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facebook berliner gruender Mark Zuckerberg mit einigen der bekanntesten Berliner Gründer

Mark, auf Facebook erfahren wir, dass Sie am Brandenburger Tor joggen waren. Wie war es?

Gut. Ich war zum ersten Mal seit 20 Jahren wieder im Schnee joggen. Wenn ich in eine andere Stadt komme, hilft mir das Joggen immer dabei, mich an die richtige Zeitzone zu gewöhnen und eine Gelegenheit zu haben, die Stadt kennenzulernen – insofern war das großartig.

Sie sind nicht zum ersten Mal in Berlin.

Nein, und ich liebe es. Berlin ist weltweit eine meiner Lieblingsstädte. Ich mag die Energie. Die Stadt ist so jugendlich, hat gleichzeitig so viel interessante Vergangenheit. Damit meine ich auch die jüngere Geschichte, die Wiedervereinigung. In vielerlei Hinsicht ist Berlin für mich ein Symbol dafür, was wir bei Facebook als unsere Mission auffassen: Menschen zusammenzubringen, Verbindungen zwischen Menschen zu schaffen und Trennendes einzureißen.

Wie lange waren Sie joggen?

Heute nur sechs Kilometer. War kurz.

Kann Berlin eine Rolle als europäisches Zentrum für Digital-Unternehmen spielen? Immerhin rangiert es weltweit jetzt auf Platz 9 unter den Startup-Hubs.

Absolut. Berlin bietet eines der lebhaftesten Startup-Umfelder in Europa. Eigentlich nicht nur in Europa, sondern in der ganzen Welt. Hier entsteht eine interessante Dynamik.

Wird es im Silicon Valley ernst genommen?

Ja. Natürlich ist das Silicon Valley schon irgendwie einzigartig, und noch ist Berlin damit nicht vergleichbar. Aber von all den verschiedenen Städten, die eine Startup-Infrastruktur aufbauen, ist Berlin diejenige, in der die ähnlichste Energie herrscht. Mich würde es nicht überraschen, wenn hier schon in kurzer Zeit ein vergleichbares Ökosystem wachsen würde.

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Bis jetzt steht Berlin eher für kreative Ideen, nicht so sehr für großes Finanzvolumen. Sie glauben aber, das Geld folgt den Ideen?

Ja, aber es geht nicht nur um Geld. Wenn man sich anschaut, welche Unternehmen im Silicon Valley aufgebaut wurden, dann waren das zunächst Chiphersteller. Und heute sind die Unternehmen, die da sind – beispielsweise Apple –, viel erfolgreicher, als die Chiphersteller es je waren. Aber ein Unternehmen wie Apple kann es gar nicht geben ohne die Infrastruktur der Technologie-Unternehmen. Die fehlen in Berlin. Aber die Stadt holt auf.

Hat Facebook oder haben Sie persönlich schon in ein Berliner Unternehmen investiert?

Persönlich investiere ich nicht in viele Unternehmen, weil ich glaube, das wäre dann ein Interessenkonflikt. Und für Facebook ist das auch nicht üblich. Transaktionen auf Unternehmensebene sind bei uns, wenn wir sie machen, meistens entweder Geschäftspartnerschaften oder die Übernahme eines ganzen Unternehmens. Aber es gibt natürlich eine Reihe von Firmen aus Berlin, mit denen wir eng zusammenarbeiten. Wooga, einer der großen Entwickler für unsere Plattform, der eine Menge Spiele entwickelt hat. Oder Dubsmash, es war eines der ersten Unternehmen, mit denen wir rund um die Messenger-Plattform zusammengearbeitet haben. Ein anderes Beispiel ist Soundcloud.

Sie waren bei dem Axel-Springer-Accelerator Plug and Play.

Ja. Ich habe mir da die Initiative REDI – School of Digital Integration zeigen lassen, in der sich für mich zwei Dinge überschneiden, die mir sehr am Herzen liegen: die Mission, Menschen miteinander in Verbindung zu bringen und zugleich Trennlinien niederzureißen. Die Flüchtlingskrise dreht sich für mich vor allem genau darum. Das bewundere ich auch an der deutschen Führungsrolle in der Welt: Wenn ich mich in der Welt umschaue, sehe ich all die Länder, die die Menschen abweisen, und das ist furchtbar, finde ich. Ich weiß auch, dass es Probleme gibt, mit denen Deutschland kulturell bei der Frage der Integration umgehen muss. Aber diese Haltung ist das, was ich zutiefst, wirklich zutiefst bewundere! Deshalb wollte ich mich mit diesen Leuten treffen und mir selbst ein Bild machen, ihnen zuhören, was sie in Syrien zurückgelassen haben, wie sie angefangen haben, programmieren zu lernen. Das war wirklich berührend! Klar, mir liegt Technologieunterricht sehr am Herzen, Programmieren als Lehrinhalt. Es war wirklich cool, das zu sehen.

