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marcus-seidel-startup-helden Marcus Seidel (33), Gründer von Gutscheine.de, Brillen.de und Blumen.de

„Startup-Held“ Marcus Seidel im Interview

Entsorgung.de, Gutscheine.de, Brillen.de, Alarmanlage.de, Blumen.de – Marcus Seidel hat eindeutig nicht nur ein Faible fürs Gründen, sondern auch für generische Websitenamen.

Vor 15 Jahren fing für den heute 33-Jährigen alles an: Schon während seines Studiums stieg er ins Onlinegeschäft ein, wobei er anfangs seinen Bruder Oliver bei dessem Business unter die Arme griff. Zusammen gründeten sie 2003 das Affiliate-Netzwerk Adcell, das vor sieben Jahren die Profitabilität erreichte. Das ebenfalls 2003 gestartete Entsorgung.de wurde im September 2014 zur Hälfte an den Entsorgungsriesen Zentek verkauft, das 2009 ins Leben gerufene Gutscheine.de ging 2012 an RTL. 40 Angestellte arbeiten aktuell für Seidels Portale in Berlin.

Im Interview erzählt der Serial Entrepreneur, warum er sein Geld lieber in generische Domains statt in schnelle Autos investierte und warum er beim Gründen erst einmal einen Gang zurückschalten will.

Wann wusstest du, dass du Gründer werden willst?

Mein Bruder Oliver ist 1998 direkt nach der Ausbildung zum Bankkaufmann nach Düsseldorf gegangen, um Andre Kolbinger beim Aufbau des Finanzportals Wallstreet:online zu unterstützen. Nebenher entwickelte er ein kleines Online-Auktionshaus, welches er kurz vor seiner Wiederkehr nach Berlin im Jahr 1999 erfolgreich veräußerte.

Mein Bruder war also kaum von zuhause weg und schon hatte er online zwei erfolgreiche Unternehmen aufgebaut und eines schon wieder verkauft – innerhalb von 18 Monaten! Von nun an wusste ich, dass ich dabei sein will und mein Bruder nahm mich einfach mit. Ich beendete das Abitur und war bei seiner nächsten Unternehmensgründung als Gesellschafter mit dabei. Richtig durchgestartet bin ich parallel zum Studium im Jahr 2003 mit dem Affiliate-Netzwerk Adcell und kurz darauf mit Entsorgung.de.

Woher kommt dein Faible für generische Website-Namen?

Ich hielt es für relativ logisch, dass die Leute bei Suchmaschinen generische Wörter eingeben, um zu suchen, was sie finden. Je teurer die Produkte und je spannender die Margen, desto mehr erhöhte sich mein Interesse an den passenden Domains dazu. Als ich mich dann ab zirka 2004 verstärkt mit dem Thema SEO und Produkten auseinandersetzte, war schnell klar, dass generische Domains bei knappen Ressourcen und mit einem klaren Fokus auf Deutschland eine gute Kombination sind.

Da ich Domains auch für ein gutes Investment hielt, blieben schnelle Autos und teure Reisen also aus und ich investierte von 2004 bis 2012 sehr fleißig viel Geld in über 1.000 generische Domains – ein kleiner Auszug sind dabei Domains wie Blumen.de, Entsorgung.de, Alarmanlage.de, Gutscheine.de, Solaranlage.de, Carports.de, Zäune.de und viele, viele mehr.

Die Gründungsideen scheinen dabei recht zufällig ausgewählt. Würdest du dich als Allrounder bezeichnen?

Ich bin sicherlich eher Allrounder als Spezialist und hatte das große Glück, dass mich mein großer Bruder eine sehr harte Schule durchlaufen ließ, was das Thema Produkt, SEO, Finanzen und Controlling anging. Ich musste fünf Jahre für und unter ihm arbeiten und durfte erst dann Geschäftsführer und 50-prozentiger Gesellschafter bei unserem gemeinsamen Baby Adcell werden – und auch danach war ich noch immer nicht gleichberechtigt (lacht).

Bei den späteren Ideen und Unternehmen ließ ich mich von meinen Gefühlen leiten – ich kann ja selber nichts, außer Unternehmer zu sein, aber ich habe ein sehr gutes Gefühl für Mitarbeiter, Situationen, Märkte, Chancen und Risiken und davon zehre ich auch heute noch. Dazu kommt eine Menge Liebe, Hingabe und Zeit. Es war ja nicht so, dass das am Anfang alles durch die Decke ging. Bis 2006 bin ich noch regelmäßig bei der heutigen Entsorgung Punkt DE GmbH mitgefahren, um Abfall zu befördern oder bei Demontagen und Abrissen zu helfen. Schrott fahren muss ich jetzt nicht mehr, aber auch heute bin ich keine Woche unter 70 Stunden im Büro oder auf Achse.

Wie involviert kannst du bei deinen vielen Startups im Tagesgeschäft sein?

Ich möchte schon so tief wie möglich in allen Themen drin sein. Bei mir liegen vor allem die Themen Personal, Strategie und Finanzen, und wir pflegen eine sehr offene und schnelle Kommunikation. Meine Tür steht immer offen – im wahrsten Sinne des Wortes. In unserem Büro in Berlin sitze ich zentral und mehr oder weniger muss bei mir jeder mehrmals am Tag vorbei. Wenn der Schuh drückt, kann man immer an meinen Tisch kommen, ohne Termin, und dann wird das geklärt. So bleibe ich immer nah an meinen Leuten und am Tagesgeschäft und kann auch ad hoc reagieren.

