In unserem Format „Kind und Karriere“ stellen wir Menschen aus der Startup-Szene vor, die mit der Herausforderung konfrontiert sind, Kind und Karriere unter einen Hut zu bringen. Dieses Mal erzählt Gerald Hoff, freiberuflicher Sales-Manager, wie sich die Prioritäten zwischen Job und Privatleben durch die Familie verschieben.

Wer bist du? Was machst du?

Ich bin Gerald Hoff, 37 Jahre alt und überzeugter Wahlberliner. Seit 16 Jahren bin ich selbstständig in der Finanzbranche. Mit meinen Streifzügen durch die Startup-Szene habe ich meine Skills und meinen Horizont auf verschiedene andere Gebiete erweitert. Früher habe ich Leichtathletik als Leistungssport gemacht. Ich laufe immer noch Marathon und bin seit zwei Jahren ein echter Vollblutpapa.

Wie viele Kinder hast du, wie alt sind diese?

Ich bin stolzer Mädchenpapa. Meine Große ist gerade zwei Jahre alt geworden und die Kurze fünf Monate.




Was macht deine Partnerin?

Meine Partnerin arbeitet im Recruiting.

Auf welche Unterstützung könnt ihr beiden noch zurückgreifen?

Wir organisieren uns selbst untereinander, damit jeder seine Freiräume hat und wir alles schaffen, aber investieren natürlich auch in Babysitter. Manchmal können uns die Großeltern helfen, aber aus unserer Familie wohnt leider niemand in der Nähe. Daher findet einfach auch viel bei uns zu Hause statt. Wie zum Beispiel Freunde treffen.




Was ist das Beste am Elternsein? Was ist doof?

Das Beste ist, meinen Kindern die Welt zu zeigen, sie auf unsere Reise mitnehmen zu dürfen und sie für ihre eigenen Ziele irgendwann bestmöglich vorzubereiten. Es ist großartig, wie sie immer „größer“ werden. Wie sie Dinge lernen, die für uns selbstverständlich sind. Das „Papa um den Finger wickeln“ hat die Große schon sehr gut raus. Es fällt mir oft schwer, NEIN zu sagen, wenn sie ruft: „Papa, Papa, Papa…“ Die größte Herausforderung ist der permanente Schlafentzug. Aber auch Trotz- und Wutausbrüchen in allen Lebenslagen richtig zu begegnen ist schwierig. Nicht zuletzt habe ich es mir einfacher vorgestellt, die Windeln los zu werden.




Welche Probleme oder Schwierigkeiten ergeben sich für dich aus der Kombination Kind und Karriere?

Ich muss mich selbst viel besser organisieren und strukturieren – in jeder Lebenslage. Ich habe meine Zeit nicht mehr nur für mich allein. Weder zum Arbeiten noch zum Spaß haben. Meine Arbeit muss bis zu einer bestimmten Uhrzeit geschafft sein, damit ich rechtzeitig auf dem Spielplatz bin oder mit meinen Kindern Abendbrot essen und sie ins Bett bringen kann. Wir müssen uns gut absprechen und organisieren, damit wir unseren Kindern und unserem Bedürfnis nach Familie gerecht werden können. Da muss die Arbeit manchmal auch unterbrochen werden und geht abends, nachdem die Kinder im Bett sind, noch weiter.

Hast du Elternzeit beantragt?

Ja, habe ich und durch meine Selbstständigkeit war das auch kein Problem. Einige meiner Kollegen waren schon verwundert, da vor allem die Finanzbranche ja eher sehr wettbewerbsgetrieben und klassisch in vielen Ansichten ist. Ich bereue es überhaupt nicht und nehme mir auch bei meiner kleinen Tochter gerne wieder Zeit für sie.




Welche Veränderung der Gesetzeslage würdest du dir im Bezug auf Elternzeit wünschen?

Die Klärung der Finanzen für Selbstständige muss einfacher werden. Der gesamte Papierwahnsinn mit Beginn der Elternschaft muss weniger werden.

Wie ist die zeitliche Gewichtung zwischen Kind und Karriere?

Wir versuchen ein ausgewogenes Verhältnis zu schaffen. Ich habe immer gesagt, es muss doch klappen, Elternsein, berufliche Weiterentwicklung und Privatleben unter einen Hut zu kriegen. Und es ist nicht einfach, aber es klappt.

