

Es ist fraglos ein Unterschied, ob eine Bank mit einer großen Rechtsabteilung bei der Finanzaufsicht vorstellig wird oder ein kleines Fintech-Unternehmen, das vielleicht mit nicht viel mehr als einer Idee anklopft. Die BaFin kann nicht jeden an der Hand nehmen und beraten. Dafür hat sie auch kein Mandat. Aber viel wäre gewonnen, wenn die Gründer gezielte Ansprechpartner hätten und sich dadurch die Bearbeitungszeit bis zu einer verbindlichen Aussage reduzieren würde.

Da die BaFin dem Finanzministerium untersteht, liegt es letztlich auch an Ihnen, dies zu ändern.

Die BaFin befindet sich unter dem neuen Präsidenten Felix Hufeld im Wandel. Dazu gehört auch der Aufbau einer Fintech-Einheit. Die muss nicht riesig sein, eine Truppe mit zehn bis 20 Mitarbeitern sollte reichen. Zusätzlich könnte es sinnvoll sein, davor noch eine Beratungsgesellschaft zu schalten.

Eine staatliche Beratungsgesellschaft für Gründer?

Nein, sie könnte auch aus der Szene selbst heraus aufgebaut werden, aber in enger Absprache mit der Finanzaufsicht agieren.

Bankenvertreter wie Sparkassen-Präsident Georg Fahrenschon wettern bereits, Fintechs dürften keine Sonderbehandlung bekommen.

Ach, dieses Lamento höre ich ständig. Eine Sonderbehandlung gibt es nicht und wird es nicht geben. Wenn Fintechs beispielsweise Bankgeschäft betreiben, werden sie genauso streng reguliert wie eine Sparkasse oder jede andere Bank. Wir gehen da ja auch nicht blauäugig heran, Verbraucherschutz und Finanzstabilität behalten wir genau im Blick. Wir wollen keine neuen, unregulierten Schattenbanken heranzüchten. Grundsätzlich kann ich alle klassischen Banken aber nur ermuntern, die Neulinge nicht als Konkurrenz, sondern als Ansporn und Bereicherung zu verstehen und mit ihnen zusammenzuarbeiten. Das Thema ist für den Finanzstandort Deutschland sehr wichtig. Wir müssen es jetzt alle gemeinsam voranbringen.

Die Fintechs sind hierzulande über viele Standorte verteilt, in Berlin, Frankfurt, München, Hamburg gibt es welche. Wie will Deutschland da im Wettbewerb mit London bestehen?

Ein zentraler Ort wie London, an dem alle sitzen – Fintechs, Banken, Aufsicht, Kapitalgeber – fehlt uns. So ein Ökosystem wäre wünschenswert. Berlin entwickelt sich in diese Richtung, aber hat es im Finanzbereich schwer, mit London mitzuhalten.

Sie wollen neben dem Finanzstandort 1.0 in Frankfurt einen Fintech-Standort 2.0 in Berlin schaffen?

Wir haben eine Studie in Auftrag gegeben, in der es unter anderem um solche Fragen geht. Welche Fintechs gibt es bereits, wo könnte man ein solches Ökosystem schaffen? Natürlich kann es in Deutschland auch in Zukunft überall Finanz-Start-ups geben, doch alles, was ich auch von Gründern höre, ist, dass sie von einem regen Austausch auf engem Raum profitieren. Zudem würde das die nationale und internationale Aufmerksamkeit für das Thema erhöhen.

Wann liegen die Ergebnisse der Studie vor?

Bis zum späten Sommer sollten wir einen tiefer gehenden Einblick in die Strukturen des deutschen Fintech-Marktes haben. Und dann werden wir die nötigen Schlüsse daraus ziehen. Das wird sicherlich nicht der Bund alleine machen. Das Land Hessen hat gerade eine Ausschreibung für ein eigenes Fördermodell der Fintechs in Frankfurt veröffentlicht. Am Ende sollte man sich auf einen, maximal zwei Standorte konzentrieren, die man gezielt fördert.

Die deutschen Banken sehen in den jungen Finanzunternehmen Konkurrenten und Kooperations-
partner zugleich. Auf dem Kontinent stehen sie damit ganz gut da. Anderswo sind die Berührungsängste
noch größer. (Quelle: Die Welt)

Wird der Bund auch Geld bereitstellen?

Wir werden uns den Förderbedarf genau ansehen. Sicherlich werden wir dabei nicht dem Beispiel Großbritanniens folgen. Das ist nicht die Art, wie wir in Deutschland Wirtschaftsförderung betreiben. Zumal es an Geld auch nicht mangelt. Bei deutschen Lebensversicherungen, bei Vermögensverwaltern oder in Family Offices liegen rund zwei Billionen Euro. Wenn davon nur ein kleiner Teil als Risikokapital in junge Unternehmen investiert würde, könnte man relativ schnell relativ viel machen. Kanadische Pensionsfonds legen in Deutschland ihr Geld an, warum sollten dies in Zukunft nicht endlich auch mehr deutsche tun?

Muss es bessere steuerliche Rahmenbedingungen für Wagniskapitalgeber geben?

Der Erhalt von Verlustvorträgen beim Anteilseignerwechsel könnte eine Option sein. Entscheidender scheint mir folgender Dreiklang: Erstens muss ein Umdenken in Deutschland einsetzen, ein Investment in Wagniskapital muss endlich eine normale Option für Anleger sein. Das lohnt sich auch in Deutschland, das zeigen viele interessante Start-ups – nicht zuletzt im Finanzbereich. Zweitens brauchen wir feste Ansprechpartner und Abläufe in den Behörden, namentlich bei der BaFin. Und drittens ein funktionierendes Ökosystem auf engem Raum für Start-ups und Fintechs. Da können Politik und Wirtschaft beide ihren Beitrag leisten.

Dieses Interview erschien zuerst bei Die Welt.