Pleite, aber kreativ?

Marketing-Ideen mit Zero-Budget

Viele Startups haben zum Start nicht einen Cent in der Tasche, schon gar nicht für Mar­ke­ting. Was kann man tun, wenn man eine Geschäfts­idee hat, von der man wirk­lich über­zeugt ist, die aber noch nie­mand kennt? Online Mar­ke­ting Rock­stars hat sich umge­hört und zeigt aus­ge­fal­lene Bei­spiele, wie Unter­neh­men mit Zero Bud­get Mar­ke­ting Auf­merk­sam­keit gene­riert haben.

Pay­Pal und Red­dit – Fake it til you make it

Platt­for­men wie eBay oder Red­dit mit einem zwei­sei­ti­gen Markt ste­hen zum Start stets vor dem Henne-Ei-Problem. Woher kom­men die Nut­zer, wenn sonst noch nie­mand auf der Platt­form aktiv ist? eBay ohne Ver­käu­fer wäre ein Fried­hof ohne Waren. Pro­mi­nente Bei­spiele lös­ten die­ses Pro­blem mit Fakes: In sei­nem Buch The Pay­Pal Wars beschreibt Eric M. Jack­son etwa, wie Pay­Pal zu Beginn die Nach­frage für den Zah­lungs­ser­vice erhöhte. Zunächst muss­ten schließ­lich die Händ­ler die Zah­lungs­art akzep­tie­ren.

Also kaufte Pay­Pal mit Hilfe von Bots Pro­dukte von eBay-Händlern. Der ver­meint­li­che Käu­fer for­derte dann den Händ­ler auf, Pay­Pal zu akzep­tie­ren. Ver­käu­fer lern­ten den Ser­vice ken­nen und beka­men gleich­zei­tig den Ein­druck, dass er schon eta­bliert sei. Der Auf­stieg konnte beginnen.

Ganz ähn­lich baute Red­dit seine Content-Macht auf. Co-Gründer Steve Huff­man beich­tete, dass zuerst vor allem Fake-Profile auf Red­dit unter­wegs waren. Diese pos­te­ten Links und Inhalte im Sinne der Grün­der und zogen so echte Nut­zer mit ähn­li­chen Inter­es­sen an. Nicht nur, dass die Nut­zer­ba­sis explo­dierte, auch der Con­tent blieb der von Fake-Profilen eta­blier­ten Reddit-Kultur gleich.

Just­Book – Insze­niere dich als David

Jeder hält erst ein­mal zum Under­dog. Wer gegen eine Über­macht kämpft, zieht ganz auto­ma­tisch die Sym­pa­thien auf seine Seite. Und nichts sorgt für mehr Auf­merk­sam­keit als der Goliath-Konzern, der das David-Startup bekämpft. Wer in einer Bran­che dis­rup­tiv unter­wegs ist, zieht sich oft den Zorn der Eta­blier­ten zu. Flat­tern dann Kla­gen oder Kampf­an­sa­gen ins Haus, kann es sich loh­nen, die Geschichte öffent­lich zu machen.

Das mitt­ler­weile zum Luxusreise-Anbieter „Secret Escapes“ gehö­rende Startup Just­Book setzte 2012 genau auf diese Tak­tik. Kurz nach dem Start der JustBook-App für güns­tige Hotel­bu­chun­gen hatte der Platz­hirsch HRS-Hotels ange­schrie­ben, die beim Startup güns­ti­ger gelis­tet waren. Nega­tive Folge: Einige Hotels zogen sich kom­plett von der neuen Platt­form zurück. Indem Just­Book mit dem Pro­blem aber an die Presse ging, stei­gerte es seine Bekannt­heit enorm. Gleich­zei­tig nahm es den Kampf auf und erwirkte kurze Zeit spä­ter eine einst­wei­lige Ver­fü­gung gegen HRS. Wie­der folgte eine Bericht­er­stat­tung und wie­der konn­ten die Grün­der ihr Geschäfts­mo­dell einer brei­ten Öffent­lich­keit vorstellen.

Auch in ande­ren Bran­chen lässt sich diese Tak­tik immer wie­der beob­ach­ten. „Auto­net­zer“ gegen den Bun­des­ver­band der Auto­ver­mie­ter, „Dein­Bus“ gegen die Deut­sche Bahn, „MyTaxi“ und „Wun­der­car“ gegen den Taxi­ver­band, „Uber“ gegen alle. Die Sym­pa­thien sind meist klar ver­teilt. Als im Som­mer 2014 in ganz Europa Taxi­fah­rer gegen Taxi-Apps streik­ten, ver­zeich­nete Uber sechs bis acht Mal so viele Neu­an­mel­dun­gen. Beim Ham­bur­ger Startup Wun­der­car kamen laut Grün­der Gun­nar Froh pro Stunde 50 Neu­kun­den dazu, an nor­ma­len Tagen liege diese Zahl bei 100 am gan­zen Tag.