Ihr derzeitiges Lieblingsthema ist Virtual Reality. Warum sind Sie so sicher, dass VR nicht bloß ein Hype ist?

Dazu gibt es eine langfristige und eine kurzfristige Diskussion. Es heißt häufig, es sei einfacher, vorherzusagen, was in 10 oder 20 Jahren sein wird, als vorherzusagen, was in drei Jahren ist. Es gibt ein paar ganz deutliche Trends. Zum Beispiel wird sich die künstliche Intelligenz weiterentwickeln, und wir werden künftig noch mehr Krankheiten heilen können. Das wissen wir alle. Die wahre Kunst besteht aber darin, zu sehen, wie wir von hier nach dort kommen. Am Ende wetten wir darauf, dass Virtual Reality eine wichtige Technologie werden wird. Ich bin ziemlich sicher, dass ich diese Wette gewinnen werde. Und jetzt ist der Zeitpunkt zu investieren. Gerade diese Woche haben wir bekannt gegeben, dass schon eine Million Stunden 360-Grad-Videos mit der Gear VR abgerufen wurden, dabei hat die Auslieferung mit Samsung gerade erst begonnen. Das ist sehr ermutigend. Was ich ehrlich nicht weiß, ist, wie lange es dauern wird, bis dieses Ökosystem aufgebaut ist. Das könnte fünf Jahre dauern oder zehn, aber auch 15 oder 20. Ich vermute, zehn werden es mindestens werden. Es hat zehn Jahre gebraucht, bis wir seit der Entwicklung des ersten Smartphones einen Massenmarkt erreicht haben. Das Blackberry wurde 2003 eingeführt, und erst 2013 waren es eine Milliarde Geräte. Deshalb kann ich mir nicht vorstellen, dass es mit Virtual Reality viel schneller geht.

Sie haben mit Facebook zwei Milliarden Dollar in Oculus Rift investiert. Interessieren Sie sich tatsächlich für die Hardware, die Brille? Bitte erklären Sie die VR-Strategie von Facebook.

Wir interessieren uns meistens für Software. Aber in jeder Entwicklung einer neuen Plattform gibt es am Anfang einen Zeitpunkt, an dem man sich um Hardware und Software zugleich kümmern muss. Später erst ist Spezialisierung nützlich. Also sucht man sich ein Unternehmen, das Hardware wirklich gut kann, und eines, das Software wirklich gut kann. Alles wandelt sich so schnell, dass man sich wünscht, die Schritte irgendwie zu verbinden. Deshalb kümmern wir uns auch um Hardware, auch wenn unsere langfristige Rolle auf dem Gebiet der Software liegt.

Und mit Oculus Rift entwickeln Sie auch die Technologie, die Sie an Samsung zur Einführung der Gear-Brillen weiterreichen?

Genau. Und von der Gear werden wohl sehr viel mehr Einheiten ausgeliefert werden als von der Rift.

Sie liefern Technologie, obwohl Sie beide Wettbewerber sind, weil Sie VR möglichst schnell global etablieren wollen, oder verstehe ich da was falsch?

So ist es. Es gibt verschiedene Preisniveaus durch Qualität.

600 versus 100 US-Dollar bei Samsung, nicht wahr?

Ja! Obwohl, um ehrlich zu sein, die Rift sogar noch teurer ist als 600 Dollar, da sie zum Betrieb einen sehr leistungsfähigen PC braucht. Das bedeutet, der PC – wenn man noch keinen sehr leistungsfähigen hat – macht noch einmal 1000 Dollar aus. Damit …

… damit fragt man sich, warum man Oculus Rift kaufen sollte?

Weil das ein viel, viel besseres Erlebnis ist.

Warum?

VR ist ein sehr intensives visuelles Erleben. Nur mit dem leistungsstärksten PC kann man bestimmte Erfahrungen rüberbringen. Wir haben Erlebnisse mit der Rift, bei denen man nicht nur herumschaut, sondern auch mit den Händen Sachen in Echtzeit bearbeiten kann. Wenn man Tischtennis spielt oder mit jemandem interagiert, dann muss das alles schnell genug sein – damit, wenn man etwas macht, die Aktion auch beim anderen ausgelöst und dort gespürt wird, obwohl sie den ganzen Weg durchs Netz zurückgelegt hat. Genau das erfordert viel mehr Rechnerleistung.

Wie groß wird denn der VR-Markt? Goldman Sachs hat in einer Studie einen 80-Milliarden-Dollar-Markt prognostiziert.

