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IMG_0369 Rocket-Chef Oliver Samwer auf der Bühne der diesjährigen IdeaLab-Konferenz

Bereits eine halbe Stunde, bevor sich die Holztüren zum Hörsaal öffnen, bildet sich draußen eine Schlange. Die jungen Menschen sind aufgeregt, der Geräuschpegel ist hoch. Sie alle stehen auf dem Campus der Business-Schule WHU in Vallendar und warten auf den wohl berühmtesten deutschen Startup-Gründer: Rocket-Internet-Chef Oliver Samwer. Der WHU-Almnus ist ein Aushängeschild für die Uni, auch in den vergangenen Jahren trat er bei ihrer Konferenz IdeaLab auf.

Als Samwer auf die Bühne tritt, verstummen Geraschel und Gespräche – man könnte eine Stecknadel fallen hören. Als er beginnt, starren alle Augen gebannt auf ihn. Seine Stimme ist überraschend leise, er sieht müde aus.

Eine „kränkelnde“ Startup-Fabrik

Kein Wunder, selbst einem Oliver Samwer dürfte die aktuell scharfe Kritik an seiner Firmenfabrik zusetzen. Erst heute sorgte ein ausführlicher Bloomberg-Bericht über Rockets „kränkelnde Startup-Fabrik“ für Aufsehen. Offen wie nie beschwert sich darin ein Investor über die schwache Performance von Rockets Portfolio-Unternehmen. Mark Tluszcz, Chef des an mehreren Rocket-Ventures beteiligten VCs Mangrove Capital Partners, bereut besonders sein Engagement bei dem Wohnungsvermittler Nestpick. „An dem Tag des Investments freust du dich darüber. Aber innerhalb eines Jahres fragst du dich, was du dir dabei gedacht hast.“ Laut Bloomberg ist Mangrove mit seiner Frustration nicht alleine – es soll mehreren Rocket-Geldgebern so gehen.

In Vallendar spricht Samwer aber nicht zu Investoren, sondern mit Studenten. Dem Gründernachwuchs hat er drei Weisheiten mitgebracht – und mal wieder geht es darum, dass deutsche Unternehmer von der Konkurrenz aus anderen Ländern abgehängt werden. Von den zehn wichtigsten Internet-Unternehmen weltweit käme keins aus Deutschland, ärgert er sich, sondern überwiegend aus den USA oder China. „Was fehlt uns?“, fragt er nachdenklich. „Was braucht man, um ein guter Gründer zu sein?“

1. Große Träume

In den USA redeten Gründer davon, die Welt zu verändern. Hierzulande lachten hingegen viele über Visionen, etwa die von Tesla-CEO Elon Musk. „Das ist unmöglich!“, das sei eine weitverbreitete Reaktion auf disruptive Ideen. Vor zehn Jahren, so Samwer, habe ihn ein US-amerikanischer Gründer einmal gefragt, wie viel sein Unternehmen mal wert sein würde. Eine Milliarde, habe er geantwortet. „Ich dachte, das sei eine große Summe“, schmunzelt Samwer.

Als er das Gesicht des Gründers gesehen habe, sei ihm klar geworden, dass er etwas Falsches gesagt habe. Also sagte er: Fünf Milliarden, „und ich dachte, das sei eine große Summe.“. Doch der Gründer wollte sein eigenes Unternehmen noch viel größer machen: 50 Milliarden Dollar sollte es eines Tages wert sein. Also: Deutsche Gründer sollten risikofreudiger werden und und sich fragen: Träumen wir groß genug?

2. Produkt, Produkt, Produkt

„Wir sind alle gut darin, Business-Modelle aufzubauen“, findet Samwer und meint damit die Deutschen. Was aber fehle, seien „Produkt-Gründer“. Zu wenige Entrepreneure konzentrierten sich auf ihr Produkt und darauf, ihre App oder Webseite besser zu machen. „Ein gutes Produkt reicht, um die Leute zu überzeugen“, glaubt er. Zu wenige Gründer hätten einen Hintergrund als Ingenieur, zu viele kämen von Business Schools – wie er. Eine Mischung aus beidem sei wohl das beste. „Wir brauchen Produkt-Gründer, um das Rennen zu gewinnen.“

3. Das beste Team

In Deutschland bestünden viele Gründerteams aus drei oder vier Mitgliedern. Das sei in Ordnung, findet Samwer. Doch oft sei nur die Hälfte des Teams wirklich beeindruckend. Manchmal habe er das Gefühl, der Rest sei nur aus Freundschaft mit dabei. Wenn ein US-amerikanischer Investor zu einem Board Meeting komme, interessiere sich dieser erst einmal nicht für die Zahlen. Sondern für das Team. „Stellt Mitarbeiter ein, die intelligenter sind als ihr“, betont Samwer.

Scheitern ist gut

Samwer nimmt noch einige Fragen aus dem Publikum entgegen. Ein Zuschauer fragt, was er davon halte, dass Scheitern in Deutschland verpönt sei. Fehlschläge gehörten dazu, meint Samwer. „Dann weißt du, wie hart [das Gründen] ist.“

Im übrigen kümmere sich ein guter Gründer nicht darum, was die Presse oder die Öffentlichkeit von einem denke. Also doch: Ein Oliver Samwer lässt sich von ein bisschen Kritik nicht von seinem Kurs abbringen.

Bild: Gründerszene / Kim Richters