Beta List – Starte einen Meta-Service

Marc Köhlbrugge

Einige Grün­der wäh­len eine andere Tak­tik, um den Traf­fic zu erhö­hen. Sie erzäh­len eine Geschichte, die auf den ers­ten Blick nichts mit dem eigent­li­chen Pro­jekt zu tun hat und len­ken den Kun­den dann doch ziel­ge­rich­tet dort­hin. Per­fekt funk­tio­nierte das für den Startup-Gründer Marc Köhl­brugge. Der Nie­der­län­der ent­wi­ckelte gerade seine Platt­form Open­mar­gin und war auf der Suche nach Beta­tes­tern. Ein­träge auf Face­book und ande­ren sozia­len Medien brach­ten kei­nen Erfolg. Also über­legte er sich einen Trick.

Neben­bei baute er eine glanz­lose Web­seite namens Beta List und schickte eine kurze PR-Meldung an Tech­crunch. Laut sei­ner Aus­sage zeige Beta List die neu­es­ten Test­ver­sio­nen ver­schie­de­ner Ser­vices im Netz. Sein Plan: Sollte der US-Blog über seine Fake-Seite berich­ten, würde er die Ziel­gruppe direkt dort­hin lei­ten. Sein eigent­li­ches Pro­jekt Open­mar­gin stünde dann natür­lich pro­mi­nent auf der Seite.

Das Ver­rückte: Die Idee ging auf. Tech­crunch brachte einen Bericht über Beta List und Köhl­brugge hatte schnell seine 200 Tes­ter bei­sam­men. Fast als Neben­pro­dukt fing die ganze Geschichte Feuer. Schnell schrie­ben wei­tere Blogs und Nach­rich­ten­por­tale über sein zusam­men­ge­schus­ter­tes Pro­jekt und Köhl­brugge ent­schied sich Beta List fort­zu­füh­ren. Bis heute bie­tet das Startup eine Über­sicht für Betatester.

Easy­mar­ke­ting: Wirb mit Medien-Logos um Ver­trauen – selbst, wenn nie über Dich berich­tet wurde

Medienlogos sorgen für Vertrauen – den kleinen Zusatz „Geschäftsmodell bekannt aus“ sieht vielleicht dann gar nicht mehr jeder…

Brand­neue Unter­neh­men müs­sen neben Auf­merk­sam­keit auch Ver­trauen auf­bauen. Das gilt ins­be­son­dere für Online-Shops. Ein typi­sches Mit­tel ist der Ver­weis auf eine aus­ufernde Bericht­er­stat­tung über das eigene Pro­dukt. Eine noch fre­chere Vor­ge­hens­weise haben sich Por­tale wie Easymarketing.de aus­ge­dacht. Auf der Web­seite steht ein­fach: „Geschäfts­mo­dell bekannt aus:“ So lan­den Welt, Süd­deut­sche & Co. in der Vita. Nur weil die irgend­wann ein­mal über Retar­ge­ting berich­tet haben.

Ganz ein­fach funk­tio­niert die Ein­bin­dung sol­cher Medi­en­ver­weise mit dem „Startup Legi­ti­mi­zer“. Das Tool erstellt auto­ma­tisch einen „Bekannt aus“-Banner mit den hei­ßes­ten News-Webseiten aus den USA.

Mam­mut – Gene­riere Auf­merk­sam­keit mit einem Fake-Blog

Etwas mehr Arbeit aber eben­falls kaum Geld steckte der Schwei­zer Outdoor-Spezialist Mam­mut schon 2006 in seine Kam­pa­gne: Plötz­lich tauchte im Netz die 85-jährige Groß­mut­ter Mary Wood­bridge auf. Ihr Plan: Eine-Mount Everest-Besteigung mit Dackel Daisy ­– natür­lich ohne Lager und auf dem direk­ten Weg. Dazu rich­tete die rüs­tige Dame eine drei­spra­chige Web­seite mit ihren Plä­nen, Fotos und Videos ein. Komisch: Auf jedem Foto trägt die Omi einen auf­fäl­li­gen gel­ben Man­tel von Mam­mut. Die ein­zige Wer­be­an­zeige auf der Seite ist selbst­ver­ständ­lich eben­falls von dem Schwei­zer Unter­neh­men.

Das hielt 250 Medien nicht davon ab, über die unglaub­li­che Geschichte zu berich­te­ten. Tau­sende Leser der Web­seite wünsch­ten der Dackel­lieb­ha­be­rin Glück – ein abso­lu­ter Coup für den Auf­trag­ge­ber. Als das Unter­neh­men die Fäl­schung auf­flie­gen ließ, berich­tete die Presse ein wei­te­res Mal über die Aktion. Man habe mit der Kam­pa­gne „die sonst nur schwer via Wer­bung anzu­spre­chende Hardcore-Szene der Klet­te­rer und Alpi­nis­ten“ anspre­chen wol­len, so Mammut-Marketingchef Michael Gyssler.

Der gefakte Blog von Mary Woodbridge

Fake-Blogs funk­tio­nie­ren am Bes­ten, wenn dort kon­tro­verse und aus­ge­fal­lene Bei­träge erschei­nen. Die Kon­zen­tra­tion auf ein pro­dukt­na­hes Thema treibt die Ziel­gruppe auf den Blog oder die Web­seite, die Bei­träge regen zur Dis­kus­sio­n an und die Wer­bung führt direkt zum eige­nen Pro­dukt. Bes­ten­falls neh­men die Medien das Thema mit. Aller­dings dürfte sich nicht jeder Kunde über die Irre­füh­rung freuen.

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