Ein Beitrag von Yvonne Gasch, Volljuristin und in der Rechtsabteilung des Händlerbundes tätig. Dort berät sie Online-Händler in Rechtsfragen zum AGB- und Vertragsrecht, zum Wettbewerbsrecht sowie zum allgemeinen Urheber- und Markenrecht.

1. Multichannel als innovatives Einkaufserlebnis

„Im Geschäft beraten lassen, online kaufen“. Was die meiste Zeit als echter „Killer“ für den stationären Handel eingestuft wurde, wird seit einiger Zeit von größeren Unternehmen sogar offensiv als Werbebotschaft eingesetzt: die Vernetzung von verschiedenen Verkaufskanälen. Dabei gibt es mittlerweile nicht mehr nur schwarz oder weiß, das heißt entweder stationärer Einzelhandel oder Online-Handel. So bieten einige Märkte bereits einen Drive-In für Selbstabholer oder die Möglichkeit, über im Geschäft aufgestellte Tablet-PCs Waren bequem nach Hause liefern zu lassen.

Spannend sind diese verschiedenen sich kreuzenden Vertriebswege besonders aus rechtlicher Sicht, denn die Einordnung ist nicht immer eindeutig.

Online-Startups, die einen eigenen Online-Shop gründen wollen oder bereits gegründet haben und auch über ein Offline-Nebengeschäft nachdenken, haben es besonders schwer, denn sie müssen sich in gleich zwei verschiedenen Rechtsgebieten auskennen: dem Fernabsatzrecht und mit den Rechten und Pflichten im stationären Handel. Hier gibt es zwar einige Überschneidungen, doch ebenso auch gravierende Unterschiede. In diese soll nachfolgend Einblick gewährt werden. Unter anderem wird erläutert, was aus rechtlicher Sicht beim Multichannel beachtet werden muss und in welchen Konstellationen das Widerrufsrecht zur Anwendung kommt.

2. Stationärer Einzelhandel und Online-Handel – Unterschiede und Gemeinsamkeiten

Die Nutzung verschiedener Verkaufskanäle – kurz: Multichannel – wird für Online-Händler ein immer wichtigeres Thema, denn das Beschreiten mehrerer Vertriebswege nebeneinander ist längt keine Zukunftsmusik mehr. Der Online-Handel wird dabei spielerisch mit der realen Offline-Welt verknüpft und für den Kunden ein ganz neues Verkaufserlebnis geschaffen, welches sich an den individuellen Lebensstil des Käufers anpasst.

a. Fernabsatzrecht

Prägendster Unterschied zwischen den beiden allgemeinen Vertriebsformen stationärer Einzelhandel und Fernabsatz ist ganz klar das Widerrufsrecht. Bestellt der Kunde über einen Online-Shop, über einen Shop auf einer Online-Plattform (zum Beispiel Ebay) oder per Telefon/Fax/E-Mail, also im sogenannten „Fernabsatz“, steht dem Verbraucher ein Widerrufsrecht zu.

Info:

Fernabsatzverträge sind Verträge, bei denen der Unternehmer und der Verbraucher für die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel (zum Beispiel Briefe, Kataloge, Telefonanrufe, E-Mails, SMS, Telemedien) verwenden, und nicht gleichzeitig körperlich anwesend sind […].

Grund dafür ist, dass der Besteller, der im Internet die Ware weder anfassen noch (an)probieren kann, geschützt werden soll. Online-Händler müssen diese Möglichkeit der Rücksendung daher stets in ihre Logistik und Kalkulation mit einbeziehen, denn beispielsweise im Bekleidungssektor sind die Kosten und Mühen für entstandene Retouren nicht zu vernachlässigen.

Online-Händler, die darüber nachdenken, sich auch im Offline-Geschäft auszuprobieren, müssen wissen, dass Kunden in einem Ladengeschäft nach dem Verlassen des Geschäfts kein eigenes Recht haben, sich wieder vom Vertrag zu lösen. Das vielfach gewährte „Umtauschrecht“ ist kein vom Gesetzgeber vorgesehenes Recht, sondern ein rein freiwilliger Service des Unternehmers. Darauf berufen kann sich der Kunde im Einzelfall aber nicht.

Info:

  • Bestellung im Online-Shop: Kunde hat ein gesetzliches Widerrufsrecht
  • Kauf im Ladengeschäft: Kunde hat kein Widerrufsrecht, freiwillig möglich: Umtauschrecht

b. Informationspflichten

Ein weiterer Unterschied zwischen den zwei allgemeinen Vertriebskanälen ist die Erteilung von gesetzlichen Informationspflichten. So haben Betreiber eines Online-Shops teilweise weitergehende oder gänzlich andere Informationen auf der Website mitzuteilen, als dies im Ladengeschäft benötigt wird und umgekehrt. Geregelt werden diese allgemeinen Informationspflichten im Bürgerlichen Gesetzbuch und dessen Einführungsgesetzbuch.

