Ist Köln wirklich der Hub des Rheinlandes?

Als Alexander von Frankenberg vor Jahren aus dem Süden Deutschlands nach Bonn zog, war die Bestürzung in seinem Bekanntenkreis groß. Für sie war Bonn gleich Ruhrgebiet – und das voller Staub und Kohle.

Noch immer sei das die häufigste Assoziation mit Nordrhein-Westfalen, glaubt der Geschäftsführer des High-Tech Gründerfonds. Obwohl Bonn gar nicht im Ruhrgebiet liegt und das ganze Bundesland mittlerweile mehr zu bieten hat. Es sei ein Imageproblem, das auch die ansässige Gründerszene belaste, sagt von Frankenberg. Denn: im Gegensatz dazu ist München schick und Berlin hip.

Abgesehen vom Pott gibt es das Rheinland. Viele Industriekonzerne und Medienunternehmen sind hier vertreten. Und: Es gibt große Player wie den Außenwerber Ströer, der zurzeit ein Jungunternehmen nach dem anderen kauft. Laut dem Deutschen Startup Monitor kommen zehn Prozent der an der Studie teilnehmenden Startups aus der Metropolregion Rhein-Ruhr, 15 Prozent sind es in ganz NRW. Damit liegt das Bundesland nur knapp hinter Bayern.

Eine Chance für Startups

Die Präsenz etablierter Unternehmen spiegelt sich in der Startup-Szene im Rheinland wider: viele Startups haben einen B2B-Fokus. Die Nähe zur Industrie – „das ist eine gute Mischung und für Startups eine ganz besondere Chance“, findet von Frankenberg.

Auch Markus Krückemeier, Geschäftsführer des Seed Fonds Aachen, weiß um einen hohen Anteil an B2B-Geschäftsmodellen im Rheinland. Sie beruhten oft auf technischen Innovationen. Denn in der dichtbesiedelten Region gibt es viele Unis, die Ausgründungen hervorbringen. Besonders bekannt: die technische Hochschule RWTH Aachen, eine Talentschmiede.

Der High-Tech-Fokus sei ein Grund für die geringe Bekanntheit der Region, meint Krückemeier: „Endkonsumenten-orientierte Online-Geschäftsmodelle, über die Portale wie Gründerszene präferiert berichten, finden sich hier im Vergleich zu anderen Hotspots weniger.“

Duisburg, Aachen, Wuppertal, Bonn: Zwar sind die vielen großen Städte eine Chance für Startups. Aber gleichzeitig ein Problem. Denn: die Szene ist geographisch zersplittert. „Es ist nicht wie in Berlin oder in München, wo alles zentriert ist“, sagt von Frankenberg.

Regional, aber nicht ter­ri­to­ri­al

Dennoch herrscht weniger Konkurrenzdenken unter den Gründer als beispielsweise in Berlin. „Man versucht eher, sich gegenseitig zu unterstützen“, sagt von Frankenberg. Auch Tim Schumacher, Unternehmer und Gründungsinvestor von Eyeo, weiß: „Die besten Teams sind die, bei denen sich BWLer aus Köln und Ingenieure oder Entwickler aus Aachen zusammentun.“

Aber: Von vielen Seiten ist zu hören, Köln sei der Startup-Hub schlechthin in der Region. Auch Schumacher sieht das so: „Köln ist klar der Dreh- und Angelpunkt der Startup-Szene.“

Aber: in anderen Städten wächst die Szene. Seit September vergangenen Jahres ist der Kölner Co-Working-Space Startplatz dort vertreten. Events wie der monatlich stattfindende Rheinland-Pitch sollen für Netzwerk und Anregung sorgen. Im Rahmen der Düsseldorf Startup-Woche wurde der Factory Campus eröffnet. Also Startup-Spirit vom Feinsten – auch in Düsseldorf?

Es fehlen Gründer

Seriengründer Vidar Andersen sieht das anders. Der Norweger hat die Szene in der Region Köln mitgeprägt, 2012 holte er etwa das Startup Weekend nach Köln. In Düsseldorf, wo er mittlerweile lebt, sieht er noch Entwicklungsbedarf: „Düsseldorf ist heute dort, wo Köln vor drei bis vier Jahren war“, findet er. Die Szene habe sich noch nicht als solche identifiziert und werde zurzeit von „Service Providern“ wie Co-Working-Spaces, Corporates oder Investoren dominiert. Es fehlten die Gründer.

Was auch fehlt, ist der Hype. Mit dem Startup-Rummel à la Berlin können hier die wenigsten etwas anfangen. Es geht bodenständiger zu. „Startups hier vor Ort haben oftmals die Unicorn-Mentalität der Berliner nicht“, sagt Von Frankenberg. Es würden mittelständische Unternehmen gebaut, viele der Gründer gäben sich mit einem Umsatz in einer Höhe von zehn oder 20 Millionen zufrieden. Er sieht es positiv: der Mittelstand sei für den Wirtschaftsstandort Deutschland schon immer das Rückgrat gewesen.

Viel Aufsehen scheint nicht das Ding der Rheinländer zu sein. „Es gibt gute Digitalunternehmen hier, viele davon machen still und leise einen wirklich guten Job“, findet auch Schumacher.

Und wirklich: eine ganze Generation an digitalen Unternehmen ist hier vor Ort jahrelang herangewachsen. Emmas Enkel aus Düsseldorf, Hitmeister oder Parstream aus Köln – alle drei sind bereits vor einigen Jahren gestartet und haben in den vergangenen Monaten Exits an große Konzerne hingelegt. Unternehmen wie Studitemps aus Köln, Navabi aus Aachen oder Trivago aus Düsseldorf (auch nach dem Exit an Expedia) wachsen weiterhin im Stillen.

Hier im Rheinland tickt die Szene anders. „Wird Köln in diesem Jahrhundert größer als Berlin sein, was die Digitalszene angeht?“ fragt Schumacher – und antwortet gleich selbst. „Nein.“ Aber das stört ihn nicht. Niemanden scheint es hier zu stören. Rheinische Gelassenheit eben: Et kütt wie et kütt.

In den kommenden Tagen stellen wir Euch die heißesten Startups aus dem Rheinland vor! Teilt uns gerne Eure Vorschläge und Erfahrungen in den Kommentaren mit. Gründerszene sitzt nun auch in Köln, um vermehrt über Startups in der Region und außerhalb Berlins zu berichten. Meldet Euch bei kim@gruenderszene.de.

Bild: Gettyimages /  JTB Photo