Die Immobilienbranche gehörte bisher nicht zum Tummelfeld von Technologie-Unternehmern. Als aber Ende Juli der Mitgründer von Uber, Garrett Camp, seine neueste geniale Idee „Haus“ vorstellte, war es eigentlich nur eine Bestätigung des sich in den letzten Jahren abzeichnenden Trends. Egal ob Real Estate Tech, Property Tech oder kurz Proptech: Es geht um den Einzug der Technologie in die Immobilienbranche und die damit verbundenen disruptiven Veränderungen. – Christian Hirsig

 

Die Immobilienbranche wird aufgemischt

In der PWC Real Estate Studie werden die sechs wichtigsten Entwicklungen für die nächsten Jahre wie folgt zusammengefasst:

1. Investitionsmöglichkeiten in Immobilien werden in den kommenden Jahren aufgrund des Bevölkerungswachstums und der positiven Entwicklung der Bruttoinlandprodukte in wirtschaftlich aufstrebenden Ländern massiv ansteigen.
2. Schnellwachsende Städte bringen neue Risiken und neues Renditepotential mit sich.
3. Technologie und Nachhaltigkeit sind während der nächsten Jahre der zentrale Motor der Immobilienbranche.
4. Kooperationsfähigkeit mit der Regierung wird zu einem wichtigen Erfolgsfaktor, da die öffentliche Hand vorwiegend die Stadtentwicklung bestimmen wird.
5. Der Wettbewerb um Immobilien-Glanzstücke wird aufgrund des steigenden Interesses aus stark wachsenden Volkswirtschaften weiter zunehmen.
6. Neue Risiken aus den Bereichen Umweltschutz und Politik sowie der gesellschaftliche Wandel werden die Märkte zunehmend beeinflussen.

Auf den ersten Blick erstaunt es, dass die Immobilienbranche bisher keine große Beachtung von Technologie-Unternehmen bekommen hat. Dass Verträge noch stets physisch unterschrieben und per Fax versendet werden. Dass die Liegenschaftsverwaltung von Millionen von Objekten in Excel-Tabellen geführt wird. Dass Abwicklung und Abrechnung in unendlich langen Ordner-Laufmetern archiviert werden.

Ein Ende dieser Ära zeichnet sich jedoch in den kommenden Jahren am Horizont ab, wie so häufig motiviert durch die Endkunden: Der Wunsch nach neuen Modellen und mehr Effizienz erwächst aus der Frustration enttäuschter Kaufinteressenten. Diese haben vielleicht zum x-ten Mal erfolglos an einer Versteigerung für ein potentielles Eigenheim teilgenommen oder haben bei einer Wohnungsbesichtigung wieder mit zahlreichen konkurrierenden Mietern um die Gunst des Vermieters gekämpft.

Investitionen in Proptech-Startups nehmen zu

Im ersten Halbjahr 2016 wurden über 1,8 Milliarden US-Dollar in Proptech-Startups investiert – das sind 85 % mehr als im Vergleichszeitraum 2015. Anfang April 2016 ging auch das bisher größte Investment in der Branche über die Bühne: Die chinesische Online-Plattform Lianjia, auch bekannt unter dem Namen Homelink, erhielt in einer Series B-Runde 926 Millionen US-Dollar. Gemäß CBInsights zu einer Bewertung von rund 6,2 Milliarden US-Dollar, was fast so hoch ist wie Spotifiy (mit 8,5 Milliarden US-Dollar im April 2015) und höher als Stripe (mit 5 Milliarden US-Dollar im April 2015).

Quelle: https://www.cbinsights.com/blog/real-estate-tech-large-startup-funding-deals/

Aber auch SMS Assist, die Immobilien-Verwaltungssoftware aus den USA, hat mit einer Finanzierung in Höhe von 150 Millionen US-Dollar Anfang Juni dieses Jahres und einer Bewertung von über 1 Milliarde US-Dollar den „Unicorn-Status“ erreicht.

Kein Bereich bleibt unberührt

Die Startups findet man in den unterschiedlichsten Bereichen. Hier eine Übersicht von Venture Scanner:

Quelle: https://www.venturescanner.com/blog/real-estate-technology-q2-update

 

Property Management: Technologie, die bei der Verwaltung von Immobilien unterstützt.
Beispiel: Überprüfung von potentiellen Mietern.

Construction Management: Technologie, die beim Bauen neuer Gebäude Support bietet.
Beispiel: Projektmanagement für ein Bauprojekt.

