Microsoft-CEO Nadella in Berlin

Öfter mal ein gutes Buch lesen

Alles ist bereit. Das Audimax der Technischen Universität in Berlin mit mehr als 1.000 Zuhörern bis auf den letzten Platz gefüllt. TU-Präsident Prof. Dr. Christian Thomsen begrüßt den CEO von Microsoft mit einem kleinen Ausflug in die Geschichte seiner Universität. Er erzählt, dass Konrad Zuse, der Erbauer des ersten programmierbaren Computers im Jahr 1941, hier studiert hat. Die Spannung und Erwartung sind also durchaus spürbar, als Satya Nadella leicht verspätet den Saal betritt.

Nadella, der zum ersten Mal in Deutschland besucht, ist ein smarter, sympathischer Mann ohne Pathos und große Gesten. Im Gespräch mit Prof. Dr. Manfred Hauswirth gibt es erstmal ein pauschales Lob für die versammelten Studenten. Nadella weiß, wo er spricht und wer hier im Publikum sitzt. „Der Input von Studenten gibt einer Firma wie Microsoft Perspektiven. Sie sind sehr wichtig für uns“, sagt er mehrfach. Dann folgt praktische Lebenshilfe. Die Studierenden sollten darauf achten, sich auch mal mit anderen Dingen zu beschäftigen. Vielleicht mal ein Buch lesen. Oder Gedichte. Gedichte seien sehr komprimiert und sparen Zeit. Das helfe, sagt der 47-Jährige, eine andere Sicht auf den Job oder das Studium zu bekommen. Auch Leidenschaft und Empathie seien sehr wichtig, sagt Nadella. „Folgt eurer Leidenschaft und bringt sie in die Arbeit ein.“

Das war vielleicht noch nicht das, was man von Nadella erwartet hatte. Doch jetzt kommt der eher zurückhaltende Nachfolger des wuchtigen Steve Ballmer zum Thema Innovation. „Industrien existieren nur, wenn sie sich erneuern. Sie brauchen ständig neue Konzepte, wenn sie relevant bleiben wollen.“ Die Frage, die sich jedes Unternehmen in den Zeiten der Digitalisierung stellen muss, sei: „Ist das, was wir heute tun, morgen noch relevant?“ Laut Nadella gibt es in dieser rasenden Zeit der Veränderung drei Voraussetzungen für Erfolg: Neue Konzepte, neue Kultur und neue Fähigkeiten. Diese drei Dinge müssen nahtlos zusammen passen. Und hier liegt laut Nadella auch die große Chance von Startups. Sie tragen keinen Ballast, keine alten Gewohnheiten mit sich herum und können von Anfang an eine lernende Organisation aufbauen. Traditionelle Firmen haben es da sehr viel schwerer.

Die erfolgreichsten Startups sind laut Nadella in der Lage, Innovation, Technologie und Businesmodelle zusammen zu denken. Wer es schafft, einen technologischen Durchbruch zu guten Preisen anzubieten, erschließt neue Märkte und hat gute Chancen, eine neue, kräftige, erfolgreiche Marke aufzubauen, so der CEO.

Das Lieblingsprodukt seiner eigenen Firma ist derzeit Skype Translate. Mit dieser Anwendung soll man sich weltweit ohne Sprachbarriere in Echtzeit unterhalten können. Es werden derzeit Testanwender gesucht. Drei Dinge kommen in diesem Produkt zusammen: Spracherkennung, Übersetzung und Liveübertragung im Netz. Darauf ist Nadella stolz. Er ist sich sicher, dass Skype Translate die Sprachgrenzen einreißen wird und der Anfang einer globalen Live-Kommunikation ist.

Auf das neue Windows 10 geht Nadella nur ganz kurz ein: „Windows 10 ist nicht nur eine neue Version, es ist der Anfang einer neuen Generation.“ Das Betriebssystem soll kommendes Jahr auf den Markt kommen und auf Tablets, stationären Computern und Smartphones laufen. Auch für das „Internet der Dinge“ soll Windows 10 die perfekte Plattform bieten. So richtig leidenschaftlich klingt das bei ihm allerdings nicht. Eher kühl.

Richtiges Feuer spürt man beim Microsoft-Chef, wenn er von seiner Familie und seinen drei Kindern spricht. Einer seiner Söhne ist auf Gehhilfen angewiesen: „Das Leben für meinen Sohn ist in den letzten fünf Jahren so viel besser geworden. Alles wird beweglicher, kleiner, besser. Einfach magisch.“ Am Ende zählt für Nadella offenbar die Familie. Auch wenn man 918.917 Dollar im Jahr und Aktienoptionen in Höhe von 79,7 Millionen Dollar verdient hat. Die Studenten strömen in den dunklen Berliner Spätnachmittag. Einer sagt: „Lockerer Typ. Ich bleibe trotzdem bei Apple.“

Foto: Frank Schmiechen