Wir wetten auf zwei Trends. Erstens, dass die Menschen immer noch unmittelbarere Möglichkeiten wollen, sich auszudrücken. Wenn wir uns das Internet vor zehn Jahren anschauen, teilten und nutzten die Leute in erster Linie Text. Im Augenblick sind es viele Fotos. Ich meine, im nächsten Schritt wird vieles davon Video sein. Es wird immer reichhaltiger. Damit ist aber das Ende noch nicht erreicht. Künftig wird man eine ganze Szene, ein ganzes Zimmer aufnehmen, sich in dieses hineinversetzen wollen. Man wird das, was man macht, live streamen wollen, man wird Menschen in diesem Raum interagieren lassen wollen.

Können Sie sich vorstellen, dass eines Tages die häufigste Art der Konversation der VR-Chat sein wird? Dass Menschen so miteinander reden?

Ganz sicher.

Haben Sie eine Vorstellung, wann es so weit sein wird?

Ich bin mir nicht sicher. Die Herausforderung ist, glaube ich, dass es erkennbar besser sein müsste als eine Videokonferenz, damit es den Aufwand lohnt. Aber eine einfache Version ließe sich recht schnell entwickeln. Daher geht der eine Trend in Richtung größerer Reichhaltigkeit. Der andere Trend besteht darin, dass immer immersivere und leistungsstärkere Rechenplattformen entstehen. Angefangen haben wir mit Servern so groß wie ein Hochhaus, die man nur mit abgeschlossenem Studium bedienen konnte. Dann kam der PC, und der war das ganze Hochhaus, aber die Leute haben ihn nicht wirklich gern benutzt, obwohl er eine ganze Menge Sachen konnte. Und dann kam das Telefon als Computer, das die Leute lieben, und fast jeder hat eines. Aber mal ehrlich, es ist immer noch irgendwie umständlich, es aus der Tasche zu holen, und so groß oder immersiv ist der Bildschirm auch nicht. Ich glaube wirklich, dass künftig alle zehn bis 15 Jahre eine neue Rechenplattform kommt. VR ist dafür der derzeit vielversprechendste Kandidat.

Vor ein paar Tagen gab es ein eindrucksvolles Bild von Ihnen in Barcelona: Sie liefen zu einer Bühne, und niemand erkannte Sie, weil alle diese VR-Brillen aufhatten. Sie schienen diesen Moment zu genießen. Skeptiker sagen nun, dieses Beispiel zeige, dass man durch das Virtual-Reality-Erlebnis vereinsamt, weil es kein gemeinsames Erleben mehr gibt. Sind die Sorgen berechtigt?

Nein. Das genaue Gegenteil ist der Fall. In den Brillen-Headsets lief ein Video von Kindern, die an einem weit entfernten Ort Fußball spielen, und man konnte sich umsehen und die Kinder um sich herum Fußball spielen sehen. Es war ein gemeinsames Erlebnis von allen an diesem Ort, und es wäre unmöglich gewesen, dies auf eine andere Art zu erleben. Das war, als wäre man im Kino, aber auf einer viel persönlicheren Ebene, bei der man tatsächlich ganz mittendrin ist. Ich glaube, die Menschen neigen bei jeder neu auftauchenden Technologie dazu, sich Sorgen zu machen. Sie befürchten, dass wir irgendwie vereinsamen, wenn wir Zeit damit verbringen, uns für die neue Art Medium oder Technologie zu interessieren, anstatt miteinander zu reden. Menschen sind aber grundsätzlich soziale Wesen. Deshalb denke ich, dass sich eine Technologie, die uns nicht wirklich hilft, einander sozial besser zu begreifen, in der Realität nicht durchsetzt. Außerdem kann man das bis zu den ersten Büchern zurückverfolgen. Ich wette, damals hieß es: Warum sollen wir lesen, wenn wir miteinander reden können? Sehen Sie, Zweck des Lesens ist doch, sich ganz in die Perspektive einer Person hineinzuversetzen, oder? Nichts anderes passierte mit Zeitungen, Telefonen, Fernsehern. Bald ist es Virtual Reality. Darauf wette ich.

Kürzlich traf ich einen israelischen Unternehmer, einen Neurowissenschaftler, der sagte, er entwickle eine Technologie, die in einigen Jahren VR-Erlebnisse auch ohne Headsets schaffen könne, als eine Art Hologramm im freien Raum. Es klang faszinierend, aber auch ziemlich nach Science-Fiction.

