Gruenderszene_Mecklenburg-Vorpommern

Es erwächst etwas im Schatten der Großen

Wenn man von Mecklenburg-Vorpommern hört, denkt man in der Regel an Urlaub, Landwirtschaft und Schiffbau. Aber es gibt weitaus mehr, insbesondere in Bezug auf Unternehmertum. Es lässt sich durchaus feststellen, dass der Gründergeist von den nahegelegenen Metropolen Berlin und Hamburg in den letzten Jahren auf das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern übergeschwappt ist. Auch wenn es nach wie vor ein Anfang ist, gibt es doch bereits einige Erfolgsgeschichten aus dem Online- und Tech-Bereich zu berichten.

Die Hidden Champions

Recht unbekannt und doch von großer Bedeutung. Beispielhaft dafür stehen Gusti Leder, CenterCourt.de und E-PATROL. Mit ihren Wurzeln in Mecklenburg-Vorpommern sind sie heute weit über die Landesgrenze hinaus gewachsen und mitunter international aktiv.

Das Unternehmen E-Patrol baut mobile Systeme (Webanwendungen und Apps) zur Distribution von physischen und digitalen Gütern oder beidem in sinnvoller Kombination unter Anbindung von Payment und ERP-Backends. Die Referenzliste reicht von kleinen Startups bis hin zu Weltmarktführern im Maschinenbau und der Universal Music Group. Gegründet in Neubrandenburg besitzt das Unternehmen mittlerweile auch Büros in München, Hamburg, Berlin und New York.

Aus der eigenen WG heraus hin zum Topseller. Für diese Erfolgsgeschichte steht Gusti Leder. Der Gründer gewann 2009 den Jungunternehmerpreis der Uni Rostock und verkauft heute deutschlandweit und in sechs weiteren Märkten mehrere Tausend Ledertaschen im Monat. Dabei reicht die Produktpalette von Lederschmuck über Reisetaschen bis hin zu Unikaten, die nach Wunsch in der hauseigenen Lederwerkstatt gefertigt werden.

Rund geht es auch bei CenterCourt.de zu. Mit ihrem Vollsortiment rund um den Tennissport sind sie einer der führenden Tennisspezialisten Europas. Das brachte Ihnen auch bereits die Auszeichnung zum besten Tennisversand bei einer Leserwahl des deutschen „Tennismagazins”.

Die Newcomer

Zu den Newcomern gehören PipesBox, welche mit ihrer Smart-Home-Lösung den Alltag zu Hause erleichtern wollen. Das Besondere an dem Ansatz: Nutzer können im PipesMarket ihre erstellten Anwendungen mit anderen teilen. Dadurch entsteht ein Repertoire an interessanten und relevanten Smart-Home-Anwendungen. Mit ihrer Crowdfunding-Kampagne auf der Plattform Startnext konnten sie 25.000 EUR einsammeln, welche nun zur Fertigstellung der Boxen verwendet werden.

Mit ihren handgenähten Outdoorjacken und Taschen erhielten die drei Gründer von Auguste 86 die Auszeichnung „Kultur- und Kreativpiloten Deutschlands 2013“. Ihre Idee entstand aus dem Bedarf für geeignete und stylische Mode zum Fahrradfahren. Da sie diese nicht finden konnten, setzen sie sich selber an die Nähmaschine und produzieren seitdem unter ihrem eigenen Label.

Wellen schlagen auch immer neue Berichte über den Druck auf kleine Einzelhändler in den Städten durch den übermächtigen Online-Handel. Daher hat sich das Startup Stadtgestöber die Revitalisierung der Innenstädte und die Unterstützung kleiner Ladengeschäfte zur Aufgabe gemacht. Mit der Stadtgestöber-App für Smartphones und Tablet-PCs lässt sich die Angebotsvielfalt der eigenen Innenstadt entdecken und der Wunschartikel direkt nach Hause bestellen.

Die Forschung im Land trägt ebenfalls Früchte. So konnte das Projekt PoreGenic den mit rund drei Millionen Euro dotierten Go-Bio Preis (zirka drei Millionen Euro) einwerben. PoreGenic entwickelt eine elektrophysiologische Messmethode (automatisiertes Patch Clamp für Zellnetzwerke) für die Testung von zum Beispiel Wirkstoffeinflüssen auf die Lernfähigkeit von kultivierten Nervenverbindungen (Synapsen). GridClamp will dazu beitragen, Alzheimer und andere neurodegenerative Krankheiten zu bekämpfen, indem die präklinische Wirkstofftestung mit humanen Nervennetzen „näher an den Menschen“ gebracht wird.

Die erwähnten Startups sollen einen Einblick in die Gründerszene von Mecklenburg-Vorpommern gewähren. Darüber hinaus gibt es weitere Gründungsteams, welche auf der Startup-Map von Querdenker-MV zusammengetragen werden.

Den Nachwuchs heranzüchten

Um die Gründungslandschaft weiter zu begrünen, bedarf es natürlich weiteren Nachwuchses. Dafür setzen sich insbesondere die studentischen Gründungsinitiativen an den Hochschulen in Rostock und Wismar ein. Der Entrepreneurs Club Rostock ist einer der ersten studentisch geführten Organisationen in Deutschland, die das unternehmerische Denken an Hochschulen fördern wollen und somit auch einer der Initiatoren des Dachverbands Studentischer Gründungsinitiativen, dem Gründermagnet.

Zusammen mit Wismars Entrepreneurs und weiteren Hochschuleinrichtungen wie dem Zentrum für Entrepreneurship an der Universität Rostock wollen sie noch deutlich mehr Studenten für das Thema Unternehmertum sensibilisieren  und mit dem Gründerfieber anstecken. Um diese Begeisterung für die Gründungsthematik zu entfachen findet jährlich auch der MVpreneur Day statt. Dieses ist das größte Entrepreneurship-Event in Mecklenburg-Vorpommern und durfte unter anderem schon den StudiVZ-Gründer Ehssan Dariani sowie den Gründer von Casacanda und Lesara, Roman Kirsch, als Gast-Speaker begrüßen.

Dass ein solcher Nachwuchs in jedem Fall notwendig ist, wird dadurch deutlich, dass das Land vorrangig von KMUs geprägt ist. Somit sind die Gründer von heute die treibende Kraft für das Bundesland von morgen. Dafür bedarf es insbesondere einer engeren Zusammenarbeit der Hochschulen im Land in puncto Gründungslehre, Verbesserungen bei Finanzierungsmöglichkeiten vor allem im Bereich der Seed-Finanzierung und eine entsprechende Infrastruktur an den Hochschulstandorten, wie beispielsweise einem Inkubator.

Auf dem Weg zum Land der Gründer?

Mecklenburg-Vorpommern ist im Aufbruch und will mit dem Gründergeist im Bundesgebiet Schritt halten. Dies zeigen die innovativen Unternehmensgründungen der Startups, die vorangeschritten sind. Darauf lässt sich aufbauen und die vorbildhaften Pioniere machen es jedenfalls wünschenswert, dass die Gründungslandschaft in Mecklenburg-Vorpommern weiter mit Leben gefüllt wird. Die Lage zu Berlin und Hamburg und insbesondere auch die Anbindung nach Skandinavien bieten dafür eine Ausgangslage, um sich zu vernetzen und inspirieren zu lassen.

Bild: welcomia / PantherMedia