Metaio-Gründer Peter Meier im Jahr 2010

Die Nachricht machte letzte Nacht Schlagzeilen: Apple übernimmt das Münchner Digitalunternehmen Metaio. Kaufpreis: noch unbekannt. Die 2003 gegründete Firma erstellt Augmented-Reality-Lösungen. Das bedeutet „erweiterte Realität“: Dabei ergänzen computergestützte Informationen wie Texte und Grafiken auf jeder Art von Bildschirm das, was der Nutzer darauf sieht. Metaio hat einen großen Kundenstamm, zu dem Lego, Ikea, Ferrari oder EADS gehören, und die Firma bezeichnet sich selbst als Weltmarktführer im Bereich VR-Software. Doch wer oder was steckt eigentlich hinter dem Unternehmen, das den wählerischen Konzern aus Cupertino begeistern konnte? Und was verspricht sich Apple von dem Kauf?

Metaio, gegründet und geführt von CEO Thomas Alt und CTO Peter Meier, setzte mit dem SZ-Magazin und auch Ikea in den vergangenen Jahren aufsehenerregende Projekte um. Dabei konnten die Käufer des SZ-Magazins zum Beispiel eine Ausgabe aus dem Jahr 2010 mit einer App zum Leben erwecken:

Ikea-Kunden konnten auf Bildschirmen sehen, wie sich die Möbel in ihren Wohnungen machen würden:

Der erste Ikea-Katalog, in dem Kunden die Produkte in ihr Zuhause projizieren konnten, erschien im Sommer 2012. Um die Möbel in 3D zu sehen, mussten sich Kunden eine App herunterladen. Vier Wochen nach der Erscheinung des Katalogs sollen bereits 4,5 Millionen Nutzer die App heruntergeladen haben.

Die bisherigen Geschäftspartner von Metaio müssen sich nach der Apple-Übernahme nun einen neuen Techniklieferanten suchen. Der Tech-Support via Mail endet am 30. Juni, Abos und Produkte können nicht länger erworben werden, informiert Metaio auf seiner Webseite. Downloads früherer Einkäufe werden demnach noch bis zum 15. Dezember verfügbar sein. Apple verleibt sich das gesamte Know-How samt Patenten ein; selbst die bisherige Webseite von Metaio wurde eingestampft.

Mit dem Kauf will Apple sich im VR-Wettbewerb besser aufstellen. Konkurrent Microsoft präsentierte kürzlich seine Datenbrille HoloLense, Nutzer können damit virtuelle Objekte einblenden, die mit der Umgebung interagieren. Ähnliche Brillen vertreibt auch Google mit seiner allerdings strauchelnden Google Glass. Facebook nahm vergangenes Jahr viel Geld in die Hand und kaufte Oculus Rift, den Hersteller einer noch nicht lieferfertigen Datenbrille mit besonders großem Display, für 400 Millionen US-Dollar Cash und 1,6 Milliarden Dollar in Facebook-Aktien.

Laut TechCrunch arbeitet Apple momentan an einem VR-Feature für die App Maps, bei welchem Nutzer ihr Smartphone auf eine Straße richten können, um beispielsweise zu sehen, welche Geschäfte es dort gibt und auch, welche Menüs Restaurants dort anbieten. Zudem patentierte Apple im Februar ein Virtual-Reality-Headset, das Nutzer ans iPhone anschließen können. Für beide Projekte könnte Metaios Technologie wichtig sein.

Wie alles begann

Das Startup begann seine Operationen 2003 im Garchinger Technologie- und Gründerzentrum Gate. Startkapital gab es aus öffentlichen Mitteln und von Gründer-Wettbewerben. „Diese Gelder haben bei den aufwändigen Zulassungsverfahren für Patentanmeldungen sehr geholfen“, sagte Mitgründer Thomas Alt vor einiger Zeit der Münchner IHK. Zu Beginn entwickelten Alt und sein Mitgründer Peter Meier Lösungen für Unternehmen in der Industrie, vor allem für die Automobilbranche. Der erste große Auftrag kam von VW, Alts früherem Arbeitgeber. „Wir konzentrierten uns auf Anwendungen für die Automotive-Industrie, weil diese Branche für innovative Produktionslösungen besonders aufgeschlossen ist“, so Alt.

Eine dieser Lösungen: Durch den Einsatz von Datenbrillen oder Laptops wurde die Reparatur von Autos erleichtert. Die Teile, die ausgetauscht werden sollten, wurden mit Augmented-Reality-Projektionen für die Monteure sichtbar gemacht, dazu wurde eine Anleitung angezeigt. Das sollte beispielsweise Handbücher ersparen und die Prozesse beschleunigen.

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Bis zur Übernahme gehörten zahlreiche Großunternehmen aus Maschinenbau-, Auto- und Elektronikindustrie zu Metaios Kunden. Für Ferrari konzipierte die Firma jüngst beispielsweise einen 3D-Showroom, in dem alle Details der Fahrzeuge präsentiert werden. In den Geschäftszahlen spiegeln sich die Aufträge der namhaften Kunden allerdings nicht unbedingt wieder: Laut Bundesanzeiger setzte Metaio im Jahr 2013 nur 5,4 Millionen Euro um und schrieb Verluste in Höhe von 1,1 Millionen Euro. Im Geschäftsbericht wird dies vor allem mit massiven Ausgaben für Patente und Forschung begründet.

2013 beschäftigte Metaio bereits über 90 Mitarbeiter, die meisten davon arbeiteten in München. Doch ob Metaio sein bayerisches Büro beibehält, ist fraglich. Denn: Die Firma unterhält bereits eine Niederlassung in der Nähe von San Francisco – viel näher am Apple-Standort in Cupertino.

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