Letztlich werden wir auch dahin kommen, meine ich. Ich weiß nicht, wie weit weg das noch ist. Die Vision ist letztlich, normal aussehende Brillen zu haben, mit denen ein vollständig immersives Erleben möglich ist oder auf denen man sich Augmentierungen oder Informationen einblenden lassen kann, während man sich im Alltag bewegt. Ja, es gibt Leute, die bei diesen Fragen vorankommen, aber es gibt, meine ich, immer noch eine Anzahl grundsätzlicher Fragen der optischen Wissenschaften, die gelöst werden müssen. Wenn wir so weit sind, muss man noch herausfinden, wie sich diese Erlebnisse auch bedarfsgerecht fertigen lassen. Wenn so ein Produkt 10.000 oder 20.000 Dollar kostet, nützt es nichts. So teuer waren die ersten Computer! Erst wenn es sich fast jeder leisten kann, wird es interessant. Und ich vermute, das dauert noch ein paar Jahre.

Was ist aus Facebook-Perspektive der nächste große Trend nach Virtual Reality?

Ich sehe unsere Arbeit auf drei zeitliche Ebenen verteilt. Erstens Produkte, die heute bedarfsgerecht existieren. Das sind Facebook und Newsfeed, Instagram, bis zu einem gewissen Grad WhatsApp. Zweitens gibt es für die nächsten fünf Jahre eine Handvoll neue Herausforderungen, und davon ist Video sicherlich die größte. Ich glaube, Video ist ein Megatrend, fast so groß wie Mobile. Und drittens gibt es schließlich die Zehn-Jahre-Ebene, das, was noch richtig weit weg ist. Dafür investieren wir in drei großen Bereichen. Einer ist die Konnektivität, es geht darum, zu gewährleisten, dass jeder auf der Welt Internetzugang hat. Das ist ein großes Projekt, denn heute haben nur drei von sieben Milliarden Menschen Zugang zum Internet. Wenn man in einer Gegend ohne gute Schulen lebt, dann ist das Internet der beste Weg, um Zugang zu einer Menge Lehrmaterialien zu bekommen. Es ist aber auch der beste Weg, um Zugang zur Gesundheitsfürsorge zu haben, wenn es keinen guten Arzt gibt. Der zweite Bereich ist künstliche Intelligenz. Wir erwarten große Fortschritte, die die Gesellschaft verändern werden: weniger Autounfälle durch selbstfahrende Autos, bessere Diagnosen von Krankheiten, bessere, zielgerichtete Behandlung von Krankheiten und in der Folge mehr Sicherheit im Gesundheitswesen. Und noch vieles mehr. Der dritte Bereich schließlich ist diese nächste Rechenplattform für Virtual Reality und Augmented Reality. Das sind die Sachen, an denen wir ein Jahrzehnt oder länger arbeiten werden.

Wie wird künstliche Intelligenz die Gesellschaft verändern?

Meine Erfahrung ist, dass Menschen auf zwei Weisen lernen. Man spricht vom angeleiteten und vom nicht angeleiteten Lernen. Angeleitetes Lernen kann man sich vorstellen, etwa wenn man seinem Kind ein Bilderbuch zeigt und auf alles hinweist: „Das ist ein Vogel, das ist ein Hund, das ist noch ein Hund.“ Man weist darauf hin, und schließlich versteht das Kind, dass es einen Hund sieht, weil man ihm 15-mal gesagt hat, dass das ein Hund ist. Das ist angeleitetes Lernen. Eigentlich ist das ein Wiedererkennen von Mustern. Mehr können wir heute nicht umsetzen. Das andere, das nicht angeleitete Lernen, ist aber die Art, wie in Zukunft die meisten Menschen lernen werden. Dabei hat man ein Modell dessen im Kopf, wie die Welt funktioniert, und das verfeinert man, und man versucht vorauszusagen, was künftig passieren wird. Das wiederum nützt, um darauf zu schließen, wie die eigenen Handlungen aussehen sollten; auch davon hat man dann eine Art Modell: Okay, ich führe diese Aktion aus und erwarte, dass in der Welt das und das aufgrund meiner Handlung passiert. Dabei wird uns künstliche Intelligenz helfen.

Verstehen Sie die Sorgen, die der Unternehmer Elon Musk in diesem Zusammenhang artikuliert hat? Er fürchtet ernsthaft, dass künstliche Intelligenz eines Tages das menschliche Gehirn dominieren und übernehmen könnte, dass die Maschine über dem Menschen steht. Halten Sie diese Furcht für gerechtfertigt oder für hysterisch?

Ich denke, sie ist eher hysterisch.

Wie können wir gewährleisten, dass die Computer und Roboter den Menschen dienen, nicht umgekehrt?

