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Die Mär vom Online-Drogeriemarkt

E-Commerce und Drogerie-Artikel, diese Liaison stand bisher fast nie unter einem guten Stern! Nicht nur AllesAnna (www.allesanna.de) und Beautydeal (www.beautydeal.de), auch All-In-One-Anbieter wie Shopperella (www.shopperella.de) und (einstige) Offline-Riesen wie Schlecker kapitulierten vor den niedrigen Margen und der Online-Shopping-Unlust der Deutschen in diesem Segment. Lucrato (www.lucrato.de) wollte vieles, vielleicht sogar alles besser machen – oder zumindest anders: einen Drogeriemarkt-Preisvergleich. Das sollte den Durchbruch für alle bisher gescheiterten Konzepte im Online-Drogerie-Bereich bringen. Es klang so vielversprechend…

Ein Preisvergleich, der für den Kunden das beste Produktangebot aller Drogerie-Anbieter liefert, sollte  den Warenkorb des Berliner Startups kontinuierlich füllen. Ein USP als Aggregator in einem Markt, der erst noch aus dem Dornröschenschlaf wachgeküsst werden muss – das lockte auch eine Vielzahl investitionsstarker Finanzgeber auf den Plan.

Für VC-Geber wie die Mediengruppe Pressedruck (www.mediengruppe-pd.de) und die IBB Beteiligungsgesellschaft (www.ibb-bet.de) schien das Startup der beiden WHU-Absolventen Constantin Rosset und Philipp Pünjer alle Faktoren zu erfüllen: „Lucrato überzeugte uns sofort, sowohl vom Geschäftsmodell, als auch vom zielstrebigen Management-Team. Der starke Shift hin zum E-Commerce und der Einstieg über Drogerieprodukte erscheint uns als vielversprechend“, ließ sich Zeller von der IBB zum damaligen Investment auf Gründerszene zitieren.

Die Homepage, eine Geisterstadt

Die Metamorphose vom normalen Online-Drogerie-Shop LisaLiefert (www.lisaliefert.de) zu Lucrato vollzogen die Gründer in Rekordzeit – nicht nur den Namen betreffend, sondern auch in Bezug auf die thematische Ausrichtung mit Vergleichsfunktionen. Ende August 2011 wurden auf der unternehmenseigenen Facebook-Seite noch Jobs beworben, am 19. September 2011 hieß es dann an gleicher Stelle: „Das neue Design ist online! Viel Spaß beim durchstöbern… “

Seither rührte sich auf den Social-Media-Kanälen des Startups nichts mehr. Auch der Web-Auftritt von Lucrato erinnert heute an eine Geisterstadt: Endlose Ladezeiten, außer Amazon nur Rossmann als Vergleichspartner, veraltete Kontakt-Adressen mit automatisch generierten Computerstimmen und ein steriles Weiß, das den Hintergrund der Website wie ein Leichentuch einkleidet.

„Das Timing lief definitv bei Lucrato verkehrt“

Auf Nachfrage erreicht Gründerszene den Co-Gründer Philipp Pünjer in Russland. Man habe den Online-Shop in eine Art Standby-Modus versetzt. „Wir haben das Team reduziert und treiben die Plattform derzeit nicht aktiv voran“, so Pünjer.

Er gesteht ein, dass das Timing bei Lucrato einfach nicht gestimmt habe, gibt sich jedoch nach wie vor vom Geschäftsmodell überzeugt: „Ein Modell wie Lucrato lohnt sich wirtschaftlich jedoch nur dann, wenn der Markt groß genug ist und die Player ausreichend professionell sind. Das ist heute noch nicht der Fall. Wir haben Lucrato jedoch nicht abgeschrieben, nur zurückgefahren. Wir warten auf den richtigen Zeitpunkt.“

Von einem Scheitern ist aber nur indirekt die Rede. „Lucrato ist in Deutschland zu einem vielversprechenenden, aber leider immer noch zu frühen Zeitpunkt gestartet.“

Emerging Markets? Go Russia!

Mit Warten allein hat sich das einstige Lucrato-Gründerteam die letzten zwölf Monate nicht die Zeit vertrieben. Die Spur von Pünjer und Rosset führt nach Moskau und zu einem bisher kaum bekannten Startup namens Admoment (www.admoment.ru). Zu den Business-Angels zählen die Kaufda-Gründer Christian Gaiser und Tim Marbach. Die Verbindungen in die deutsch-russische VC-Landschaft ist indes noch tiefgreifender: Die russische Domain für Admoment wurde am 31. Juli 2012 durch Fast Lane Ventures (www.fastlaneventures.ru) registriert.
Im Portfolio des Moskauer Inkubators taucht Admoment jedoch nicht auf. Dafür als Portfolio-Unternehmen der global agierenden Eventure Capital Partners (www.evcpartners.com) aus Hamburg. Diese werden gerne auch als verlängerter Investitionsarm der Otto Gruppe (www.otto.com) bezeichnet.

