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Die Materialkosten liegen bei 28,23 Euro. Dann 16 Euro für die Arbeit. Und nicht zu vergessen: die Steuern für 13,30 Euro. Transport- und Verpackungskosten schlagen mit 5,08 Euro zu Buche. Zusammen macht das 62,61 Euro plus 56,39 Euro Marge. Am Ende kostet das kupferfarbene, weit geschnittene Kleid Adriana des Berliner Modelabels Von Hund dann 119 Euro. Produziert wird das Kleidungsstück in Litauen.

Diese ungewöhnliche Transparenz wagen die Firmengründer Rohan Michael Hoole und Isabel Kücke nicht nur bei einem Stück, sondern bei ihrer gesamten Kollektion aus 77 Teilen. Ein gewagter Schritt für eine Branche, die eigentlich durch ihre hoch komplexen Produktionswege und Herstellungsprozesse geprägt ist.

„In dieser Radikalität habe ich die Offenlegung der Kosten und Kalkulationen in der Branche noch nicht gesehen“, sagt auch Axel Augustin, Sprecher des Bundesverbands des Deutschen Textileinzelhandels (bte). Nicht alle Anbieter könnten ein solches System überhaupt so anbieten. Denn einige würden Teile auch von Zwischenhändlern einkaufen. Das mache die Frage der Transparenz noch komplexer.

Der Textilverband winkt ab

Doch auf Zwischenhändler verzichten Hoole und Kücke komplett. Alle Stücke der Kollektion entwirft die 30-jährige Kücke, die an der Berliner Universität der Künste Modedesign studierte, zusammen mit anderen Designern. Für die Produktion der Teile klapperte sie zusammen mit Hoole diverse Produzenten in ganz Europa ab, um sie von ihrem Projekt zu überzeugen.

Das Konzept ging schließlich auf. Die Teile von Von Hund kommen aus Spanien, Portugal und Litauen direkt nach Berlin. „Wir wollten ein Label gründen, das unsere Werte widerspiegelt“, erklärt Hoole.

Die Transparenz war dabei für die Gründer eines der Kriterien, die von Beginn an feststanden. Denn sie kennen die Branche mit ihren langen Lieferwegen und verwobenen Strukturen gut. Der 38-jährige Filmemacher, der ursprünglich aus Australien kommt, produzierte für GQ und Vogue jahrelang Clips in Indien, während Kücke in Mumbai eine Produktion für Stickereiarbeiten aufbaute.

Nun haben sich beide Gründer in Berlin niedergelassen, um ihr Label zu gründen. Ein Schritt, der beim Gesamtverband textil+mode im Gegensatz zum bte nicht für besonders viel Euphorie sorgt. Die Preisstruktur sei nicht wirklich etwas besonderes, sondern eher üblich. Aufstellungen beispielsweise für Hemden gebe es viele.

Billiger sollen die Stücke auch sein

Hoole und Kücke sehen das anders. „Die Verbraucher wollen wissen, wofür sie ihr Geld ausgeben“, erklärt der 38-jährige Hoole. Oft sei es doch so, dass die Qualität nicht wirklich steige, wenn man mehr für das Produkt ausgebe.

Deswegen wolle man den Verbrauchern ganz genau zeigen, wie groß der Anteil des Materials an dem Preis ist. So könnten die Käufer letztlich besser sehen, ob man bei höheren Preisen auch wirklich mehr Geld für Qualität ausgibt – oder lediglich für ein teureres Image.

Doch Kücke und Hoole zeigen nicht nur ihren Preis, sondern werben auch damit, dass ihre Kleidungsstücke aus dem Online-Shop weit günstiger seien als Mode vergleichbarer Qualität im Laden. Ein Grund hierfür sei, dass Zwischenhändler wegfallen.

Bei einem Kleid von der Art und Qualität des Modells Adriana würde die Handelspanne beispielsweise beim vier- bis fünffachen Herstellungspreis liegen – sagen sie. Das ergebe einen konventionellen Preis von 240 bis 300 Euro anstatt der 119 Euro, die das Duo verlangt.

Die Werbung scheint problematisch

Von dieser Rechnung ist Axel Augustin vom bte allerdings nicht überzeugt: „Der übliche Aufschlag auf den Einkaufspreis im Modehandel liegt bei 150 bis 200 Prozent.“ Zwischenhändler, die ebenfalls am Verkauf verdienen wollen, gebe es in der Branche sowieso kaum noch.

Von Hund spart aber auf jeden Fall noch an anderer Stelle. Denn bisher werden alle Stücke nur online verkauft. Teure Ladenmieten sparen sich Hoole und Kücke. Weitere Angestellte gibt es bisher nicht.

Unklar ist aus Sicht von Experten allerdings, ob das junge Label wettbewerbsrechtlich überhaupt mit dem vermeintlichen Unterschied zwischen konventionellem Preis und „Von Hund“-Preis werben darf. Unproblematisch sei die Preisaufstellung auf jeden Fall nicht. Doch einen Präzedenzfall gebe es schließlich auch noch nicht, um das genauer zu beurteilen.

Mode für Hunde gibt es auch im Angebot

Erst mit der Zeit wird sich auch herausstellen, wie gut die Kunden das Preismodell aufnehmen. Hartmut Spiesecke, Sprecher beim Gesamtverband textil+mode, ist da skeptisch. Grundsätzlich sei es sicher gut, die Kosten den Konsumenten zu erläutern. Doch: „Vollständige Preistransparenz in allen Details geht nicht, weil Unternehmen darüber mit ihren Wettbewerbern in Konkurrenz stehen.“

Bisher läuft das Geschäft für die Berliner Gründer allerdings gut an. Negative Stimmen habe man nicht gehört, sagen die beiden. Auf der vorerst nur englischen Webseite finden Kunden neben der Männer- und Frauenkollektion auch eine für Hunde. Nur bei der Frage nach dem Warum sind sich die beiden Gründer schnell nicht mehr so einig. Hoole erklärt, dass die schwierige Namensfindung ihn letztlich auf Von Hund brachte. Doch Kücke habe den Namen nur akzeptiert, wenn sie eine Hundekollektion gestalten dürfte.

Die Modedesignerin schiebt die Hundefrage allerdings wieder zurück. So habe sich doch Hoole beschwert, seine aufwendig produzierten Modevideos hätten nie so gut im Netz geklickt wie Hundeclips. Künftig können die Gründer allerdings beides machen. Hundeleinen entwerfen und Clips mit vielen süßen Hunden produzieren.

Dieser Text erschien zuerst in der Welt.

Bild: Screenshot/Von Hund