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ProGlove_07 Gründer Thomas Kirchner bei der Präsentation des intelligenten Handschuhs

Wearables, das müssen nicht immer Smartwatches oder VR-Brillen sein. Im Falle von ProGlove handelt es sich um einen intelligenten Handschuh, der für die Industrie entwickelt wurde. Damit sollen Arbeitsabläufe vereinfacht werden, etwa das Scannen von Produkten im Lager. Das Startup arbeitet in der Testphase unter anderem mit BMW, Audi oder Penny zusammen. In der vergangenen Woche hat das Startup seinen Handschuh offiziell gelauncht.

2014 wurde das Unternehmen in München von Thomas Kirchner und Paul Günther gegründet. In diesem Jahr erhielt ihr Unternehmen ein Investment in Höhe von 2,2 Millionen Euro. Das Geld stammt unter anderem von Intel Capital, dem Venture-Arm des Chip-Herstellers Intel, und dem Investor Gettylab.

Wir haben den Gründer Thomas Kirchner zum ProGlove-Handschuh, der Marktsituation und den nächsten Produkten befragt.

Thomas, wie ist ProGlove entstanden?

Wir kommen eigentlich aus einer Innovationsberatung, wollten aber eigene Produkte machen. Wir haben deshalb ein halbes Jahr Beratungsprojekte gemacht und Geld verdient. Und in den anderen sechs Monaten haben wir das Geld in unsere eigenen Ideen gesteckt.

Was für Ideen sind dort entstanden?

Wir haben zum Beispiel an einem Mobilitätsservice wie Uber gearbeitet. Die Projekte hatten mal mehr und mal weniger Traction. ProGlove ist das erste, was richtig gut funktioniert.

Auf welchen Wirtschaftszweig fokussiert ihr euch derzeit mit ProGlove?

Wir fokussieren uns derzeit auf Automotive, aber auch Logistik. Unsere Kunden sind etwa BMW oder Penny.

Müsst ihr euren Handschuh für jeden Kunden anpassen?

Wir haben das Produkt so entwickelt, dass es Plug and Play ist, also eine Lösung für alle Unternehmen. Das sind auch die Produkte, die mir am liebsten sind.

Diese Lösung funktioniert, weil ihr derzeit nur auf einen Barcodescanner setzt. Laut eurem Produktvideo kann der Handschuh aber noch viel mehr, etwa RFID oder Motion Tracking.

Das Video stellt unsere Vision dar. Was das Produkt jetzt schon kann: Es ist tragbar, kann aufgeladen werden – und es kann Barcodes scannen. Man kann damit vier Sekunden bei jedem Barcode-Scan sparen, weil man nicht mehr die Pistole in die Hand nehmen muss. Wenn jemand also etwa tausendmal am Tag ein Auto scannt, spart der Kunde jeden Tag 4.000 Sekunden.

Und die anderen Funktionen aus dem Video?

Wir haben noch andere Sensoren eingebaut, mit denen wir etwa Gestensteuerung machen können, die wir aber im Moment nicht nutzen. Weil der Kunde für diese vier Sekunden bezahlt und nicht für die anderen Funktionen. Aber wir haben ganz viele Prototypen, die viel mehr können.

Wird der ProGlove also in Zukunft mehr können?

Wir sind ein klassisches Startup: Wir haben etwas gefunden, das funktioniert. Und damit skalieren wir. Aber wir arbeiten schon sehr lange an unserem zweiten Produkt, das auch intern eine größere Rolle spielt.

Kannst du dazu etwas sagen?

Wir nennen unsere Produkte nach Ex-Partnern. Der erste Handschuh heißt Mark. Das zweite Projekt heißt Katharina. Sie kann viel mehr, ist aber trotzdem ein Handschuh.

Kommen wir zurück zu der Zeitersparnis. Du sagst, ein Arbeiter kann mit eurem Handschuh 4.000 Sekunden weniger am Tag arbeiten. Wie viel Geld spart beispielsweise BMW, wenn es eure Lösung einsetzt?