Ich denke, der „Standardfall“ ist, dass alle Maschinen, die wir entwickeln, den Menschen dienen, sonst hätten wir wirklich was durcheinandergebracht. Ich glaube, so bleibt das auch. (lacht)

Aber beim Schach wurde Garri Kasparow am Ende doch vom Computer Deep Blue geschlagen. So könnte es immer mehr Situationen geben, in denen der Computer einfach intelligenter ist als das menschliche Gehirn.

Ja, aber in dem Fall wurde diese Maschine auch von Menschen entwickelt, um etwas besser zu können, als es ein Mensch kann. Es gibt im Laufe der gesamten Geschichte viele Maschinen, die dazu entwickelt wurden, etwas besser zu können als ein Mensch. Ich meine, in diesem Bereich überbewerten die Leute das, was die künstliche Intelligenz leisten kann. Nur weil man eine Maschine entwickeln kann, die eine bestimmte Sache besser kann als ein Mensch, heißt das nicht, dass sie auch die Fähigkeit hat, in anderen Bereichen zu lernen oder unterschiedliche Arten von Informationen und Kontexten so zu verbinden, dass sie Übermenschliches leisten kann.

Also ist das Science-Fiction und Fantasie und findet im echten Leben nicht statt und wir brauchen uns keine Sorgen um die Sicherheit menschlicher Intelligenz zu machen?

Ich glaube einfach, dass wir auf dem Weg der Entwicklung auch die Sicherheitsprobleme lösen werden. Die aktuelle Diskussion erinnert mich manchmal daran, dass man im 18. Jahrhundert zusammengesessen und sich gesagt hat: Oh, eines Tages haben wir vielleicht Flugzeuge, und sie könnten abstürzen. Dennoch hat man erst die Flugzeuge konzipiert und sich dann um Flugsicherheit gekümmert. Wenn man sich zuerst um die Sicherheit sorgte und alle Probleme lösen wollte, würde man nie ein Flugzeug entwickeln. Ich glaube, dass dieses ängstliche Denken dem tatsächlichen Fortschritt im Wege steht. Denken wir doch nur daran, was wäre, wenn sich selbstfahrende Autos durchsetzten – dann gäbe es weniger Autounfälle, eine der häufigsten Todesursachen auf der Welt.

Genau das propagiert ja Elon Musk mit seiner Firma Tesla. Dennoch fürchtet er eine unkontrollierte Entwicklung künstlicher Intelligenz in den Händen ganz weniger Menschen und Megakonzerne. In diesem Fall ist es die Sorge eines Amerikaners. Üblicherweise übernehmen das die Europäer: erst Risiken und Nachteile sehen, dann die Gelegenheit. Gibt es zwischen Amerikanern und Europäern in dieser Hinsicht generell einen Mentalitätsunterschied?

(denkt nach) Ich weiß nicht. Ich bin mir nicht sicher. So kann man das nicht verallgemeinern. Und dieses Beispiel zeigt ja: Es gibt überall solche und solche. Es gibt Menschen, die voller Hoffnung sind, und andere, die eher skeptisch sind. Überall in der Welt.

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facebook berliner gruender Mark Zuckerberg mit einigen der bekanntesten Berliner Gründern

Auf Ihre Tochter Max soll künftig eine Roboter-Nanny aufpassen. Welche Erwartungen haben Sie an den digitalen Hausangestellten?

Im Grunde entwickle ich ein sehr einfaches AI-System zur Steuerung meines Hauses. Es soll das Licht ausmachen oder eine Person durch das Tor hereinlassen; oder es soll erkennen, dass ich ankomme, und das Tor aufmachen. Wirklich ganz einfache Sachen. Aber unter Verwendung von moderner künstlicher Intelligenz mit Stimmerkennung, Bilderkennung und anderen Mustererkennungssystemen, die mit moderner künstlicher Intelligenz einhergehen. Vieles davon mache ich für mich selbst, es ist eine persönliche Herausforderung, weil ich gern Code schreibe und Sachen entwickle.

Sie coden wirklich noch selbst?

Tue ich. Als sehr persönliche Herausforderung an mich. Das tue ich nicht für Facebook. Denn bei Facebook haben wir die Regel, dass, wer Code abliefert, auch für seinen Support zuständig ist. Und das heißt, wenn in dem Code ein Bug ist, muss man alles stehen und liegen lassen und den Bug fixen.

Und das können Sie natürlich nicht.

Und ich will nicht in die Lage kommen, deshalb eine andere Aufgabe zu vernachlässigen – oder, noch schlimmer, einem anderen den Support für meine Sache aufzudrücken. Deshalb schreibe ich für Facebook schon seit einiger Zeit keinen Code mehr.

Sie machen es also gewissermaßen privat, als Hobby?

Genau. Ich mag es, auf dem Stand der Technik zu sein – und Programmieren ist ein guter Weg, es zu bleiben.

