Auch auf dem Buchmarkt wird jetzt gestreamt

Bescheidenheit sieht anders aus. Christoph Kappes und Sascha Lobo wollen gleich mal einen neuen Standard setzen. Ihre Firma Sobooks wird die Art und Weise verändern, wie wir Bücher im Internet lesen – da sind sich die Macher sicher. Bücher kaufen, lesen, kommentieren und Teile daraus in den Netzwerken teilen – das soll ab Freitag alles auf Sobooks erledigt werden. Komplett digital. Die Verhandlungen mit den großen Verlagen laufen offenbar gut.

Neben Kappes und Lobo arbeiten bei Sobooks noch die beiden Mitgründer Oliver Wagner und Oliver Köster. Sie sorgen dafür, dass die großen Ideen gestalterisch und technisch angemessen umgesetzt werden. Die große Angst vor dem Marktherrscher Amazon liefert Sobooks eine Menge guter Argumente. Am Dienstag startete der neue Buch-Streamingdienst „Kindle unlimited“ von Amazon. Das Angebot für 9,90 Euro im Monat scheint zumindest in Deutschland noch sehr übersichtlich zu sein. Wir haben mit Christoph Kappes über Sobooks, Streaming und Bücher gesprochen.

Was ist eigentlich die Kernidee von Sobooks?

Die Kernidee ist, dass man bei uns alle Aktivitäten rund um das Buch im Browser erledigen kann. Bis jetzt lese ich etwas auf Facebook, dann gehe ich rüber in einen Shop von Amazon, lade mir das Buch auf einen Kindle und dort gibt es dann eine unelegante Facebook-Integration. Von dort komme ich allerdings nie wieder in mein Buch zurück.

Bei uns sieht das ganz anders aus: Jemand, der ein Buch im Store kauft, kann es anlesen, dann folgt ein Metering, das nach acht oder zehn Seiten oder auch 10 Prozent der Seiten zum Kauf auffordert. Das hängt vom jeweiligen Buch ab. Und wenn man dann gekauft hat, kann man auf Facebook und Twitter einzelne Textauszüge teilen. Und wer dann auf diese geteilten Links klickt, landet direkt im Buch und kann den Kontext der Seiten lesen und auch hin und her blättern.

Ihr geht also davon aus, das Leute Bücher im Browser lesen wollen?

Ja. Das ist auch absolut naheliegend. Weil HTML nun mal die Technik ist, mit der man lesbare, digitale, austauschbare Dokumente produziert.

Werdet ihr optisch Bücher imitieren?

Nein. Wir haben darauf verzichtet – weil wir Profis sind. Wir glauben, dass das nicht mediengerecht ist. Es gibt einen ganz leichten Wischeffekt. Aber mehr auch nicht. Damit der Leser das E-Book nicht mit einem Nachrichtenportal verwechselt.

Habt ihr überhaupt Ahnung vom Buchverlagswesen?

Ich hatte nur als Berater Ahnung, habe ja vor allem Verlage beraten. Aber vom Buchverlagwesen habe ich keine Ahnung gehabt. Sascha Lobo natürlich als Autor. Das hat Vor- und Nachteile. Auf der einen Seite hat es uns ermöglicht zu sagen: Wir machen jetzt Tabula rasa und stellen uns die perfekte Online-Idealwelt vor. Ohne Rücksicht auf Ressourcen oder Konzernstrukturen. Wir haben uns einfach mal ausgedacht, wie das Lesen der Zukunft aussieht. Das ist kein Witz oder keine Werbung, das war wirklich so.

Natürlich haben wir anschließend so ziemlich sämtliche Probleme mitgenommen, mit denen man in der Buchbranche kämpfen kann. Wir haben sogar noch neue Probleme erfunden. Das ist auch ein Grund für die Verzögerung. Weil wir zum Beispiel für unser Sharing-Modell keine normalen E-Book-Vertriebsverträge nutzen konnten. Die Verlage müssen ja der kostenlosen Seitenbereitstellung zustimmen und die Autoren natürlich auch. Für jedes Buch, das bei uns drauf soll, muss ein Autor seine Zustimmung erteilen. Wir haben ursprünglich gedacht, dass das nicht so schwierig sein wird. Es ist aber beim Aufbau des Sortiments ein kritischer Faktor.

Ihr müsst jeden Verlag anschreiben und über diesen Punkt verhandeln?

Ja. Das haben wir auch getan. Wir haben oben angefangen. Mit Random House und Ullstein zum Beispiel. Die haben entsprechende Verträge unterschrieben. Danach ging es eigentlich durch wie Butter. Wenn man mal von Holtzbrinck absieht. Da verhandeln wir noch. Die Verlage sind uns gegenüber sehr positiv eingestellt. Natürlich auch wegen der Bedrohung von Amazon.