So müssen Online-Händler beispielsweise belehren, wie der Vertragsschluss zustande kommt. Diese Informationspflicht wird im stationären Handel natürlich nicht benötigt. Hinzu kommen weitere produktspezifische Informationspflichten, die ebenfalls von Produkt zu Produkt, von Vertriebskanal zu Vertriebskanal abweichen können. Zu nennen wäre als Beispiel die Elektro-Kennzeichnung.

c. Gewährleistungsrecht

Beim Gewährleistungsrecht, das heißt, bei dem Recht des Kunden im Falle einer Lieferung einer mangelhaften Sache zum Beispiel Reparatur oder Rückzahlung des Kaufpreises zu verlangen, gibt es jedoch keinerlei Unterschiede. Zumindest in diesem Punkt können sich Online-Startups auf ihr rechtliches Wissen verlassen und dies auf den Offline-Handel übertragen.

Bitte wenden – hier geht’s zum nächsten Punkt: Besonderheit Crosschannel – Verzahnung beider Vertriebskanäle führt zu rechtlichen Problemen.

Bild: Namensnennung Bestimmte Rechte vorbehalten von Sjoerd Lammers street photography


3. Besonderheit Crosschannel – Verzahnung beider Vertriebskanäle führt zu rechtlichen Problemen

Wie bereits eingangs erwähnt, muss sich der Vertrieb eines Unternehmens nicht mehr auf einen Kanal beschränken. Online-Händler, die bereits einen Online-Shop gegründet haben, oder dies vorhaben, liebäugeln nicht selten auch mit dem stationären Handel, der immer häufiger mit sogenannten Pop-up-Stores ausgetestet wird.

Beim reinen Multichannel-Vertrieb ist die Rechtslage eindeutig: Besucht der Kunde den Online-Shop und löst dort eine Bestellung aus, hat er die Rechte und Pflichten aus dem Online-Verkauf (zum Beispiel Widerrufsrecht). Betritt er alternativ ein Ladengeschäft, muss er die dort geltenden Rechte und Pflichten beachten (kein Widerrufs- oder Umtauschrecht).

a. Vertragsschluss: Vertriebswege oft nicht eindeutig zuordenbar

Je weiter die Technik fortschreitet, desto mehr innovative Möglichkeiten gibt es jedoch. So lässt sich nicht immer eine klare Grenze zwischen Online-Handel und Ladengeschäft ziehen, denn längst gibt es neue Methoden, diese Kaufmöglichkeiten miteinander zu verbinden, mittels sogenanntem Crosschannel.

Ein Beispiel soll dies verdeutlichen: Ein Kunde bestellt im Ladengeschäft über dort aufgestellte Computerterminals. Fernabsatzgeschäft oder regulärer Kauf im Laden? Eine eindeutige Grenze kann man hier nicht ziehen. Zwar steht der Kunde im Ladengeschäft, und hat vielleicht sogar die Möglichkeit, die gewünschte Ware in Augenschein zu nehmen. Eindeutig zuordenbar auf die Definition zum Fernabsatzgeschäft (siehe oben) ist der Fall aber nicht. Bestellt wird die Ware jedoch letztendlich über einen Computer, was dafür spricht, dass auch ein reguläres Fernabsatzgeschäft vorliegt.

Grund ist, dass die Bestellsituation in den meisten Fällen die gleiche ist, als würde der Kunde am heimischen PC sitzen und über den Online-Shop bestellen. Beurteilen muss man hier aber stets die konkrete Bestellsituation im Einzelfall und anhand dieser die konkreten Rechte und Pflichten festlegen.

Einfacher sieht die Rechtslage aus, wenn der Kunde online kauft und die Ware lediglich vor Ort abholt. Bei dieser Bestellsituation ist der Vertrag bereits im Fernabsatz geschlossen. Ein klassischer Fernabsatzvertrag liegt vor, der dem Verbraucher ein Widerrufsrecht einräumt. Daran ändert auch die Abholung (egal in welcher Weise) im Geschäft nichts mehr.

b. Folgen für die Rückabwicklung

Auch bei der Rückabwicklung kann man den Online-Handel mit dem regulären Einzelhandel praktisch verknüpfen. Ohne rechtliche Stolpersteine geht es jedoch auch hier nicht: Seit dem 13.06.2014 muss der Unternehmer für die Rückzahlung des Kaufpreises unter Verwendung desselben Zahlungsmittels vornehmen, das vom Verbraucher bei der ursprünglichen Transaktion eingesetzt wurde. Eine Rückgabe und Auszahlung des Kaufpreises im Ladengeschäft ist damit aus rechtlicher Sicht nicht so einfach möglich, wenn der Kunde beispielsweise über Paypal bezahlt hat.

Der Verkäufer darf mit dem Kunden bei der Rückgabe zwar die Rückzahlung des Betrages in bar vereinbaren. Besteht der Kunde aber – aus welchen Gründen auch immer – auf eine Rückzahlung über PayPal, muss dies in der Abwicklung (zum Beispiel bei der Kassensoftware) berücksichtigt werden.

Fazit

Eine Unterscheidung der verschiedenen Vertriebswege ist mit fortschreitenden technischen Möglichkeiten und marketingseitigen Innovationen nicht mehr einfach möglich. Eine klare Grenze lässt sich daher auch aus rechtlicher Sicht nicht (mehr) ziehen. Neben den aufgezählten Kaufmöglichkeiten gibt es – und wird es noch geben – sicherlich zahlreiche andere Wege. Ohne juristische Hilfe wird es besonders für Online-Startups schwer, einen Überblick über die verschiedenen Rechte und Pflichten zu behalten.

Bild: Namensnennung Bestimmte Rechte vorbehalten von Sjoerd Lammers street photography