Die Zahl darf ich leider nicht nennen. Aber wenn ein Automobilbauer in einem Prozess nur wenige Sekunden spart, ist das extrem viel Geld wert. Es ist überraschend viel.

Und wie viel kostet euer Produkt?

Vom Businessmodell her funktioniert das wie eine Kaffeemaschine. Wir verkaufen einmal die große Hardware und dann Consumables dazu. Ein System kostet etwas 1.300 Euro. Das ist für die Industrie marktüblich – denn unser Produkt muss zwei Jahre halten, auch wenn es zehn mal am Tag herunterfällt.

Wenn man von Wearables spricht, denkt man zuerst an den Endkonsumenten. Ist das für euch kein Thema?

Wir haben damals in einem Wearables-Wettbewerb mitgemacht. Es gab zehn Finalisten, wir waren die einzigen, die etwas für die Industrie hatten. Und das ist auch genau die Lücke, die wir sehen.

Wird der Arbeiter, der euren Handschuh benutzt, nicht langfristig zur Maschine degradiert? Steht bei euch also nicht der Mensch im Mittelpunkt, sondern die Gewinnmaximierung?

Vieles, was unser Handschuh macht, ist ergonomischer für den Arbeiter. Das spannende an unserem Geschäftsmodell ist, dass der Kunde nicht gleich der Nutzer ist. Trotzdem: Wenn der Nutzer das Gerät nicht gut findet, dann kauft es auch kein Unternehmen. Daher spielt er für unseren Erfolg eine riesige Rolle.

Euer Handschuh verfügt über sehr viele Sensoren. Kann der Arbeiter dadurch nicht stark kontrolliert werden?

Technisch wäre das möglich. Praktisch gibt es aber in Deutschland dagegen Betriebsräte. Wir kriegen aber viele absurde Anfragen aus den USA. Es gibt beispielsweise große Logistikanbieter, die sehr auf Effizienzsteigerung setzen und auch in Deutschland Skandale haben. Da geht es dann nicht daum, wie man den Arbeiter besser macht, sondern wann man ihn austauschen kann. Das lehnen wir aber ab.

Werdet ihr in Zukunft andere Produkte als Handschuhe auf den Markt bringen?

Wearables funktionieren bei Dingen, die die Leute schon kennen, also etwa Brillen, Uhren oder Handschuhen. Allerdings funktioniert das wenigste davon in der Industrie. Wenn eine Apple Watch etwa herunter fällt, ist sie kaputt. Wir haben diese Produkte auf dem Schirm, aber fokussieren uns erst einmal auf die Handschuhe.

Und was macht ihr anders als die Konkurrenz?

Die hängt 20 Jahre hinterher und denkt nicht in Wearables. Wenn sie einen Barcodescanner freihändig machen, dann nehmen sie ihre alte Technologie und schnallen die irgendwie an den Arm. Und so absurd und abstrakt sehen die Lösungen auch tatsächlich aus.

Ihr habt zuletzt zwei Millionen Euro eingenommen und wolltet mit dem Geld unter anderem in die USA expandieren. Wie ist der Stand?

Wir bereiten gerade den Launch vor. Momentan fokussieren wir uns auf Europa. Wir werden aber 2017 in die USA gehen.

Die zwei Millionen sind für ein Hardware-Startup vergleichsweise gering. Sucht ihr gerade schon nach neuem Geld?

Wir planen eine Finanzierungsrunde im nächsten Jahr und starten Anfang Januar mit den Gesprächen. Wie viel wir sammeln, hängt davon ab, wie es bis dahin läuft. Wir machen derzeit relativ viel Umsatz.

Kannst du Zahlen nennen?

Wir sind gerade erst gelauncht aber wenn es gut läuft, schaffen wir noch einen siebenstelligen Umsatz dieses Jahr.

Thomas, danke für das Gespräch.

Bild: ProGlove