Den neuen Roman von Murakami kann ich also auch bei euch lesen?

Wenn er dem zustimmt.

Von euch liest man Sätze wie: „Wir setzen den neuen Standard für das Lesen im Netz.“ Ein bisschen größenwahnsinnig seid ihr schon, oder?

Ja. Wir sind größenwahnsinnig. Vielleicht unterscheiden Sascha Lobo und ich uns in Nuancen.

Muss man das heute sein, wenn man ein Unternehmen gründet?

Meine Art ist das eigentlich überhaupt nicht. Ich finde es viel sympathischer, wenn jemand durch Ergebnisse glänzt. Und sich dabei eher hanseatisch zurückhaltend verhält. Hier ist es aber so, dass ich Sascha Lobo als Partner habe (lacht) – und dass wir uns in der Buchszene als jemand positionieren müssen, an dem man nicht vorbeikommt. Wir sind für die Verlage ein Fall, den man sich sehr genau anschaut. Uns kann man nicht links liegen lassen. Man könnte ja auch sagen, da sind ein paar Nerds, die frickeln da etwas zusammen. Das ist bei uns nicht so. Wir werden in der Buchbranche beachtet.

Auf welchem Gerät soll ich eure Bücher lesen?

Unser Kern ist browserbasiert. Du kannst auf dem iPad, auf einem beliebigen Tablet und natürlich auch auf Smartphones unsere Produkte nutzen. Auf Desktops natürlich sowieso. Und wir haben zusätzlich noch eine App für iOS. An Android sind wir dran. In dieser App wird man dann nur lesen können. Auch offline. Was ein sehr kritischer Punkt ist. Auf meine Musik per Spotify kann ich für zehn Tage auf La Gomera verzichten. Auf meine Bücher sicher nicht.

Wie wollt ihr Geld verdienen?

Wir leben von der Handelsmarge. Indem wir mit Verlagen und Autoren Vertriebsvereinbarungen schließen und unseren Kunden Nutzungsrechte einräumen. Dazu gibt es noch ein ganz kleines Standbein, wo wir selber ein Verlag sind, der Autoren unter Vertrag nimmt und entwickelt.

Wie lest ihr Bücher? Gedruckt oder digital?

Sascha Lobo liest glaube ich inzwischen komplett digital. Gerade weil er sehr viel unterwegs ist. Der ist brutal digital und hat alles auf seinem iPad Mini. Ich bin zehn Jahre älter und von der Ausbildung her Jurist. Ich habe es gelernt, Bücher auf eine Art und Weise zu verarbeiten, die nur mit Papier geht. Was leicht zu konsumieren ist, lese ich auch digital. Aber wenn ich ein anspruchsvolles Buch habe, dann muss es bei mir Print sein. Ich nutze Leuchtmarker, dann nehme ich einen Bleistift, fange an zu malen. So kann ich den Lesestoff am besten verarbeiten.

Wie hörst du Musik?

Ich nutze mp3-Files. Und zunehmend auch Streaming. Obwohl ich das eigentlich nicht wollte. Es ist schon faszinierend. Die Sogwirkung von Spotify ist immens. Diese Convenience. Du machst den Dienst auf und sagst, ich will Musik von Frankman – und dann ist sie da. Ich war eigentlich der Meinung, meine Files gehören mir und das wäre ein besseres Gefühl. Aber ich halte das nicht durch.

Was liest du gerade?

Ich lese immer bis zu zehn Bücher gleichzeitig. Aus der Netzecke im Moment „Big Data“ von Klaus Mainzer. Kann ich jedem nur ans Herz legen. Meist lese ich auch etwas über die Theorie sozialer Systeme. Und ein bisschen Belletristik. Peter Stamm lese ich gerne. Aber ich habe irgendwann mal das Diktum von Arno Schmidt gelesen, dass man im Leben nur einige tausend Bücher lesen kann. Da ich jetzt 51 Jahre alt bin, kann ich vielleicht nur noch 20 Jahre lesen. Das bedeutet, dass ich sehr klug mit meinem Buchkonsum umgehen muss. Ich glaube, ich werde nicht mal mehr 1000 Bücher schaffen.

 

Christoph Kappes ist Jurist und Geschäftsführender Gesellschafter der Beraterfirma Fructus und befasst sich seit Jahren in Blogs und Vorträgen mit der Digitalisierung.

Sascha Lobo ist laut Selbstbeschreibung „Inhaber einer gut gehenden Frisur“ und außerdem bekannt durch seine Tätigkeit als Autor, Journalist und durch seine Vorträge.

Bild: © panthermedia.net/Lasse Kristensen