Vor einem Geldautomaten erwache ich aus meinem Traum von dem Bankkonto der Zukunft. Der Automat spuckt gerade meine Kreditkarte von Number26 wieder aus, Geld für das Mittagessen kommt nicht aus dem Schlitz. Denn mein Guthaben auf dem Konto ist aufgebraucht. Und so stehe ich dort, ausgestattet mit einer modernen Banking-App und einer Kreditkarte – nur ohne Geld.

Einen Monat lang habe ich probiert, wie es sich mit der App von Number26 lebt. Dem gehypten Berliner Startup, das mir „Europas modernstes Girokonto“ verspricht. Mein Augenmerk liegt auf einer guten Bedienung: Ich möchte mein Konto einfach vom Smartphone aus steuern – und möglichst lange ohne Bargeld auskommen. „Die User Experience muss stimmen“, erklärte auch der Gründer Valentin Stalf. Fast ist es Number26 gelungen, mich von dem kostenlosen Girokonto und der Banking-App zu überzeugen.

Die Anmeldung

Nach etwa einem Monat warten auf den Invite-Code geht alles los mit einer Callcenter-Frau, deren Gesicht auf dem Bildschirm meines Laptops aufploppt. Ich muss meinen Reisepass in die Kamera halten, um mich zu authentifizieren. Nach zehn Minuten ist das Gespräch beendet und mein Konto freigeschaltet. Die schnelle und reibungslose Anmeldung gefällt mir.

Schon nach wenigen Tagen finde ich die Kreditkarte in meinem Briefkasten. Ich muss dazu kurz erklären, dass Number26 noch keine eigene Banklizenz besitzt. Aus diesem Grund liegt mein Geld bei Wirecard in München. Beim täglichen Gebrauch der Mastercard spielt dieser Umstand allerdings keine Rolle.

Die Applikation

Auf meinem Smartphone befindet sich jetzt die App, das Herzstück des Angebots. Sie ist einfach und intuitiv gestaltet. Meine Einkäufe laufen wie in einem Facebook-Stream ein. Hier 7,20 Euro bei Kaiser’s, dort 16,90 Euro für die Apotheke.

Unter dem Punkt Statistik kann ich dann sehen, wie viel Geld ich für Shopping oder Bars ausgegeben habe. Der Trick: Das System von Number26 erkennt, wo ich einkaufen war und ordnet die Läden automatisch zu. Wenn ich beispielsweise bei Kaiser’s einkaufe, läuft das automatisch unter dem Label „Lebensmittel“. Die Einträge kann ich manuell in andere Kategorien einordnen. Das Startup verwendet – laut Datenschutzerklärung – die sensiblen Infos nicht weiter.

Mit der Funktion „Money Beam“ lässt sich Geld an Freunde überweisen. Andere Number26-Kunden (vier meiner Kontakte) erhalten das Geld direkt. Wer noch nicht angemeldet ist, bekommt einen Link per SMS und kann dort seine Kontodaten eintragen. Ich benutze für das sogenannte Peer-to-Peer-Banking meist Paypal.

Das Bezahlen

Bei jedem Bezahlvorgang bekomme ich eine Push-Mitteilung über Betrag und den Namen des Geschäfts. Gerade für längere Einkaufstouren macht das Spaß, und ich behalte den Überblick über meine Ausgaben in Echtzeit. Gerade in der Berliner Innenstadt akzeptieren ein Großteil der Läden die Kreditkarte.

Anders sieht das aus, als ich ein paar Tage später mein Essen in einem Restaurant bezahlen will. „Wir nehmen leider nur EC-Karte“, sagt mir die Bedienung. Und diese Reaktion erlebe ich in den folgenden Tagen öfter. Besonders außerhalb von Berlin ernte ich verstörte Blicke, wenn ich die Kreditkarte aus meinem Portemonnaie ziehe. Das ist grundsätzlich nicht die Schuld von Number26 – trotzdem nervt es mich.

Das Abheben

In den Situationen, in denen ich ohne Kreditkarte nicht weiterkomme, bin ich also auf Bargeld angewiesen. Das bekomme ich an allen Geldautomaten und auch im Ausland, ohne das Gebühren anfallen. Ein großer Vorteil: Normalerweise kostet das Abheben bei einer fremden Bank oft ein paar Euro Gebühren.

Beim Abheben fällt allerdings direkt der Nachteil von Number26 auf. Ist das Geld auf dem Konto aufgebraucht, geht nichts mehr. Es ist ein Prepaid-System. Ich kann mein Konto also nicht überziehen. Da ich das Konto bislang als Zweitkonto verwende, muss ich das Geld darauf überweisen. Und das Konto ist dann ganz schön oft wieder leer. Wie an dem Mittag vor dem Geldautomaten.

Fazit

Wie Number26 Konto und Smartphone verbindet, ist bequem. Mit der App rumzuspielen hat mir Spaß gemacht. Leider ist Deutschland noch nicht bereit für eine weitreichende Nutzung von Kreditkarten. Und die Prepaid-Funktion hat mich ebenfalls genervt.

Natürlich hätte ich die Möglichkeit, komplett auf das Angebot von Number26 umzusteigen. Doch das ist wieder umständlich: Arbeitgeber, Fitnessstudio und Zeitungsabo brauchen meine neue Daten.  Auch wenn es bei Number26 einen PDF-Vordruck gibt, ist mir das zu aufwendig. Im Jahr 2015 muss so etwas einfacher gehen.

Bild: Michael Berger/Gründerszene; Screenshot

 

hinweis: Number26 hat 2013 am Accelerator-Programm von Axel-Springer Plug and Play teilgenommen, einem Joint Venture von Axel Springer und dem Plug and Play Tech Center. Der Verlag ist darüber in das Startup investiert. Er ist auch Gesellschafter der Business Insider Deutschland GmbH, dem Medienhaus von Gründerszene. Weitere Informationen zu Business Insider findet ihr hier: www.businessinsider.de/informationen/impressum