Pia Poppenreiter ist 28 Jahre alt. Sie ist Single und liebt ihren Beruf. Im April 2014 startete sie Peppr, eine App für sexuelle Dienstleistungen. Anfang dieses Jahres trennte sie sich von ihrem Mitgründer und dem Unternehmen. Nun arbeitet die gebürtige Österreicherin mit einem neuen Team wieder an einer App: Ohlala soll bezahlte Dates vermitteln. Details will die Gründerin erst in den kommenden Wochen nennen.

Poppenreiter mag provokante Themen und arbeitet gerne. Sie wünscht sich eine Familie, aber noch nicht heute. Auch nicht im nächsten Jahr, oder im übernächsten. Deswegen hat sie sich für das sogenannte Social Freezing entschieden. Frauen lassen ihre Eizellen für einen späteren Zeitpunkt einfrieren, weil ein Kind gerade nicht in die persönliche Lebensplanung passt.

Unter Frauen in den USA, die Karriere machen wollen oder denen der Partner fehlt, ist diese Methode weiter verbreitet als in Deutschland. Hierzulande rückte das Thema erst im vergangenen Herbst auf die Agenda, als bekannt wurde, dass Facebook oder Apple ihren Mitarbeiterinnen den Eingriff, der mehrere tausend Euro kostet, bezahlen. Seitdem wird darüber diskutiert, ob das Angebot der Firmen ethisch einwandfrei ist.

In Deutschland haben sich bisher wenige Frauen für Social Freezing entschieden. Nach ärztlichen Schätzungen führen mittlerweile wenige hundert Frauen pro Jahr den Eingriff durch. Tendenz steigend. Auch Pia Poppenreiter gehört seit einigen Wochen dazu. Wir haben sie zum Interview in Berlin getroffen und mit ihr über ihre Entscheidung gesprochen.

Pia, warum hast du dich dafür entschieden, deine Eizellen einfrieren zu lassen?

Ich wollte mir selbst den Druck nehmen, schwanger werden zu müssen, weil mir die Zeit davon läuft. Ich bin ein extrem ehrgeiziger Mensch und mir ist meine Karriere sehr, sehr wichtig. Ich liebe mein Startup. Ich habe derzeit auch absolut keine Muttergefühle. Trotzdem möchte ich es nicht ausschließen, in Zukunft Kinder zu bekommen.

Social Freezing ist in Deutschland nicht weit verbreitet. Wann hast du dich das erste Mal über die Methode informiert?

Ich habe das erste Mal darüber nachgedacht als im vergangenen Jahr in den Medien diskutiert wurde, dass Facebook seinen Mitarbeiterinnen das Einfrieren von Einzellen bezahlt. Anfangs war das alles für mich aber noch sehr weit weg, irgendwo in Amerika eben. Dann aber habe ich mit einer Freundin gesprochen, die bei einem Unternehmen aus Berlin arbeitet, das diese Methode anbietet.

Diese Freundin hat dich dann von dem Eingriff überzeugt?

Ich war total fasziniert von ihrem Job und ihren Erzählungen und habe ihr alle möglichen Fragen gestellt. Das kommt selten vor. Normalerweise wollen alle immer von mir hören, was ich mache. Schließlich habe ich in meinem alten Startup sexuelle Dienstleistungen über eine App vermittelt, was für sehr viele Leute sehr spannend war. Naja, schlussendlich habe ich dann einen Termin vereinbart, bin zu der Beratung gegangen und war von der Methode überzeugt.

Das geht nicht allen so. Social Freezing hat viele Gegner, die auf die gesundheitlichen oder ethischen Bedenken hinweisen. Welche Nachteile siehst du?

Meiner Meinung nach gibt es nur wenige Nachteile. Aber das ist natürlich meine sehr persönliche Sichtweise. Ich habe die Risiken mit den Chancen verglichen und habe mich mich dafür entschieden. Mir war die Freiheit, die ich durch den Eingriff gewinne, sehr wichtig. Dafür habe ich auch die gesundheitlichen Risiken in Kauf genommen, die meiner Ansicht nach sowieso recht gering sind.

Vor dem Eingriff müssen Patientinnen eine Hormontherapie machen und sich dafür täglich selbst Spritzen setzen. Hat dich das belastet?

Ich hatte schon Angst davor, mir diese Spritzen selbst zu setzen. Ich habe den Eingriff direkt vor unserer Finanzierungsrunde gemacht und habe mir die Termine so gelegt, dass ich die Besuche in der Klinik unterbringen konnte. Irgendwann bekam ich dann die Spritzen vom Arzt, die ich dann im Büro in den Kühlschrank gelegt habe. Da habe ich dann natürlich auch mein Team aufgeklärt. Jeden Abend und Morgen musste ich dann eine Spritze setzen, beispielsweise immer morgens vor dem Team-Meeting. Das ist dann schon komisch. Aber diese Therapie dauert nur zehn Tage und ich habe die auch sehr gut vertragen. Nur nach den zehn Tagen war ich zwei Tage ziemlich launisch und müde.

Wie lief dann der Eingriff?