Facility Management: Technologie, die hilfreich ist bei der Bewirtschaftung der Immobilie selbst.
Beispiel: Steigerung und Überwachung der Ökologieeffizienz einer Immobilie.

Portfolio Management: Technologie, die das Investieren in und Verwalten von Immobilien als Vermögenswerte vereinfacht.
Beispiel: Property Crowdfunding Plattform.

Home Services: Technologie, die den Alltag der Mieter einer Immobilie leichter macht.
Beispiel: Einen Reinigungsdienst finden und sich um alle verwaltungstechnischen Aufgaben diesbezüglich kümmern.

Home/Apartment Search: Tools, die helfen, Miet- und Kaufobjekte zu finden.
Beispiel: Online-Plattform für den Kauf und Verkauf von Immobilienobjekten.

Real Estate Agent Tools: Technologie, die es Maklern ermöglicht, noch effizienter zu arbeiten.
Beispiel: Portfolio- und Leadmanagement-Software für Immobilienmakler.

Indoor Mapping: Firmen, die virtuelle Indoor-Modelle von Immobilienobjekten generieren.
Beispiel: Visualisierungssoftware, die einen virtuellen Rundgang erstellt.

IoT Home: Technologie, die das Leben im Objekt angenehmer gestaltet.
Beispiel: Intelligente Glühbirnen, die sich dem jeweiligen Einsatz anpassen.

Erstes Proptech Innovation Lab in Europa

Im Herbst 2014 wurde mit Pi Labs (Property Innovation Labs) in London der erste Proptech Accelerator lanciert. Ein Projekt, das auf einer Partnerschaft zwischen Cushman & Wakefield und Spire Ventures basiert. Der Accelerator wird geführt von Faisal Butt, dem CEO von Spire Ventures.

Die Startups, die an dem 13-wöchigen Programm teilnehmen, werden intensiv von Mentoren begleitet. Eine alte Teppichfabrik im hippen Stadtteil Shoreditch in East London dient als Basis. Die alte Fabrik, die jetzt Second Home heißt, zählt zu den coolsten Locations in London.

Quelle: https://secondhome.io/

Die Bewerbungsfrist für das Pi Labs Winterprogramm läuft noch bis zum 16. September 2016.

Auch für Swiss Life ein Thema

Swiss Life gehört zu den wichtigsten Akteuren auf dem europäischen Immobilienmarkt. Das von Swiss Life REIM (Real Estate Investment Management) in der Schweiz verwaltete Vermögen betrug per Ende Juni 2016 24,2 Milliarden Schweizer Franken. Das Geschäft umfasst folgende Bereiche:

  • nachhaltige Verwaltung von Wohn-, Büro- und Einzelhandelsimmobilien (Vermietung)
  • Planung, Koordination und Durchführung von Sanierungen und Neubauten
  • Erwerb und Entwicklung von Liegenschaften
  • Buchhaltung und Controlling in all diesen Bereichen.

Die Livit AG ist eine Tochtergesellschaft der Swiss Life mit Fokus auf dem operativen Facility Management. Das Unternehmen ist in neun Schweizer Städten vertreten und verwaltet sowohl das Portfolio von Swiss Life als auch Vermögen von Drittkunden. Insgesamt beschäftigen SL REIM (CH) und die Livit AG in der Schweiz über 450 Immobilienexperten.

Weiter ist Swiss Life REIM (France) mit 7,6 Milliarden Euro verwaltetem Vermögen per Ende Juni 2016 in Frankreich eine wichtige Größe. Auch in Deutschland gehört der Konzern mit CORPUS SIREO, einem verwalteten Vermögen von 10,4 Milliarden Euro per Ende Juni 2016 und als eines der zehn größten Maklerhäuser zu den maßgebenden Akteuren der Immobilienbranche.

Auch im Startup-Umfeld aktiv

Das Swiss Life Lab wurde beauftragt, sich intensiv mit dem Thema Proptech zu beschäftigen, Beziehungen zu den neuen Playern aufzubauen und eng mit Proptech-Startups zusammenzuarbeiten. Swiss Life Lab ist zudem Teil des Swiss Innovation Outpost, ein Bündnis Schweizer Unternehmen, das deutschen Startups den Eintritt in den Schweizer Markt ermöglichen möchte.

 

Artikelbild: pexels.com/Binyamin Mellish