Wann und warum kam Ihnen die Idee, Facebook zu starten?

Es existiert diese lustige Vorstellung, dass es einen Augenblick gibt, in dem man eine Idee hat und ab da etwas aufbaut. Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass die meisten Sachen in der Welt so laufen.

Die Legende sagt, dass Sie das machten, weil Sie mit Mädchen ausgehen wollten.

Nein, nein, nein. Das ist die Film-Version.

„Social Network“.

Hollywood hat mit dem wahren Leben nichts zu tun.

So sieht das Berliner Büro von Facebook aus

Immerhin waren Sie seit 2003 schon mit Priscilla zusammen. Facebook wurde 2004 gegründet.

Zuckerberg: Genau. Also ich erinnere mich noch, als ich im College war, dachte ich: Das Internet ist eine tolle Sache, weil man alles finden kann, was man sucht. Man konnte Nachrichten lesen, Musik runterladen, Filme anschauen, auf Google Informationen finden, auf Wikipedia enzyklopädisches Material lesen – nur das, was für Menschen am wichtigsten ist, nämlich andere Leute, das konnte man nicht finden. Es gab kein Tool, das man benutzen konnte, um etwas über andere Leute zu erfahren. Aber ich wusste nicht, wie ich das entwickeln sollte. Also baute ich stattdessen kleine Tools. Als ich am College anfing, baute ich ein kleines Tool. Ich wollte nämlich wissen, welche Kurse ich belegen soll – und um das zu entscheiden, wollte ich wissen, welche Kurse die anderen belegten oder für welche sie sich interessierten. Also schuf ich dieses Tool namens „Course Match“, in dem man alle Kurse, die man belegt, auflisten konnte. Faszinierend daran war, dass es binnen einer Woche etwa die Hälfte der Schüler nutzte. Dann entwickelte ich einfach weiter immer mehr Sachen, die ähnlich waren. Ich entwickelte Face Mash, das auch im Film vorkommt.

Aber wie kam es dann zu Facebook?

Zum Abschlussexamen gab es einen Kurs mit dem Titel „Das Rom des Augustus“, ein Kunstgeschichte-Kurs. Zur Vorbereitung auf das Examen hatten wir alle in diesem Zusammenhang wichtigen Kunstwerke besprochen. Ich hatte aber in dem Kurs nicht so aufgepasst, weil ich andere Sachen programmiert hatte. Als es dann also Zeit zum Abschlussexamen war, dachte ich mir: Das war’s, ich habe von dem Zeugs keine Ahnung. Also entwickelte ich als Lernhilfe einen kleinen Dienst, der einem die Kunstwerke zeigte, und da konnten alle eingeben, was zur kunsthistorischen Bedeutung wissenswert war. Dann schickte ich es über die Mailliste an die Kursteilnehmer und sagte: „Hallo, ich habe diese Lernhilfe entwickelt.“ Und alle schrieben da alles rein, was über die Kunstwerke von Bedeutung war. Ich glaube, die Examensnoten in dem Jahr waren besser als je zuvor. Am Ende sagte ich mir: Okay, da gibt’s also jetzt rund zehn verschiedene Tools, die ich gemacht habe, während ich in Harvard war. Vielleicht sollte ich jetzt ein Tool aufbauen, mit dem die Leute teilen können, was immer sie wollen, und zwar mit den Menschen um sie herum. So kam es zur ersten Version von Facebook.

Wie lange dauerte die Entwicklung?

Ich brauchte nur zwei Wochen, um die erste Facebook-Version zu entwickeln, weil so viel schon da war.

Und natürlich war Ihnen nicht der Gedanke gekommen, daraus könnte ein Dreihundert-Milliarden-Unternehmen werden?

Nein, nein.

Wann spürten Sie, dass es wirklich etwas Großes werden kann?

Tatsächlich erinnere ich mich sehr genau an die Nacht, in der ich Facebook in Harvard startete. Da ging ich mit jemandem eine Pizza essen, mit dem ich all meine Informatiksachen zusammen machte, und ich erinnere mich daran, dass wir redeten, und ich sagte: „Weißt du, ich bin so froh, dass wir das jetzt hier in Harvard haben, weil unsere Community auf diese Weise in Verbindung ist. Eines Tages wird jemand so was für die ganze Welt bauen.“ Aber dass wir das sein würden, das dachte ich nicht. Das war kein: Hey, hoffentlich können wir daraus was Großes machen. In meinem Kopf war das nur: Auf keinen Fall werden wir das sein. Natürlich erledigt das jemand anders. Wir sind ja nur Studenten. Also, wenn ich auf diese zwölf Jahre zurückschaue, dann ist das Überraschendste, dass es sonst niemand tat. Und ich frage mich warum.

