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dobi Hat Verkehrsminister Dobrindt mit der E-Prämie einen „Flop“ geliefert?

Das Medien-Echo zur Umweltprämie für E-Autos ist eindeutig: Der staatliche Zuschuss sei ein „Flop“, heißt es nahezu einvernehmlich. Was die Zahlen anbelangt, die das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) nun vorgelegt hat, haben die Kritiker Recht: Mit 9.023 Anträgen seit Beginn der Förderung im Juli 2016 sind die Erwartungen nicht erfüllt worden.

„Im Prinzip ist die Prämie ein Flop, sie hat praktisch keinen Effekt“, sagt auch Stefan Bratzel, Professor für Automobilwirtschaft an der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach gegenüber Zeit Online. Doch dieser Schluss ist voreilig und unangemessen – weil er sich ausschließlich auf den Ist-Zustand beruft und die zukünftige Entwicklung dadurch mit Vorurteilen belastet.

Es stimmt schon: Der Fördertopf, der halb vom Staat und von den Autobauern gefüllt wird, soll mit einem Budget von rund 2,5 Milliarden Euro für 300.000 bis 400.000 geförderte Autos mit alternativen Antrieben reichen. Das noch im vergangenen Jahr gesetzte Ziel von Verkehrsminister Alexander Dobrindt, bis 2020 eine Millionen E-Autos auf Deutschlands Straßen zu bekommen, dürfte nach den derzeitigen Prognosen also nur schwer zu realisieren sein.

Die Kritik der Medien an kaum haltbaren Verspechungen der Politik sind berechtigt und notwendig. Allerdings das gesamte Programm infrage zu stellen, führt am Ziel vorbei. Anstatt wenigstens hin und wieder die Vorzüge der E-Mobilität und ihre bisherigen Fortschritte zu schildern, werden Misserfolge und Ängste in den Mittelpunkt der Berichterstattung gerückt.

Bestes Beispiel: „Reichweitenangst“. Da die wenigsten Akkus derzeit weiter als 300 Kilometer mit einer Ladung kommen, wird befürchtet, dass der Wagen unterwegs liegen bleibt oder keine Ladesäule in der Nähe ist. Diese Angst lässt sich nehmen, wenn die Dichte der Ladeinfrastruktur in größeren Städten betrachtet wird. Die volle Auslastung der Ladesäulen ist noch längst nicht erreicht. Wie eine Trendstudie zeigt, legen Arbeitnehmer am Tag durchschnittlich etwa 46 Kilometer zur Arbeit zurück, jeder Dritte fahre mehr als 70 Kilometer. Selbst mit einem E-Kleinwagen wie dem Renault Zoe lässt sich der Weg zur Arbeit und wieder zurück problemlos zurücklegen.

 

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Denn geladen wird überwiegend zu Hause oder auf dem Betriebsgelände, besagt ein Bericht zur derzeitigen Lage der E-Mobilität aus dem Jahr 2015. Selbst Lidl bietet seinen Kunden mittlerweile Ladestationen. In Städtzentren locken Aufladeflächen mit Parkplätzen. Wo sonst kaum eine Stellfläche frei ist, können E-Autofahrer parken, aufladen und in der Zwischenzeit Erledigungen nachgehen.

Kritiker wenden ein, mit einem E-Auto ließen sich keine weiten Distanzen zurücklegen. Hier gehen Tesla wie auch Nissan mit bestem Beispiel voran, Schnellladesäulen entlang von Schnellstraßen und Autobahnrasthöfen auszubauen. Auch von staatlicher Seite werden Förderprogramme auf die Beine gestellt. Doch hier ist es genauso wie mit der Umsatzprämie: Gut Ding will Weile haben! Vorschnell den Zuschlag zu verurteilen oder den Vergleich mit der erfolgreicheren Abwrackprämie anzuführen, sind kontraproduktiv. Warum?

Wir machen uns den Flop zur Tatsache

Weil Sprache Wirklichkeit schafft! Der vermeintliche Misserfolg, der von den Medien konstatiert wird, schreckt jeden Interessenten an alternativer Fortbewegung ab. Wer kontinuierlich einseitige Vorhersagen geliefert bekommt, der festigt seine Meinung, verhält sich auch dementsprechend – und steigt nicht auf ein E-Auto um.

Das Prinzip der Self-Fulfilling-Prophecy sowie der Medienrummel um Buzzwords wie „Reichenweitenangst“ tragen mehr als alle noch vorhandenen Probleme dazu bei, dass die Wende in Richtung E-Mobilität nur langsam vorankommt. Und ja, es gibt viele offene Fragen. Warum gibt es zum Beispiel noch keinen einheitlichen Bezahlvorgang? Auch hier sind bereits die Hebel umgelegt, nur ist der Prozess noch nicht vollständig in Gang gekommen. Es gibt bereits Kooperationen von großen Automarken mit Hubject oder Startups wie Plugsurfing, die an vereinheitlichen Lade- und Bezahllösungen Lösungen arbeiten.

E-Mobilität wird sich durchsetzen. Das Tempo hängt davon ab, wie die Aufklärungsarbeit in diesem noch recht jungen Industriezweig vorangetrieben wird. Jetzt schon von Scheitern und Flops zu sprechen, verlangsamt diese Entwicklung. Auch wenn es nur ein vergleichsweise kleiner Zuschuss vom Staat ist – 4000 Euro sind ein guter Anfang. Letztlich ist der Weg zur E-Mobilität auch ein Frage des Vertrauens. Vertrauen in eine neue Technologie, die ein lebenswerteres Stadtbild mit weniger Lärm und Abgasen möglich macht. Mit diesem positiven Ziel vor Augen wird sich der neue Wirtschaftszweig schneller entwickeln.

Im Jahr 2020 werden wir zurückschauen und uns über unsere anfängliche Technologie-Verdrossenheit und mäkelige Kritik am Föderprogramm wundern.

Bild: Getty Images / CLEMENS BILAN