Ich habe das alles ziemlich locker genommen. Vor dem Eingriff habe ich vor meinem Team noch herumposaunt, dass das nur eine kleine Narkose wird und ich danach sofort zurück ins Büro komme. Auf einem Zettel von dem Arzt stand, dass ich eine Decke, Kissen und meinen Partner mitnehmen soll. Nichts davon hatte ich dabei. Abgeholt hat mich dann mein Co-Founder. Das war auch ok.

Hast du derzeit einen Freund?

Nein.

Trotzdem war deine Karriere der Hauptgrund für deine Entscheidung, nicht der fehlende Partner?

Nein, das habe ich für mich gemacht.

In Deutschland gibt es keine Grenze, bis zu welchem Alter diese Eizellen wieder aufgetaut werden müssen. Hast du eine persönliche Grenze gesetzt?

Also ich möchte nicht mit 70 Jahren Mutter werden (lacht). Aber ich lasse das auf mich zukommen. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Ich hoffe ohnehin, dass ich die eingefrorenen Eizellen nie nutzen muss. Mein Arzt sagte mir: „Es ist wie eine Brandschutzversicherung. Hoffentlich braucht man sie nicht, aber es ist gut eine zu haben.“

Wie hat dein Umfeld, deine Eltern oder deine Freunde, auf deine Entscheidung reagiert?

Meine Eltern sind schon abgehärtet von den sehr rebellischen Zügen ihrer Tochter (lacht). Natürlich finden sie es schade, dass sie jetzt noch keine Enkelkinder bekommen. Mein Vater hat deswegen allen Eizellen Namen gegeben. Meine Eltern und meine Freunde wissen, dass ich momentan sehr auf meine Karriere fokussiert bin und noch gar nicht Mutter werden will. Wenn man beides möchte, muss man eben anders planen. Ich bin gerade 28 Jahre alt und will auch in den nächsten paar Jahren keine Kinder haben. Dann bin ich Mitte Dreißig. Trotzdem will ich auch dann noch eine realistische Chance haben mehrere Kinder zu bekommen.

Aber letztendlich habe ich die Entscheidung selbst getroffen. Ich glaube, man muss solche Entscheidungen immer für sich selbst treffen – egal, was andere Leute denken. Ich war schon immer der Typ, der sich selbst ein Bild gemacht und eine Entscheidung getroffen hat, unabhängig von dem, was andere Leute sagen. Generell möchte ich alle Frauen motivieren, sich selbst darüber zu informieren.

Wieso gehst du mit dem Thema so offen um?

Ich habe als CEO eines Startups eine Verantwortung – unter anderem gegenüber meinen Co-Foundern, Mitarbeitern und Investoren. Wenn ich das Vertrauen bekomme, an unsere Vision zu glauben, möchte ich auch hundertprozentigen Einsatz zusichern. Das heißt für mich hundertprozentiger Fokus auf die Firma.

Du glaubst also nicht, dass man ein Kind bekommen kann und gleichzeitig ein Startup leiten kann?

Das ist doch total individuell und hängt sehr stark von der Situation ab. Habe ich eine feste Partnerschaft? Unterstützt mein Mann oder Freund mich? Habe ich Lust, Mutter zu sein? Ich habe momentan keinen Partner und auch keine Lust, schon Mutter zu sein. Ich persönlich würde es derzeit parallel zu meiner Arbeit nicht leisten können.

Hast du jetzt einen Vorteil, weil deine Investoren wissen, dass du erst mal keine Kinder möchtest?

Alle unsere Investoren wissen, dass ich ohnehin für die Firma brenne. Aber es nimmt natürlich unangenehme Fragen vorweg. Man fragte schon mal durch die Blume, ob ich plane, bald Kinder zu bekommen.

Gegner des Social Freezing sagen, dass es ein Eingriff gegen die Natur ist. Kannst du das Argument verstehen?

Man muss sich die Lebensentwürfe der Frauen ja nur anschauen, um zu begreifen, dass es Alternativen geben muss. Ich habe studiert und möchte mich beruflich verwirklichen. Im Prinzip kaufe ich mir mit Social Freezing mehr Zeit – ich finde, das ist mein gutes Recht.

Du hast mir vor diesem Interview gesagt, dass du anderen Frauen mit deiner Offenheit Mut machen möchtest.

Wir müssen ehrlich zu uns sein und dürfen uns nichts vormachen: Wir Frauen haben nur ein gewisses Zeitfenster, in dem wir Kinder bekommen können. Ich würde mir wünschen, dass man sich mit der Kinderfrage beschäftigt und mit dem Thema auch offen umgeht. Wir Frauen setzen uns in der Regel selbst sehr stark unter Druck, alles auf einmal hinzubekommen. Mir persönlich hat Social Freezing den Druck genommen und das ist ein unheimlich gutes Gefühl.

Vielen Dank für das Gespräch, Pia.

Bild: Laura Jost; Disclaimer: Unsere Autorin nahm zusammen mit Pia Poppenreiter vor zwei Wochen an einer Podiumsdiskussion zum Thema Social Freezing teil.