Die Impressen fast aller deiner Unternehmen verweisen auf das Büro in Berlin. Arbeitet der Großteil deiner Mitarbeiter an mehreren Portalen gleichzeitig?

Aktuell sind wir sechs Unternehmen in unserem Büro in Berlin und sicherlich gibt es Shared Services wie Grafik, Marketing, Administration, Recht oder Steuern, die wir extern einkaufen oder auf die Unternehmen umlegen. Aber die Spezialisten wie Entwickler, Key Accounter oder Redakteure arbeiten fest für ein Unternehmen und springen nicht von Projekt zu Projekt. Alle Unternehmen sind einzeln in eigenen Büros auf einer Etage untergebracht, so ist ein schneller und einfacher Austausch zwischen ihnen möglich.

Deine Gründung Brillen.de verweist im Impressum nicht auf dich. Hast du das Unternehmen abseits der Öffentlichkeit verkauft?

Die Brillen.de KTS GmbH und die Games.de GmbH werden nicht mehr aktiv von uns betreut und wir werden uns über kurz oder lang auch wieder von allen Anteilen an den Unternehmen trennen. Beides waren Projekte, die wir zusammen mit Partnern beziehungsweise Investoren realisiert haben und manchmal trennt man sich aus verschiedenen Gründen auch wieder von einer Beteiligung – in unserem Fall vor allem, um uns auf die verbleibenden Beteiligungen zu fokussieren.

Der Verkauf von Gutscheine.de an RTL ist mittlerweile fast drei Jahre her. Wie ist es dem Unternehmen seitdem ergangen?

Wir wachsen von Jahr zu Jahr recht ordentlich und ich denke, dass es RTL und uns mit der Situation sehr gut geht. Ein klares Zeichen dafür ist ja auch mein Verbleib als Geschäftsführer bei einem Unternehmen, an dem ich gesellschaftsrechtlich seit dem 1. Januar 2012 gar nicht mehr beteiligt bin. Wir führen Gutscheine.de und die Schwesterportale, als wären es unsere Firmen, und für das Team hat sich nach dem Verkauf nichts geändert.

Hast du bei allen Startups, die du gründest, einen Exit im Sinn?

Ich habe kein Unternehmen mit dem Gedanken eines Verkaufes aufgebaut – alle unsere Unternehmen müssen von alleine laufen lernen und Geld verdienen. Bei Gutscheine.de gab es andere Gesellschafter und wir wuchsen so schnell, dass ich diese nicht aus eigenen Mitteln herauskaufen und das Unternehmen selber hätte weiterbetreiben können. Auch wenn ich den Verkauf an RTL keinen Tag bereue, so ist der ROI für RTL nach nur drei Jahren sehr bemerkenswert – aber da steckt ja nicht nur meine Leistung, sondern ein sehr gutes Team und auch viel TV-Know-how von RTL dahinter.

Der Entsorgung.de-Anteilsverkauf in diesem Jahr, der irgendwann zum 100-prozentigen Exit werden kann, war nötig, um sich langfristig richtig aufzustellen. Wir standen vor der Entscheidung, selber Entsorger zu werden, mit einem eigenen Platz und noch mehr eigenen großen Fahrzeugen und Containern, oder uns einen starken Partner zu suchen, der das bundesweite Entsorgernetzwerk hat, das wir elf Jahre nicht aufbauen konnten. Wir haben uns für den Partner entschieden und haben so die Freiheit, unsere Onlinekompetenz auszuspielen. In den nächsten Schritten bauen wir die Kundenbereiche der Portale sowie unseren Service und die E-Payment-Angebote weiter aus. Ziel ist es, deutschlandweit Entsorgungsdienstleistungen und Container schnell und einfach über das Internet zu bestellen – von der Anfrage bis hin zur Bezahlung.

Können wir uns auf noch mehr Gründungen von dir einstellen?

Es gibt diverse Szenarien, aber aktuell bin ich mit den Unternehmen, die ich habe, sehr stark ausgelastet und ich habe auch eine Familie, welche in den letzten Jahren immer zu kurz gekommen ist. Bevor ich also weitere Unternehmen gründe, muss sich unsere Struktur hier stark weiterentwickeln – wir suchen allein für die bestehenden Unternehmen aktuell zirka 15 neue Mitarbeiter und planen eine Verdopplung auf Sicht von drei Jahren.

Welche Tipps gibst du anderen Gründern mit auf den Weg?

„Suche nicht nach Fehlern, suche nach Lösungen“ von Henry Ford – dieser Spruch beinhaltet sehr vieles, was einem häufig im Alltag hilft. Unternehmer oder Chef zu sein heißt oft, die Kohlen aus dem Feuer zu holen. Wenn du darin gut bist und dein Ego zum Wohlergehen des Unternehmens auch mal komplett herunterschrauben kannst, dann geht vieles einfacher und reibungsärmer.

Es gibt Gründe, warum manche Unternehmer mehr Kontakt mit ihrem Anwalt pflegen als mit ihren Kunden. Wir setzen den Fokus auf unsere Produkte und auf unsere Kunden und führen keine zeit- und nervenintensiven Grabenkämpfe oder analysieren uns an der Konkurrenz tot. Unterm Strich ist der Gründer nur ein Teilstück des Erfolges. Ein gutes Team, Fleiß, die richtige Idee, Timing, Glück und privat ein gutes soziales Fundament aus Freunden und Familie machen einen ganz großen Teil meines persönlichen Erfolges aus.

Vielen Dank für das Gespräch, Marcus.

Bild: Marcus Seidel