rocket internet 2014 analyse

Die Rocket-Wette: Einsatz erhöht

Es war ihr Jahr: Marc, Oliver und Alexander Samwer und ihre Firmenfabrik Rocket Internet kamen 2014 gar nicht mehr aus den Schlagzeilen. Anders als in den Jahren zuvor widmete sich nicht nur die Startup-Fachpresse den drei Brüdern, nein: Spiegel, Süddeutsche oder ZDF berichteten mit erstaunlicher Schlagzahl über das Wirken und die Pläne von Rocket Internet.

Das lag – natürlich – an den zwei Börsengängen, einmal von Zalando, dem Vorzeige-Unternehmen aus dem Rocket-Universum, und einmal dem IPO des Inkubators selbst. Mehr Öffentlichkeit hieß dabei nicht nur gute Presse für Rocket: Die Mainstream-Medien zeichneten ein überwiegend kritisches Bild des Brüdertrios, das Manager Magazin schrieb in einer Titelgeschichte, es sei eine „spektakuläre Sturzgeburt, die die Samwers hier forcieren“, das ZDF-Format Frontal 21 brachte mit „Die große Samwer Show – Die Milliardengeschäfte der Zalando-Boys“ einen überwiegend als einseitig und klischeebehaftet wahrgenommenen Film heraus.

Es ist legitim, sich auch 2014 noch mit dem Copy-Paste-Funktionsprinzip von Rocket Internet kritisch auseinanderzusetzen. Die eigentliche Samwer-Story war dieses Jahr dennoch eine andere: Sie handelt davon, wie die Firmenfabrik in neue Branchen vorstieß, das Tempo massiv erhöhte, noch mehr Geld von noch wichtigeren Playern einsammelte und mit den zwei IPOs den Einsatz für die E-Commerce-Wette noch einmal gewaltig erhöhte.

Im Frühjahr wirkte 2014 noch wie ein normales Rocket-Jahr: Mit Zencap startet nach Lendico eine weitere Kreditvermittlung – erwartbar, schließlich ist Fintech eine der Boombranchen des Jahres. Die Vermittlung haushaltsnaher Dienstleistungen ist im Silicon Valley ebenfalls als Wachstumsfeld erkannt worden – also zieht Rocket nach, mit Helpling, dem nach eigenen Angaben schnellstwachsenden Rocket-Venture aller Zeiten. Weiter geht es mit dem Safestorage-Startup SpaceWays, dem Gourmet-Lieferdienst EatFirst, dem Same-Day-Delivery-Startup ShopWings oder dem Waschservice ZipJet.

G Tipp – Lesenswert bei Gründerszene Samwer-IPOs: Ha, Bauchklatscher! Oder vielleicht doch nicht?

Dann aber werden die Börsenpläne für den Herbst bekannt: Weil Investoren wie Kinnevik Druck machen und der IPO noch vor dem Platzen der Tech-Blase gelingen soll, wie etwa das Manager Magazin mutmaßt; weil Rocket das Tempo anziehen will und dafür frisches Geld braucht, wie der Inkubator selbst angibt.

Die Frage, ob die Rocket-Wette Gewinn verspricht, stellen sich nun auch Analysten und Anleger. Große Investoren scheinen daran jedenfalls weiter zu glauben – im August stecken der philippinische Telco PLDT sowie der deutsche Web-Riese United Internet je 333 Millionen Euro in den Inkubator.

Anfang Oktober geht Rocket schließlich an die Börse, es ist der größte deutsche Börsengang des Jahres, der viertgrößte in Europa. 1,6 Milliarden Euro sammelt der Inkubator ein, mit 6,7 Milliarden ist das Unternehmen mehr wert als die Lufthansa. Das irritiert manche Beobachter – und erst recht, dass die Aktie nach der Erstnotiz von 42,50 Euro erst einmal kräftig einbricht.

Doch das Papier fängt sich, spätestens als Anfang November Kaufempfehlungen für die Aktie ausgesprochen werden – unter anderem von Goldman Sachs, einer der Konsortialbanken des Zalando-IPOs. Das hat ein gewisses Gschmäckle, aber es wirkt: Die Aktie rauscht zeitweise auf über 56 Euro.

Das Vertrauen der Anleger scheinen die Samwer-Brüder also schlussendlich erst einmal gewonnen zu haben. Dass sich die Unternehmensberatung Roland Berger für das Vorhaben eines „Super-Inkubator“ mit Rocket Internet zusammentun wird, ist für die Firmenfabrik nur ein weiterer Vertrauensbeweis aus der deutschen Wirtschaftselite.

Und trotzdem, die kritischen Stimmen bleiben, und sie bleiben in Teilen berechtigt. Ein Beispiel: Mitte Dezember bekommt das Rocket-Venture Home24 knapp 16 Millionen Euro frisches Kapital, zehn Millionen davon steuert der Inkubator bei – und im Zuge dieser vergleichsweise bescheidenen Finanzierungsrunde hebt Rocket die Post-Money-Bewertung des Möbelversands auf astronomische 815 Millionen Euro, der Rocket-Anteil ist damit auf einmal über 400 Millionen Euro wert, weil auch der Rest der Beteiligung zu den Konditionen der aktuellen Kapitalerhöhung aufgewertet wird. „Ein wundersamer Bewertungseffekt in der Bilanz“, spottet etwa das Börsenportal der ARD, das ganze klinge „wie die Geschichte vom Dukatenesel“.

Ob Rocket wirklich Geld kacken kann, dürfte sich schon bald zeigen: Können die Rocket-Unternehmen ihre Bewertungen einlösen? Geht die Samwer-Wette auf? Das sind Fragen für die Zukunft. 2015 wird zunächst noch ein anderer Aspekt wichtig sein: Ob es dem Inkubator gelingt, das Tempo von 2014 beizubehalten.

Weitere Startup-Trends des Jahres 2014 finden sich in der folgenden Übersicht.

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