Seit mehreren Monaten befindet Rocket Internet sich in einer gigantischen E-Commerce-Offensive – Oliver Samwer scheint seinen Inkubator zu einem globalen Konzern ausbauen zu wollen, der es mit den ganz Großen der Branche aufnehmen kann. Hierfür braucht der Unternehmer des Jahrzehnts natürlich ständig junge und vor allem hungrige Führungskräfte, die er nicht nur aus Unternehmensberatungen und Banken sondern auch direkt an Elite-Universitäten rekrutiert. Aus einem Dokument der Harvard Business School (PDF) wird erstmals deutlich, welche Zielregionen Oliver Samwer besonders antreibt und wie er seinen Inkubator im Ausland darstellt.

Harvard

140 Ventures gegründet, jedes Vierte verkauft?

In einem scheinbar internen Dokument lud die Universität Harvard ihre Senior Graduates vergangene Woche zur Rocket Internet Recruiting Session ein. Im Dokument legt der Samwer-Inkubator seine Wachstumsregionen offen und beziffert die bisher gegründeten Ventures. Die Berliner bezeichnen sich sehr selbstbewusst als „largest non-US internet company incubator platform in the world“ und geben als Arbeitsfokus E-Commerce-Unternehmen mit einer Startfinanzierung von mindestens fünf Millionen US-Dollar an.

Um die Harvard-Studenten endgültig zu überzeugen, führt Rocket Internet weitere harte Zahlen ins Feld: Laut Ausschreibung sollen die Samwers in den letzten zwölf Jahren über 140 Internetunternehmen gegründet haben, wovon sie angeblich wiederum über 35 erfolgreich an Unternehmen wie Ebay, Verisign und Groupon verkauft haben – Somit hätten die drei Jungs aus Köln jedes vierte Venture erfolgreich an den Mann gebracht. Von dem unbestreitlich beeindruckenen Track-Record der vergangenen Dekade abgesehen, bleibt fraglich, was in dieser Rechnung als Unternehmen zählt und was nicht. Gilt schon jede neue nationale Entität einer Website als neues Unternehmen, zählen die tatsächlich eingetragenen Firmen samt Holdings oder bezieht sich der Wert auf abgrenzbare Marken?

Rocket Internet wächst bis nach Nigeria

Beim weltweiten Recruitingstreifzug scheint Rocket seine internationalen Aktivitäten in fünf Zielregionen am intensivsten zu verstärken: Erst vor kurzem berichtete Gründerszenene über neue Rocket-Firmen in Südostasien sowie über weiteren E-Commerce-Zuwachs  in MENA und der Türkei. Als dritte Zielregion ist auch LATAM (Lateinamerika) keine Neuheit mehr. Von Brasilien aus ist Rocket hier mit mehreren E-Commerce-Lösungen unterwegs, beispielsweise dem Schuh- und Kleidungsshop Dafiti (www.dafiti.com.br).

In den vergangenen Jahren wartete die Startupszene gespannt, nun ist es soweit: Nachdem die Samwers bereits oft als Investoren in den Staaten aktiv wurden, mischt sich nun auch deren Inkubator im US-Markt ein – Rocket sucht Verstärkung für die USA und Kanada. Als erstes Rocket-Venture wagte vor kurzem Petitebox den Sprung in die Staaten.

Schön länger halten sich zudem Gerüchte über einen afrikanischen Arm, bisher hat aber nur Glossybox einen mehr oder weniger erfolgreichen Ableger in Kapstadt eingerichtet. Für die Region „Sub-Saharan-Africa“ rekrutiert Rocket jedoch nun aktiv und zwar nicht nur für Südafrika sondern auch für Nigeria. Der bevölkerungsreichste Staat Afrikas (+150 Mio.) ist bisher kaum von Onlinemodellen erschlossen worden und scheint zur Zeit lediglich für Mobile-Geschäftskonzepte interessant – bisher nicht unbedingt ein Steckenpferd der Samwer-Brüder.

Bildmaterial: Patricia Drury / Flickr