Ende 2010 haben sich einige Web-Persönlichkeiten getraut, für Gründerszene in die Zukunft zu schauen. Eine Fähigkeit, die nicht nur bei Entrepreneuren, sondern vor allem bei Investoren berufsbedingt gut ausgeprägt sein dürfte. Doch lagen sie richtig mit ihren Vermutungen? Oder haben sie gar selbst aktiv dazu beigetragen, ihre Prophezeiung zu erfüllen? Hinterher ist man immer schlauer.

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Mobile Social Gaming

Olaf Jacobi, Partner beim Münchner VC Target Partners (www.targetpartners.de) wünschte sich für das Jahr 2011 „viele interessante Business-Cases, die das Potential haben, alleine richtig groß zu werden und nicht nur darauf warten, von einem US-Anbieter nach ein oder zwei Jahren übernommen zu werden.“  Als besonderen Trend sah Jacobi „Mobile Social Gaming“. Und das wird er wohl auch seinen Kollegen nahe gebracht haben: Im Oktober stattete Target Partners zusammen mit Earlybird (www.earlybird.com) das Berliner Startup Crowdpark (www.crowdpark.de) mit vier Millionen Euro aus. „Crowdpark verbindet auf beeindruckende Weise drei große, wachsende Märkte – Mobile, Social-Gaming und Online-Wetten„, sagte zwar der Kollege Christian Nagel von Earlybird, aber immerhin: Wort gehalten! Wie richtig Jacobi mit seiner Prognose lag, lässt sich außerdem an Platzhirsch Wooga (www.wooga.com) ablesen. Neben steigender mobiler Affinität gibt es aber auch weitere Gründe für den Einstieg ins Mobile-Geschäft: die Emanzipation von Facebook.

Die Sharing-Ökonomie

Stephan Uhrenbacher hatte eigentlich keine Ahnung, was „das Groupon von 2011“ wird. Eine als „Nebentrend“ versteckt formulierte Prognose ließ er sich aber trotzdem nicht nehmen: Der Sharing-Ökonomie gehöre die Zukunft und dabei dachte Uhrenbacher an „Car-Sharing,Flat-Share, Betahaus, Werkzeug, Oldtimer, Sport-Equipment“. Es ließe sich behaupten, Uhrenbacher habe Recht behalten, doch das wäre leicht untertrieben: Denn obwohl nicht jedem der Gedanke gefallen mag, die eigene Wohnung für Fremde zur Verfügung zu stellen, so spricht zumindest die Aufmerksamkeit rund um 9flats (www.9flats.com) und Wimdu (www.wimdu.com) eine deutlich andere Sprache. Natürlich hat sich auch Uhrenbacher selbst an seine Prognose gehalten: Mit 9Flats zog er einen schlagkräftigen Konkurrenten auf und holte sich dafür bei Redpoint und Eventure einen vermutlich siebenstelligen Betrag.

Enterprise Zwei-Punkt-Null

Fabian Hansmann, FoundersLink, Founders Link

Fabian Hansmann, Internet-Althase und Partner bei Founderslink, erwartete für das Jahr 2011 einen glatten Durchbruch. Nicht mehr nur die Konsumenten, sondern auch die „Unternehmen in der Breite“ würden sich vollends ins Web 2.0 begegeben. Und damit meinte er nicht Xing (www.xing.com). Mit Scholz & Friends strich dann Ende des Jahres sogar eine der größten Agenturen die Stelle des „Director Social Media“ komplett. Allerdings nur, weil sich die Hamburger sicher sind, dass das Thema nun überall angekommen sei und als Selbstverständlichkeit mitgedacht würde. Der Punkt geht also – zumindest was große Agenturen betrifft – an Hansmann. Und wenn es die S&Fs dieser Welt nicht schaffen, Social Media in die Breite zu tragen, dann ja vielleicht Iversity (www.iversity.org) über den Umweg Studium.

