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Raspberry Pi erreicht Marke von zwei Millionen Geräten

Ein Computer, so groß wie eine Kreditkarte, erobert die Welt: Zwei Millionen Mal hat sich der Raspberry Pi in weniger als zwei Jahren verkauft. Er soll Kindern wieder Lust aufs Tüfteln machen – und so dafür sorgen, dass es in Zukunft wieder mehr und besser ausgebildete Entwickler geben wird. Tatsächlich aber ist der Raspberry Pi eine viel größere Revolution. Die Maker-Bewegung ist begeistert, entwickelt das Gerät immer weiter – und in Entwicklungsländern hilft er, aus einem Fernseher einen funktionstüchtigen Rechner zu machen. Rund 25 Euro kostet das Basismodell nur.

Hinter der Erfolgsgeschichte steckt Eben Upton, Computerwissenschaftler, 1978 geboren im walisischen Pontypool. Upton ist zehn Jahre alt, als der erste Computer in sein Kinderzimmer kommt. Zunächst setzt sich der Junge nur für Videospiele an den Rechner. Aber er entdeckt bald, dass er mit dem Gerät mehr anstellen kann, dass er die Art, wie es funktioniert, sogar nach seinem Willen verändern kann. Der Schlüssel heißt: Programmieren.

Ende der achtziger Jahre lernt mit Upton eine ganze Generation britischer Schüler die Grundzüge der Informatik am BBC Micro, einem klobigen, robusten Heimcomputer, der in den meisten Schulen des Königreichs installiert ist. Wer sich später für Informatik an einer Uni einschreibt, ist mit dem BBC Micro, einem Amiga oder Commodore aufgewachsen, kann mit Programmiersprachen und Platinen umgehen, weiß, was im Innern der Maschine vor sich geht.

Auch aus Eben Upton wird ein Computerwissenschaftler, er studiert Physik, Ingenieurswissenschaften und Informatik an der Universität Cambridge. Er gründet die Spieleschmiede Ideaworks und arbeitet für IBM, später kehrt er für einen PhD nach Cambridge zurück.

Bewerber für Informatik? Mangelware

2006, am Ende seiner Promotion, betreut Upton das Aufnahmeverfahren für Studienbewerber an seinem Institut. Was er sieht, schockiert ihn: Statt wie in den neunziger Jahren, als sich noch 500 Menschen pro Jahr für Informatik bewarben, kommen nur noch 250 Bewerbungen auf die 80 Plätze. Und die, die sich bewerben, sind in seinen Augen mangelhaft ausgebildet. Sie haben etwas Erfahrung mit Webdesign, beherrschen vielleicht etwas HTML. Aber einen Computer von innen gesehen haben die meisten noch nie.

„Die Computer sind leistungsstark und nutzerfreundlich geworden“, sagt Upton. „In den achtziger Jahren musste man schon ein Programmierer sein, wenn man einen Computer benutzen wollten. Es war schwierig. Heute gibt es Tablets und Computer, die jeder benutzen kann.“ Heißt: Niemand muss mehr ein Hacker sein, um einen Rechner zu benutzen. Keiner muss tüfteln und sich in die Eingeweide der Maschinen vorarbeiten.

Eben Upton fasst einen Entschluss: Er will einen PC bauen, der so billig ist, dass selbst Schüler ihn sich leisten können, der trotzdem leistungsfähig ist und so robust, dass man damit gefahrlos herum experimentieren kann. Eine Art modernen BBC Micro also.

Raspberry Pi soll der Mini-PC heißen. Aber es dauert, bis er und seine Mitstreiter eine Ahnung davon haben, wie das Gerät aussehen kann. Ein Prototyp nach dem anderen wird als zu schwerfällig, zu kompliziert, zu teuer verworfen.

Als der Durchbruch endlich da ist, hat Upton schon längst einen anderen Job, beim kalifornischen Chip-Hersteller Broadcom, und kann sich nur in seiner Freizeit um das Projekt kümmern, für das mittlerweile eine Stiftung gegründet worden ist. 2011 bringt Broadcom einen neuen Chip auf den Markt, klein genug für Smartphones, aber auch groß genug, um eine CPU und einen Grafikprozessor unterzubringen. Upton erkennt: Damit müsste es gehen.

Der Kopf hinter der Hard- und Software des Mini-PCs: Eben Upton.

Im Frühjahr 2012, fünf Jahre, nachdem Eben Upton die ersten Pläne zu Papier gebracht hat, wird das erste Exemplar des Raspberry Pi ausgeliefert. Der sieht allerdings nicht besonders nach Computer aus: Es hat weder Bildschirm noch Tastatur, nicht mal ein Gehäuse. Es ist eine Platine mit einer Handvoll Anschlüsse, die – in der billigsten Version – gerade mal 25 Euro kostet. Und die nicht größer ist als eine Scheckkarte.

Die Kids sollen damit tüfteln, basteln, programmieren lernen. „Das ist einer der leichtesten, schnellsten und billigsten Wege, um Kindern einen engineering spirit einzupflanzen“, sagt Upton. 2012 schätzt er: 1.000 bis 5.000 Stück könnte die Stiftung davon verkaufen, an lernwillige Schüler, an interessierte Eltern.

Upton verschätzt sich ein bisschen.

Nach zwölf Monaten sind eine Million Geräte verkauft. Und in dieser Woche, gut anderthalb Jahre nach dem Verkaufsstart, können die Raspberry-Pi-Leute die Marke von zwei Millionen vermelden. Ihre Stiftung ist eine der am schnellsten wachsenden Computerfirmen der Welt.

Hacker, Maker, Entwicklungsländer

Hinter der Nachfrageexplosion stecken zwei zusätzliche Zielgruppen, mit denen Upton nicht gerechnet hatte: Die eine ist die Hacker- und Maker-Community. Auch die erwachsenen Tüftler begeistern sich für das kleine Ding, entwickeln ständig neue Anwendungsmöglichkeiten. Sie machen den Mini-PC zum Wlan-Drucker oder Router, zu Multimedia- oder Wetterstationen, zu Radiosendern oder Quadrocoptern. MagPi und Rasperry Pi Geek entstehen – Fanzines für einen 25-Euro-Computer.

Die zweite unterschätzte Zielgruppe tut sich in Regionen abseits der entwickelten Länder auf: Die Geräte werden in Brasilien, Russland und in Subsahara-Afrika massiv nachgefragt. In vielen afrikanischen Ländern sind Fernseher weit verbreitet, Computer aber kaum. Der Raspberry Pi kann an ein TV-Gerät angestöpselt werden – und daraus einen funktionsfähigen Computer machen. Eben Upton, der eigentlich nur die Bildung in britischen Schulen verbessern wollte, hat nebenbei einen preiswerten High-Tech-Zugang für Entwicklungsländer geschaffen.

Und was ist mit seinem eigentlich angestrebten Ziel? Sind die Informatik-Bewerber besser ausgebildet?

„Dafür ist es noch etwas zu früh“, sagt Upton. „Aber wir sehen einen Anstieg der Bewerberzahlen für Informatik, letztes Jahr waren es 30 Prozent mehr in Cambridge. Dafür ist der Raspberry Pi sicher nicht allein verantwortlich. Aber wir haben für Lärm gesorgt. Wir haben eine hilfreiche Atmosphäre geschaffen. Und wir hoffen, dass es langfristig einen Unterschied machen wird.“

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