Im Streit um mögliche Datenschutzverstöße bei Facebook könnte es heute einen Schritt voran gehen: Das Landgericht Wien entscheidet, ob es für die bisher größte Datenschutz-Sammelklage Europas zuständig ist. In diesem Fall könnte der Musterprozess weitreichende Folgen für den US-Konzern haben.

Update, 2. Juli 2015: Die Klage von Max Schrems wurde vom Wiener Landgericht abgewiesen, wie gestern bekannt wurde. Das Gericht erklärte sich für nicht zuständig, da der Kläger kein Verbraucher sei und nur die dürften in ihrer Heimat klagen. Schrems nutze aber das internationale Interesse der Medien an seinem Vorgehen gegen Facebook nun auch beruflich, hieß es. Demnach müsse er bei einem irischen Gericht klagen, da Facebook dort seinen europäischen Hauptsitz habe.

Worum geht es bei der Klage überhaupt?

Facebook werden zahlreiche Datenschutzverletzungen vorgeworfen, unter anderem ungültige Datenschutzbestimmungen, unrechtmäßiges Sammeln und Weitergeben von Daten, Ausspähen des Surfverhaltens der Nutzer sowie die Teilnahme am NSA-Überwachungsprogramm Prism. Gefordert wird ein Schadenersatz von 500 Euro pro Kläger.

Was ist der Hintergrund?

Der Datenschutz-Aktivist und Jungjurist Max Schrems hatte im Jahr 2011 Facebook um die Herausgabe der über ihn vorliegenden Daten gebeten. Mit einiger Verzögerung erhielt er ein 1.222 DIN-A4-Seiten umfassendes Dokument – inklusive vieler von ihm gelöschter Informationen. Daraufhin hatte Schrems Beschwerde gegen die irischen Datenschutzbehörden eingereicht, die für Facebook zuständig sind, da das US-Unternehmen dort seinen europäischen Sitz hat. Da eine Reaktion ausblieb, zog Schrems seine Beschwerde 2014 zurück und zog stattdessen in Wien vor Gericht. In einem anderen Verfahren verhandelt der Europäische Gerichtshof über eine Klage Schrems‘, auch dort geht es um die Frage, inwieweit sich europäische Töchterfirmen von US-Internetfirmen an EU-Datenschutzregeln halten müssen. Ein Urteil wird erst in einigen Monaten erwartet.

Wer klagt außer Max Schrems gegen Facebook?

In Österreich gibt es eigentlich keine Sammelklagen. Allerdings haben 25.000 Facebook-Nutzer, unter anderem auch aus Deutschland, ihre etwaigen Schadenersatzansprüche an Schrems abgetreten, der als Kläger nun ihre Interessen vertritt. Weitere 60.000 haben sich darüber hinaus über Fbclaim.com bereits registriert, um sich gegebenenfalls der Klage anschließen zu können. Das Verfahren bleibt im juristischen Sinne ein Zweiparteienverfahren – wirtschaftlich wird eine „Sammelklage“ bewirkt.

An wen richtet sich die Klage?

Die Beklagte ist die Facebook Ireland Ltd mit Sitz in Dublin, eine Tochterfirma des US-Konzerns, die das soziale Netzwerk international anbietet – ausgenommen sind nur die USA und Kanada. Europäische Nutzer haben daher einen Vertrag mit der Facebook Ireland Ltd.

Weshalb wird vor einem Wiener Gericht geklagt?

Nach EU-Recht ist der Gerichtsort bei Verbraucherschutzangelegenheiten die Heimat des Klägers – im Fall von Max Schrems ist das Wien. Facebook ist der Ansicht, das Gericht in Wien dürfe über die Klage gar nicht verhandeln, da es nicht zuständig sei. Kläger Max Schrems meint dazu in einer offiziellen Stellungnahme: „Das Vorbringen von Facebook ist ein großartiges Unterhaltungsprogramm für jeden Juristen. Teilweise wird leider auch mit etwas skurrilen Unterstellungen gearbeitet. Ich sehe diese Argumente derzeit aber eher als Akt der Verzweiflung, den man nicht ernst nehmen kann. Wenn Facebook rechtlich sinnvolle Argumente hätte, dann müsste man sich diese Ochsentour nicht antun.“

Was passiert, wenn die Klage Erfolg hat?

Falls das Wiener Gericht der Klage statt gibt und Facebook zu entsprechenden Zahlungen – in Höhe von circa 12,5 Millionen Euro – verurteilt, gehen alle erstrittenen Gelder nach Abzug der Kosten an die Teilnehmer der „Sammelklage“. Da die Klage aber vor allem Grundsätzliches zum Thema Daten und Datenschutz behandelt, hätte sie nicht nur finanzielle Auswirkungen auf den US-Konzern. Vielmehr müssten Facebook und auch weitere US-Unternehmen wie Google oder Amazon ihre Geschäftspraktiken den europäischen Datenschutzrichtlinien anpassen.

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