Warum?

Es gab immer all diese kleinen Gründe, es nicht zu tun. Überall auf dem Weg gab es Leute, die sagten: „Ach, nur dicke junge Leute nutzen so was; das gibt sich.“ Oder: „Okay, gut, ein Haufen Leute nutzt das, aber Geld verdient man damit nicht.“ Oder: „Ach, läuft in den USA, aber weltweit wird das nicht laufen.“ Oder: „Ja, es läuft, aber mobil läuft es nicht.“ Alle diese unterschiedlichen Gründe. Sie kennen das doch.

Und Sie haben’s einfach gemacht.

Ja.

Und wie sieht Facebook in zehn Jahren aus? Haben Sie eine Vorstellung?

Wenn wir große Fortschritte bei Konnektivität, künstlicher Intelligenz und VR und AR erzielen, dann wird die Community in zehn Jahren viel größer und vor allem über Virtual-Reality-Videos kommunizieren. Die Möglichkeit, ganze Lebensszenen zu teilen, wird mit der Zeit ein wertvolles Hilfsmittel werden. Ein Beispiel: Priscilla und ich sprechen darüber, wie wir Max‘ erste Schritte aufnehmen wollen. Und zwar mit einer 360-Grad-Kamera. Wenn meine Eltern und Verwandten das sehen, können sie sich so fühlen, als wären sie auch dabei. Ich hoffe, nein, ich glaube, dass das bald möglich sein wird.

Wo liegt für Facebook die Grenze? Gibt es eine Grenze?

Als Unternehmen arbeiten wir sehr fokussiert. Und zwar darauf, den Leuten die Fähigkeit zum Teilen zu geben, so wie sie es wollen, und jeden in der Welt mit ihnen zu verbinden. Das, nur das ist die Mission.

Was ist für Facebook das größte Risiko? Ist der eigene Erfolg Ihr größter Feind?

Ich glaube, das ist es immer, ja. Unternehmen haben unterschiedliche Risiken, seien es nun die Wettbewerber oder sei es das Marktumfeld. Ich glaube aber, dass viele zu sehr auf die Wettbewerber schauen und zu wenig darauf achten, niemals selbstzufrieden zu werden. Das ist das größte Risiko.

Ist Facebook eine Vertriebsplattform oder ein Verlag?

Eine Vertriebsplattform. Ganz klar.

Warum wollen Sie nicht Verlag werden?

Weil wir ein Technologieunternehmen sind. Ich denke, die Plattform ist das Herzstück unseres Produkts. Die Leute nutzen sie, um Medieninhalte zu konsumieren und zu teilen. Aber wir selbst sind kein Medienhaus. Genau deshalb ist die Partnerschaftsstrategie für uns so wichtig, die Zusammenarbeit mit anderen, die besser wissen, wie man die spannendsten Inhalte erstellt. Wir wollen ein Technologiehaus bleiben.

Wie nehmen Sie die Debatte um Hasspostings wahr?

Obwohl wir generell an die Redefreiheit glauben – und daran, jedem so viel Freiraum zum Reden wie möglich zu geben –, gibt es dafür in der Praxis zugleich Grenzen. Egal, ob das gesetzliche Einschränkungen oder technologische Schranken sind – etwa wenn man nicht das teilen kann, was man will, oder keinen Zugang zum Internet hat. Und es gibt soziale Beschränkungen, bei denen jemand die Freiheit des anderen, sich auszudrücken, einschränken könnte. Deshalb ist unser Fixpunkt, dass wir der größtmöglichen Zahl von Menschen so viel Stimme wie möglich verschaffen wollen.

Und eben nicht darüber bestimmen wollen, was mehr als eine Milliarde User lesen oder nicht. Das wäre ja redaktionelle Arbeit, die Aufgabe eines Verlages. Ich fände es viel bedrohlicher, wenn ein globales Unternehmen mit mehr als einer Milliarde Usern pro Tag nach subjektiven Kriterien darüber bestimmen würde, wer was schreiben und lesen darf. Deshalb ist die Debatte irreführend. Für eine technologische Kommunikationsplattform sollte der einzige einschränkende Rahmen der Rahmen der Gesetze sein.

Das ist zwar richtig, aber die öffentliche Stimmung ist eine andere.

Die Europa-Zentrale von Facebook ist in Irland. Weil Sie Steuern in den europäischen Märkten vermeiden wollen?

Zuckerberg: Nein. Es gibt eine Reihe von Gründen, weshalb Dublin ein ziemlich guter Ort ist. Einer davon ist, dass wir immer noch ein überwiegend englischsprachiges Unternehmen sind, also dort einen Firmensitz haben wollen, wo die Mehrheit der Leute englisch spricht. Wir haben in Irland erheblich in mehr als 1000 Mitarbeiter und eine neue Zentrale investiert, und im Moment bauen wir dort ein nachhaltiges Rechenzentrum nach neuestem Stand der Technik.