Software as a Service

So ein zwei SaaS-Firmen wollte sich Lukasz Gadowski von Team Europe (www.teameurope.net, an Gründerszene beteiligt) gerne ins Portfolio stecken. Denn das Geschäft mit der Software as Service war für ihn der klare Trend 2011. Wie zum Beweis gründeten die Karlsruher Kollegen von Kizoo (www.kizoo.com) nur wenige Wochen später erstmal einen ganzen SaaS-Fonds – und statteten ihn mit zehn Millionen Euro aus. Das war natürlich okay, denn Gadowski hatte seinen Trend ja schon viel eher mit Taten besiegelt und bereits 2010 in das polnische SaaS-Startup Infakt investiert. Wer überprüfen will, ob Gadowski sich an seinen Wunschplan gehalten hat, muss aber nicht nur auf Team Europe schauen, sondern auch auf den Mitte des Jahres ausgegründeten Internet-Fonds Point Nine Capital (www.pointninecap.com). Unter der Flagge investierte das Team nicht nur in Möbelshoppingclubs, sondern auch in das neuseeländische SaaS-Startup Vend. Im Anschluss gab Point-Nine-Capital-Chef Christoph Jantz in seinem Blog die Gebrauchsanweisung für den perfekten Pitch für andere SaaS-Entrepreneure.

Mobile und so

Fabian Heilemann, DailyDeal

Rasantes Wachstum im klassischen Web, klarer Trend zu „Mobile“ – so sah die Zukunft 2010 für Fabian Heilemann aus. Wie rasant Heilemanns ganz persönliches Jahr 2011 wirklich würde, hätte er sich damals vielleicht gar nicht erst vorstellen mögen: Einhundertvierzehn Millionen Euro legte Google für das von Fabian und seinem Bruder Ferry gegründete DailyDeal (www.dailydeal.de) auf den Tisch. Wie es zu diesem Google Deal kam, lässt sich auch in den geheimen Tagebucheintragungen der Heilemann-Brüder nachlesen. Wie sehr der Mobile-Markt in Bewegung gekommen ist, lässt sich gut an Branchen festmachen, die vertikal zum Markt aufgestellt sind. So hat das Berliner Werbenetzwerk Madvertise (www.madvertise.de) mittlerweile seine internationalen Weihen und zehn Millionen Valley-Dollars empfangen. Aber auch dem Konkurrenten Trademob bescheinigt der High-Tech Gründerfonds das Potential, zum internationalen Player zu werden. Zusammen mit Tengelmann Ventures investierte der HTGF im Dezember in Trademob. Dass bei mobiler Werbung das genaue Targeting immer relevanter – und möglicher – wird, zeigt der Ansatz von Dealomia: Das Startup verbindet Location-Based-Services und Couponing. Im Oktober erhielt das ebenfalls in Berlin ansässige Unternehmen einen siebenstelligen Eurobetrag für die Internationalisierung.

Videos und Augmented Reality

Sarik Weber, Hanse Ventures, CellitySarik Weber hatte für 2011 Videos und Augmented Reality im Kopf. Für das Thema Video sah es Anfang des Jahres erst nicht sehr gut aus, als etwa Sevenload (www.sevenload.com) kurz nach der Übernahme durch Burda Massenentlassungen ankündigte. Und auch dem von langer Hand geplante Zusammenschluss der Privaten TV-Sender zu einer Videoplattform à la Hulu wurde vom Bundeskartellamt ein Riegel vorgeschoben. Zum Ende des Jahres verkündete immerhin Hulu selbst, sich auch in Deutschland umschauen zu wollen. Das Next Big Augmented Thing scheint es allerdings so nicht gegeben zu haben – zumindest nicht mit wehender Fahne und dem Schlagwort „Augmented Reality“. Eine Ausnahme ist Wikitude, das immer wieder auf sich aufmerksam macht, sei es auf dem Weg zu einem Branchenstandard oder wenn es die erweiterte Realität mit Gutscheinen von Coupies (www.coupies.de) spickt. Vielleicht wird’s ja was mit Klaas Kersting und seinem Mitte 2011 gegründetem Startup Flaregames (www.flaregames.com). Die Karlsruher wollen die führenden Entwickler und Publisher von Mobile-Reality-Games werden – eine Kategorie, die es bis dato praktisch nicht gibt.

 Neugründungsstimmung

Thomas Promny, Gimahhot, RevenueMaxThomas Promny konnte beobachten, dass es schon im Jahr 2010 wieder aufwärts ging mit der Branche. Für das Jahr 2011 wünschte er sich daher wohlverdient nur eins: Urlaub. „Ich habe mich eher an den ersten Teil meiner Aussage gehalten und die gute Neugründungsstimmung genutzt“, sagt Promny auf Anfrage. Aber sorgen müssen wir uns wohl nicht: „Ein bisschen Urlaub habe ich aber auch geschafft“, versichert der „Parallel-Unternehmer“ bei Velvet Ventures. Immerhin: ein bisschen. Gründer verstehen diese Zeitangabe gut.