Die Rightmart-Gründer:  Jan F. Strasmann (links), Philipp Harsleben, Dr. Philipp Hammerich und Marco Klock
Die Rightmart-Gründer: Jan F. Strasmann (links), Philipp Harsleben, Dr. Philipp Hammerich und Marco Klock

Ein pikanter Fragebogen des Jobcenters im niedersächsischen Stade schaffte es im vergangenen Oktober in die Schlagzeilen. In dem Formular, das einer schwangeren Hartz-IV-Empfängerin ausgehändigt worden war, sollte diese angeben, mit welchen Männern sie während der „gesetzlichen Empfängniszeit“ Geschlechtsverkehr gehabt habe. Der zuständige Mitarbeiter wollte so offenbar herausfinden, wer der unterhaltspflichtige Kindesvater ist. Die Frau wandte sich mit dem Fragebogen an die Webseite Hartz4widerspruch.de, die Hartz-IV-Bescheide prüft. Die Macher der Seite veröffentlichten das Dokument daraufhin und teilten mit, dass eine solche Abfrage erstens nicht Sache des Jobcenters sei – und sie zweitens Persönlichkeitsrechte verletze. Das Jobcenter Stade zog das Formular anschließend zurück und entschuldigte sich bei der Schwangeren.

Betrieben wird Hartz4widerspruch.de vom Bremer Legaltech Rightmart. Auf der Seite können Nutzer auch weniger skandalträchtige Bescheide prüfen lassen. Verschicken können sie diese etwa per WhatsApp oder E-Mail. Die wichtigsten Informationen daraus werden bei Rightmart zum Teil automatisch, zum Teil händisch erfasst und in ein sogenanntes Workflow-Management-System eingespeist.

Das System führt einen Sachbearbeiter dann anhand eines Frage-Antwort-Gerüsts durch den Bearbeitungsprozess. „Es geht darum, Fehler zu identifizieren, beispielsweise wenn Einkommen aus Nebenjobs falsch angerechnet oder ein erhöhter Strombedarf nicht anerkannt wird“, erklärt Rightmart-COO Marco Klock. Bei fehlerhaften Bescheiden fertigt das System einen individuellen Widerspruch an, den ein menschlicher Bearbeiter noch einmal abgleicht, ergänzt – und schließlich ans Jobcenter schickt. „Der Anwalt wird nur dazu geholt, wenn das unbedingt nötig ist. So wird die Zeit, die er am einzelnen Mandat arbeitet, immer kürzer“, sagt Klock. Im Fehlerfall erhält der Mandant schließlich einen berichtigten Bescheid vom Jobcenter und dadurch beispielsweise mehr Geld.

Rightmart wirbt mit der kostenlosen Prüfung der Bescheide. Behält das Startup Recht, rechnet es die normale Gebühr vom „Verlierer“, in diesem Fall dem Jobcenter, ab. Unterliegt Rightmart, nimmt es vom jeweiligen Amtsgericht die sogenannte Beratungshilfe in Anspruch, die Bürgern mit geringem Einkommen außerhalb eines Gerichtsverfahrens laut dem Beratungshilfegesetz zusteht. Für den Mandanten kostet der Dienst dadurch nichts. Rightmart dagegen verdient in jedem Fall. „Wir beantragen die Hilfe automatisiert, deshalb lohnt es sich für uns“, sagt Klock. Unterm Strich verdiene Rightmart so zwischen 200 und 300 Euro netto pro Mandat. Bei anderen Legaltechs, die wie Flightright, Compensation2go oder Wirkaufendeinenflug etwa auf Fluggastrechte spezialisiert sind, erhält das Startup einen Teil der durchgesetzten Entschädigungssumme.

Fünf bis sieben Prozent der Fälle gingen vor Gericht, erzählt Klock. Diesen Schritt gehe man jedoch nur, wenn es gute Aussichten auf Erfolg gebe. Seit dem Start von Hartz4widerspruch.de im Mai 2016 hat Rightmart nach Angaben von Klock fast 10.000 Widersprüche geprüft, die Erfolgsquote liege bei etwa 40 Prozent.

15 Legaltech-Startups, die den Markt aufmischen

Rightmart wird als Kanzlei von den Rechtsanwälten Jan F. Strasmann und Dr. Philipp Hammerich geführt. Die Mitgründer Klock und Philipp Harsleben stehen zugleich als Geschäftsführer hinter der Legal-Plattform Edicted. Über sie können Anwälte bestimmte Aufgaben, beispielsweise die Recherche und das Schreiben von Schriftsätzen, an andere Juristen auslagern.

Zum Start von Rightmart steckten mehrere Kanzleien einen insgesamt „mittleren sechsstelligen Betrag“ in das Jungunternehmen. Bei einer Crowdfunding-Kampagne sammelte es Ende Januar weitere 400.000 Euro ein. Mit dem Geld soll nun unter anderem eine App entwickelt werden. Bei der Prüfung von Hartz-IV-Bescheiden soll es entgegen anfänglicher Ankündigungen der Gründer aber vorerst bleiben, wie Klock klarstellt: „Wir hatten zu Beginn vor, viel schneller viel mehr Produkte zu starten, haben uns dann aber dazu entschieden, erstmal das weiter zu skalieren, was wir angefangen haben. Das allein ist schon ein riesiger Markt.“

Bild: Rightmart