Joerg Schnurre: Mit nur einem Projekt gibt sich der Gründer nicht zufrieden

Im Leben von Joerg Schnurre gibt es eine klare Regel: Er macht nur das, worauf er Lust hat. Einen normalen Lebenslauf hält er für austauschbar. Dass es dadurch auch mal holprig werden kann, hat Schnurre mehr als einmal erlebt.

Vor zwei Jahren lebte er am Existenzminimum. Sein Kunst-Startup Pinkwhy, das Nutzer Kunstwerke gegen Bezahlung zum Download anbietet, wollte nicht zünden und ein Investor sprang in letzter Sekunde ab. Schnurre setzte sich auf das Rad und fuhr zwei Wochen lang quer durch Deutschland, um Aufmerksamkeit für sein Startup zu generieren. „Ich wollte der Situation entfliehen und den Kopf freikriegen“, sagt er rückblickend.

Gründerszene berichtete über seine Aktion vor zwei Jahren und sprach ein Jahr später noch mal mit dem Gründer. Mittlerweile hatte sich sein Leben um 180 Grad gewendet. Während er vorher jeden Cent umdrehen musste, hatte er zufällig einen gut bezahlten Job als Referent des Bürgermeisters von Dessau-Rosslau ergattern können. Für sein Startup Pinkwhy, das weiterhin auf Sparflamme lief, war wegen der 60-bis-80-Stundenwoche im Rathaus allerdings keine Zeit mehr.

In dieser Woche sprachen wir Schnurre erneut – und es ist wieder alles anders: „Anfang dieses Jahres habe ich meinen Job im Rathaus gekündigt“, sagt der Gründer fast beiläufig. Weil ihm das Thema Selbständigkeit nach wie vor sehr wichtig sei, hat sich Schnurre von seinem sicheren Job getrennt und eine ganze Reihe von Projekten gestartet.

So ist er seit Anfang des Jahres Mitinhaber des Kiez Cafés in Dessau, eine kleine Studentenkneipe, die es seit ein paar Jahren gibt. Dort sei er „per Zufall reingerutscht, nachdem sich einer der Inhaber zurückgezogen“ habe. Das Gastronomie-Geschäft kenne er bereits von seinen Großeltern, sagt er. Schon als kleines Kind habe er bei denen im Restaurant hinter der Theke gestanden. Operativ sei er in dem Kiez Café zwar nicht tätig, dafür erhoffe er sich am Ende des Jahres eine „kleine, aber feine Summe“, mit der er seine anderen Projekte stemmen kann.

Dazu zählt etwa Schnurres zweite Unternehmung: eine Immobilie in Dessau, die er gerade als Café, Restaurant, Coworking-Space und Hostel umbauen will. Derzeit befindet sich das Projekt noch in der Planung. Spätestens im Januar sollen die Räume eröffnet werden. „Das St. Oberholz am Bauhaus“ nennt Schnurre das Immobilienprojekt. Er spielt auf die Szene-Kneipe in Berlin-Mitte an, wo Nerds und Hipster an ihren Projekten arbeiten.

Sein Hauptprojekt sei allerdings wieder Pinkwhy, sagt er mit Nachdruck. Und eine Erkenntnis aus der Fahrradtour sei gewesen, dass die Probleme um das Kunst-Startup bei ihm gelegen hätten. „Ich habe zwar groß gedacht, aber die allerersten Schritte vergessen: zum Beispiel, wie und mit wem man eine Test-Page aufbaut, oder was sie kostet.“ Daraufhin habe er seinen Businessplan angepasst und die ersten zehn bis zwölf Monate genau durchdacht – von Tag eins an.

Gerade sei er dabei, ein Gründerstipendium für Pinkwhy zu beantragen, erzählt Schnurre. Auch Gespräche mit dem VC Point Nine Capital habe es bereits gegeben. Die könnten konkreter werden, wenn er die ersten 50.000 Euro Umsatz vorzeigen kann. Doch bis dahin muss noch einiges passieren. Gerade lässt Schnurre die Unternehmenswebseite programmieren und testet, ob die Leute bereit sind für den Download von digitaler Kunst. Falls sich dann im zweiten Anlauf keine Nachfrage abzeichnet, habe das Konzept wenig Sinn, sagt er. Aber es würde ihn wundern.

Schnurre bleibt optimistisch, eigentlich immer. Und zumindest für die nächsten Monate ist er finanziell noch gut aufgestellt. Zum einen durch die Ersparnisse aus dem Rathaus-Job, zum anderen hätte er mehrere Anfragen als freier Berater bekommen.

Auf die Frage, wo sich der Gründer in einem Jahr sieht, blüht er auf: Er wolle mindestens 10.000 Kunst-Downloads mit Pinkwhy generieren und ein super Team aufgebaut haben. Dessau, gelegen zwischen Berlin und Leipzig, sei dafür ein idealer Ort, schwärmt er. Auch wegen des Bauhauses sei die Stadt ein guter Impulsgeber – selbst für das Unternehmertum. „Ehssan Dariani hat das ja letztes Jahr mit seiner Spritztour deutlich gemacht“, meint Schnurre und verweist auf einen Gründerszene-Artikel, in dem der StudiVZ-Gründer einen Ausflug mit dem Tesla zur Bauhaus-Stadt machte.

Übrigens: Im vergangenen Jahr versprach Schnurre, vor 40 nicht in die Politik gehen zu wollen. Gehalten habe er das Versprechen nicht, erzählt er uns lachend. Seit Anfang 2015 sei er Mitglied der FDP. Und sei nach nur einem Jahr für die Partei als Direktkandidat für den Landtag angetreten. „Ich habe für Dessau-Rosslau ein gutes Ergebnis geschafft“, sagt er stolz. Für den Landtag reichte das Ergebnis zwar nicht, aber ein Achtungserfolg sei es für ihn dennoch.

Gründer, Café-Inhaber, Coworking-Space-Betreiber und Politik-Neuling – wo wird Joerg Schnurre wohl in einem Jahr stehen?

Bild: Joerg Schnurre