Im letzten Jahr zahlte Facebook in Großbritannien 4327 Pfund Steuern. Sie verstehen schon, dass die Steuerthematik ein Problem ist?

Ich finde, dass die Steuersituation zwischen den Ländern selbst geregelt werden muss. Nach meiner Erfahrung hat jeder eine andere Meinung davon, welches nun der richtige Steuersatz ist. Die Regierungen sollten also klare Richtlinien aufstellen, in Anlehnung an einige internationale Standards, die von allen Regierungen akzeptiert werden. Wie jedes andere verantwortliche, internationale Unternehmen – ob nun europäisch oder amerikanisch – halten auch wir diese Regeln ein und befolgen das Steuerrecht der Länder, in denen wir tätig sind. Aber ich denke, es ist auch wichtig, einen Blick auf unseren Beitrag und unsere Investitionen in Europa zu werfen. Erst in diesem Monat haben wir in Deutschland ein neues Büro eröffnet, eine Partnerschaft zum Thema künstliche Intelligenz mit der Technischen Universität Berlin angekündigt und überdies in eine Community-Zentrale mit Sitz in Deutschland investiert. All das hilft uns, Facebook für unsere Nutzergemeinschaft zu verbessern – insbesondere für die kleineren und größeren deutschen Unternehmen, die Facebook nutzen, um zu wachsen und neue Kunden zu gewinnen.

Wie reagieren Sie auf die europäischen Sorgen zum Thema Datenschutz und Privatsphäre? Ist das ein Kulturkampf zwischen den USA und Europa?

Ich glaube, das ist sehr schwierig. Ein Teil davon ist tief kulturell verwurzelt. Und ich glaube, dass die Geschichte Europas die Menschen für viele dieser Sorgen sehr empfindlich gemacht hat.

Sie meinen den Holocaust und die Art, wie die Nazis und der Kommunismus mit persönlichen Daten umgingen.

Absolut.

Amerika hat diese historischen Traumata nicht.

Richtig. In Europa ist das jüngere Vergangenheit und nicht Hunderte Jahre her. Deshalb denke ich, dass das kulturell einfach sensibler behandelt werden muss. Wir können das anerkennen und versuchen, diese Sensibilität zu verstehen. Aber ohne hier zu leben, ist es schwer, diese Ansicht zu internalisieren.

Ist das nur eine historische Prägung oder auch eine Reaktion auf ganz aktuelle Entwicklungen?

Ja. Ich glaube, es geht auch um sehr gegenwärtige Konflikte zwischen Regierungen. Einige der Themen rund um die Snowden-Veröffentlichungen zu den Aktivitäten der NSA haben die Menschen rund um die Welt verängstigt – in vielerlei Hinsicht zu Recht, wie ich meine. Das hat ganz konkrete Fragen aufgeworfen. Da segelt man in rauem Gewässer. Ein Unternehmen wie Facebook befindet sich im Fadenkreuz vieler dieser Fragen, und wir tun einfach unser Bestes, um verantwortlich damit umzugehen.

Die „Armee der Söhne des Kalifats“ des IS hat ein Hassvideo gegen Sie und den Twitter-Erfinder Jack Dorsey veröffentlicht. Wie fühlt es sich an, ein Opfer dieser Terroristen zu sein, wenn auch nur verbal?

Ich weiß nicht genau. Ich mache mir große Sorgen. Aber nicht wegen dieses Videos. Da gab es schlimmere Bedrohungen. Vor ein paar Jahren wollten mich Leute in Pakistan zum Tode verurteilen lassen. Denn ein Mitglied unser Community hatte tatsächlich eine Gruppe eingerichtet, in der Menschen ermutigt wurden, Bilder des Propheten Mohammed zu zeichnen, wobei die Abbildung des Propheten in Pakistan illegal ist. Die pakistanische Regierung verlangte von uns, den Content weltweit herauszunehmen, was wir natürlich nicht taten. Ich glaube, die größere Aufgabe – und das, wofür Facebook weltweit steht – ist es, den Menschen eine Stimme zu verschaffen und Ideen und Rationalismus zu verbreiten.

Zwei Fragen und Antworten dieses Interviews zum Thema Steuern sind nachträglich in diesen Text eingefügt worden. Die Fragen waren Bestandteil des ursprünglichen Interviews, doch die Freigabe der Antworten durch Facebook hatte sich verzögert, so dass sie in der ersten Fassung nicht enthalten sein konnten.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Welt am Sonntag.

Bild: Facebook