Es gibt im Silicon Valley nicht viele Läden, in denen abends noch so richtig etwas los ist. Man muss ja am nächsten Morgen wieder die Zukunft programmieren oder fleißig in Stanford studieren. Ein Freund empfiehlt mir schließlich eine Hotelbar. Tolle Aussicht, gute Drinks, nettes Publikum. Das klingt doch ganz gut. Vor allem an Donnerstagabenden soll die Hotelterrasse ein angesagter Treffpunkt sein. Warum nicht? Also fahre ich an einem Donnerstag kurz vor Sonnenuntergang zum Rosewood Sands Hill Hotel in Menlo Park – ganz an das Ende der Sand Hill Road – der legendären Straße der Investoren.

Ich gebe meinen angeschlagenen, roten Mazda beim Valet-Parking ab, der ihn zwischen einer ganzen Reihe mit Porsches und Teslas einparkt, und schlendere auf die Terrasse. Was für ein netter Ort. Man setzt sich unter Palmen und Fackeln auf gemütliche Lounge-Möbel und hat einen tollen Blick auf die Santa Cruz Mountains. Ein paar Minuten später steht ein Glas Chardonnay vor mir. Seltsam. Ich hatte noch gar nicht bestellt. Die Bedienung deutet mit einem Kopfnicken an, dass ich von drei Damen am Nebentisch eingeladen wurde. Ich proste ihnen zu und nehme einen vorsichtigen Schluck.

So etwas ist mir noch nie passiert und ich schaue das Publikum etwas genauer an. Da sind Herren im sogenannten besten Alter, die sich schick gemacht haben, junge Frauen, bei denen die Absatzhöhe im umgekehrten Verhältnis zur Rocklänge steht. Aber auch einige elegante, ältere Damen. Interessant. So langsam füllt sich die Bar und es bilden sich schnell Grüppchen. Man kommt locker ins Gespräch und auch meine Gönnerinnen setzen sich an meinen Tisch und fragen, was mich denn so ins Valley treibe. Beim Stichwort „Journalist“ kühlt die freundliche Stimmung innerhalb von Sekundenbruchteilen um einige Grad Fahrenheit ab.

Irgendwann fällt dann auch dem blindesten Beobachter auf, um was es an diesem Ort geht. Hier werden – sagen wir mal – Kontakte geknüpft, die mit der täglichen Arbeit nichts zu tun haben. Und wie ich nach der Lektüre des Berichtes meiner Kollegin Jutta Maier weiß, ist diese Bar eine im Valley geradezu legendäre Adresse für die Suchende. Weil die Chancen sehr gut stehen, dass man findet.

Auch einige junge, schüchterne Männer sind jetzt aufgetaucht. Sind das diese leicht autistischen Programmierer oder nerdige Gründer, von denen man immer hört, dass sie Schwierigkeiten haben, eine Frau kennenzulernen? Je mehr Alkohol verzehrt wird, desto lockerer wird auch bei ihnen die Stimmung. Der Ort hält offenbar, was er verspricht.

Am nächsten Morgen erzähle ich die Geschichte einem Freund in Palo Alto beim Frühstück. Er verschüttet vor Lachen seinen Kaffee – und erzählt mir alles über das Rosewood Sands Hill Hotel, was ich heute auch weiß. Am Abend sind wir dann in eine rustikale Sportsbar gegangen und haben uns einen Hamburger und das Footballspiel gegönnt. Mein Bier habe ich selber bezahlt – und diese freundliche Bar ist dann zu meiner Stammkneipe im Valley geworden.

Bevor ihr heute in eure eigene Stammkneipe geht – hier noch ganz kurz ein paar handverlesene Musiktipps für den Ball der verlorenen Herzen:

Heartbreak Hotel. Der Meister mit einem seiner besten Songs. Live in Las Vegas beim sogenannten Comeback Special.

Alone again. Fast vergessen. Immer noch gut. Manchmal. Gilbert O’Sullivan.

Somebody to Love. Ohne Worte.

 

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