Interessant daran ist, dass Eventure Capital Partners im Frühjahr 2012 einen zweistelligen Millionen-Betrag in Fast Lane Ventures investierte – Gründerszene berichtete darüber. Wie passt das alles zusammen?

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Admoment-Grüße aus Moskau

Am Telefon bestätigt Pünjer die Beteiligung des russischen Inkubators als „Setup-Unterstützer und Beschleuniger“, und die VC-Finanzierung durch Eventure Capital Partners, sowie das Angel-Investment seiner beiden Freunde und ehemaligen WHU-Mitstreiter Marbach und Gaiser. Pünjer nennt auch das Ziel von Admoment: „Wir rollen in Russland den mobilen Werbemarkt auf und wollen hier in den kommenden zwei Jahren zum Marktführer werden.”

Marktführerschaft in Russland made in Germany? „Russland ist vierfach turbogeladen: Das BIP wächst, die Werbebranche wächst, Digital wächst und Mobil explodiert“, sagt Pünjer. Wie geht es weiter? Mit Erfolg, könnte man sagen: Google als Supply-Partner, Kooperationen mit Smaato (www.smaato.com). Als Unternehmer aus Deutschland genieße man zudem „ein sehr hohes Ansehen in der Geschäftswelt, was uns beim Gewinnen von Kunden und beim Anwerben und Halten von Mitarbeitern zugute kommt“, wie Pünjer anfügt.

Einmal WHU, immer WHU

Was er nicht verrät, wird erst bei genauerem Hinsehen klar: Die WHU-Vernetzung innerhalb Russlands geht bei Admoment weit über das Angel-Invest der beiden Kaufda-Gründer hinaus. Denn sowohl bei Fast Lane Ventures, wie auch bei Eventure Capital Partners, sitzen an den jeweiligen Spitzen die WHU-Absolventen Damian Doberstein und Oskar Hartmann.

Es ist Pünjer und Rosset daher sicher nicht allzu  schwer gefallen, Doberstein und Hartmann mit ins Admoment-Boot zu holen. Das WHU-Netzwerk hat allen Anschein nach auch in diesem Fall wieder seine Vorzüge ausgespielt.

Alles spricht dafür, als wollten die Lucrato-/Admoment-Gründer ihren unternehmerischen Weg weiterhin zweigleisig verfolgen. Dabei scheint absehbar, welches der beiden Startups auf dem Abstellgleis und welches auf der Überhohlspur des neuen Go-East-Trends landen wird.

Russland, der schlummernde Startup-Riese

Ganz so märchenhaft, wie sich der Werdegang des Admoment-Startups liest, ist es aber nicht. Selbst wenn Copycat-Unternehmen wie Lamoda (www.lamoda.ru) oder KupiVIP (www.kupivip.ru) mit zwei- bis dreistelligen Millionen-Finanzierungen aktuell wieder von sich reden machen.

Wer nicht schon Zugang zu einem guten Netzwerk in Russland hat, oder von den Vorteilen eines globalen WHU-Netzwerks profitieren kann, tut sich schwer: Vieles an Infrastruktur und Vertriebskanälen muss erst aufgebaut werden. Fachkräfte zu finden gestaltet sich als mühsam und langwierig. Im Local-Sales-Bereich heißt es auch zu Internet-Zeiten noch Klinken putzen, um die nötige Reichweite zu generieren.

Wer aber Durchhaltevermögen hat, wird belohnt. Davon sind auch immer mehr deutsche Business-Angels überzeugt. Kaufda-Gründer und Admoment-Investor Gaiser weiß warum: „Ich kenne den russischen Markt und sehe viel Potenzial, gerade was den Mobile-Bereich angeht. Dort hinkt Russland den Deutschen ganze zwei Jahre hinterher!“ Sein russischer Kaufda-Ableger Lokata (www.lokata.ru) konnte sich bereits gut etablieren. Gaiser, der weltweit investiert hat, kann sich neben seinen beiden Investments in Russalnd auch weitere dort vorstellen.

Gut möglich also, dass noch mehr deutsche Gründer und Investoren dem Ruf des gerade erwachenden, russischen Riesen folgen werden. Die Möglichkeiten des Mobile-Commerce und Mobile-Advertising sind dort noch lange nicht ausgeschöpft.

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