Strukturierst du deinen Tag anders, seitdem du Vater bist?

Ich stehe früher auf und gehe früher ins Bett. Und im Laufe des Tages gerate ich öfter ins Schwitzen, um tatsächlich alles zu schaffen, was ich mir so vorgenommen habe und was erledigt werden muss. Ich kann nicht mehr nur einfach in den Tag hinein arbeiten und anfangen und Schluss machen, wann ich will. Die Kita hat ja Öffnungszeiten, die es zu beachten gilt.

Was machst du morgens als erstes, E-Mails checken oder Kinder wecken?

Mobile sei Dank checke ich ehrlich gesagt erst meine Mails im Bett, bevor ich mich den Kindern widme. So weiß ich, was mich im Laufe des Tages erwartet. Das gilt aber natürlich nicht jeden Tag. Wenn meine Große sich nachts schon zu uns ins Bett schleicht, haben Mails am Morgen keine Chance.




Gibt es „heilige Rituale“, feste Termine mit der Familie, die du um keinen Preis missen möchtest?

Ich versuche fast ausnahmslos zum Abendbrot zu Hause zu sein für unser Abendritual. Gemeinsam Essen, Waschen, Zähneputzen und dann Lieder oder Geschichten im Bett ist für mich ein wichtiger Teil des Familienlebens. Auch die Wochenenden gehören meistens der Familie und wenn es doch etwas zu tun gibt, dann muss man Kompromisse machen und sich entsprechend arrangieren.




Was hast du von deinen Kindern gelernt?

Das man ganz viele Probleme mit Schokoeis lösen kann. Alles ist blau oder grün. Und ich kann jetzt den Biene Maja Tanz.




Was wünschst du dir von deinem Arbeitgeber?

Da ich selbstständig bin, wünsche ich mir für mich, dass ich mich selbst noch besser organisieren kann, um auch meine Partnerin noch besser entlasten zu können. Tim Ferriss: Wie machst Du das nur mit Deiner Vier-Stunden-Arbeitswoche? Ich bewundere Dich dafür.




Wie hat sich deine berufliche Entwicklung seit dem Elternsein verändert?

Ich war 15 Jahre beruflich keinen Abend vor 21 Uhr zu Hause. Das habe ich komplett geändert. Ich habe einiges Neues probiert und schwanke zwischen Sicherheit für meine Familie und Selbstverwirklichung für mich. Aktuell denke ich, einen guten Weg für uns alle gefunden zu haben.

Hast du seit deinem Elternsein einen anderen Blick auf die Arbeit?

Natürlich. Arbeit ist nicht mehr das einzig Wichtige für mich. ich definiere mich nicht mehr nur über meinen Beruf und finanziellen Erfolg. 60- oder 70-Stunden-Wochen gibt es nicht mehr. Ich arbeite auch nicht mehr nur so in den Tag hinein, sondern habe konkrete Ziele, mit klaren zeitlichen Limits. Ich möchte ein guter Partner und toller Papa sein. Meine Familie soll es gut haben. Kein Job ist so gut wie der des Papas! Ich kann jetzt auch von mir behaupten, ein Feuerwehrmann- und Piratenexperte zu sein.



Welche Tipps hast du für werdende Väter, die Kind und Karriere unter einen Hut bekommen wollen?

Man sollte sich genau überlegen, was man will. Man selbst, der Partner sowie als Familie. Es ist gut, einen Plan zu haben, bevor die Kinder kommen. Aber man sollte einkalkulieren, dass man diesen gegebenenfalls auch komplett über Bord werfen kann, wenn die Kinder erst mal da sind. Das ist wie in einem Startup. Es läuft auf keinen Fall alles wie geplant. Scheitern und Umschwenken sollte man nicht ausschließen. Organisation, Struktur, Kompromissbereitschaft und keine falsche Scheu, bei der Kinderbetreuung um Hilfe zu bitten, sind wichtige Kriterien. Bei uns funktioniert das sehr gut. Aktuell kann ich beruflich mehr machen, da meine Partnerin in Elternzeit ist. Wenn sie danach wieder arbeiten geht, soll auch sie sich beruflich verwirklichen können und ich werde Rücksicht nehmen. So sind wir als Paar und als Familie glücklich.

Bild: Gerald Hoff