Unsere Heidi wurde aus Sicherheitsgründen an einen geheimen Ort gebracht.

Popcorn und Chips auf dem heimischen Wohnzimmertisch, die Halle in Mannheim platzte aus allen Nähten, Wolfgang Joop schien noch etwas verwirrter als üblich – alles war bereit für Heidis „Mädchen“. Doch dann kam alles ganz anders bei Germany’s Next Topmodel. Gegen 21.15 Uhr wurde die Liveübertragung unterbrochen. ProSieben sendete plötzlich den Film „The Blind Side“ mit Sandra Bullock und wies per Einblendung auf eine technische Störung hin. Wer wissen wollte, was wirklich in Mannheim passiert war, musste sich ab jetzt aus anderen Quellen bedienen.

Auf Twitter war relativ schnell zu lesen, dass es eine Bombendrohung gab, die zum Abbruch der Sendung geführt hatte. Durch die vielen Retweets konnte man hier die beste Quelle für News rund um die Geschehnisse identifizieren. Bild-Reporter Daniel Cremer twitterte direkt vom Ort des Geschehens: „Bombendrohung an der Halle. Deshalb geht es nicht weiter.“ Etwas später: „Alle müssen raus und auf den Parkplatz. Hier geht nix mehr! #GNTMFinale.“ Gegen 22 Uhr kündigte er eine Liveübertragung per Periscope an – und wenige Minuten später konnte man Cremers Bericht live vom Parkplatz vor der Halle anschauen.

Während das Telefonnetz, FaceTime oder iMessage nicht mehr funktionierten, lief Periscope einwandfrei. Bis zu 3000 Menschen sahen sich die Live-Übertragung des Bild-Reporters an. Cremers Followerzahl auf Twitter nahm im Sekundentakt zu. Das Interesse an Livebildern direkt vom Ort des Geschehens war offenbar groß, wenn man bedenkt, dass Twitter in Deutschland kein Massenmedium ist – von Periscope ganz zu schweigen. Auf Snapchat verbreitete Stefanie Giesinger, Siegerin der vergangenen „Germany’s Next Topmodel“-Staffel, Bilder von der Evakuierung. Als sich der verantwortliche Sender ProSieben dann gegen 23 Uhr doch noch auf Twitter meldete und die Berichte über eine Bombendrohung bestätigte, war das Informationsbedürfnis vieler Zuschauer längst gestillt.

Periscope und Snapchat werden die journalistische Berichterstattung weder ersetzen noch zerstören. Doch diese Dienste füllen offenbar eine Lücke. Die Menschen wollen heute live auf ihren Handys sehen, was am jeweiligen Ort des Geschehens passiert. Man bekommt einen ersten, schnellen Eindruck. Eine faktensichere Einordnung der Vorgänge ist so schnell nicht möglich – aber offenbar auch gar nicht nötig. Dafür eignen sich andere, etwas langsamere Plattformen viel besser. Wie bei vielen digitalen Innovationen, sind die Nutzer am Ende in der Verantwortung, mit diesen neuen Werkzeugen verantwortungsvoll, kritisch und selbstbestimmt umzugehen. Sind die Prominenten als erstes aus der Halle gebracht worden? Gibt es schon eine Festnahme? Man muss nicht jedes Gerücht retweeten – und alles glauben, was uns per Periscope gezeigt wird.

Ach ja, falls es doch jemand interessieren sollte: Eine Bombe wurde nicht gefunden und das Finale wird am 28. Mai in der Prime Time stattfinden. Ob es eine Live-Sendung sein wird, die aus einem kleinen Studio oder noch einmal aus einer Halle sendet, steht noch nicht fest.

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