juergen marx scanovis
juergen marx scanovis Jürgen Marx ist der Gründer von Scanovis

Bis ein Fingerabdruck vom Tatort mit dem eines Verdächtigen abgeglichen ist, vergeht viel Zeit. Mit dem Gerät von Jürgen Marx soll das deutlich schneller gehen. Der Gründer entwickelt ein Laser-Messgerät, das die Spuren berührungslos einscannt und an die Polizei oder das BKA sendet.

Marx ist 54 Jahre alt und Geschäftsführer der Scanovis GmbH aus Koblenz. Er arbeitete fast sein gesamtes Leben im Bereich der Messtechnik, zuerst in der Industrie für den Süßigkeitenhersteller Mars, ab 2005 dann als Selbstständiger mit verschiedenen Firmen. Für Scanovis sucht er derzeit auf der Beteiligungsplattform FunderNation nach Kapital. Bisher sind hierüber 127.000 Euro von verschiedenen Kleininvestoren zusammen gekommen. Der Gründer im Gespräch.

Jürgen, wie erkennt Dein Gerät Fingerabdrücke?

Ich vergleiche es gerne mit einem Digitalbild: Wenn man dort hineinzoomt, sieht man die farbigen Pixel, aus denen das Bild besteht. Wir scannen mit einem Laser Millionen kleiner Punkte und bekommen die Position des Pixels angezeigt und zusätzlich die Information, ob dort auch Fingerspurenfett ist.

Und woher weiß der Laser, ob sich an einem Pixel Fingerspurenfett befindet?

Wir machen eine Laserspektroskopie und schauen auf eine bestimmte Substanz, die in jedem Fingerspurenfett vorhanden ist. Bei einem Spektrometer werden feinste Substanzen auf ihr Schwingverhalten analysiert. Würde man Kokain analysieren, dann könnte man nicht nur feststellen, dass es sich um Kokain handelt, sondern auch, ob es aus Kolumbien oder Afghanistan kommt, weil es andere pflanzliche Zusammensetzung hat. Man kann Substanzen also sehr genau analysieren.

Wie werden Fingerabdrücke normalerweise analysiert?

Das kommt auf die Art des Verbrechens an. Bei einem Einbruch werden Fingerspuren normalerweise nur eingepinselt, mit Klebestreifen entnommen auf eine Spurensicherungskarte geklebt und beim Präsidium eingescannt und mit Verdächtigen verglichen.

Und wenn es keine Verdächtigen gibt?

Dann wird die Spur ans BKA versendet und mit der Fingerabdruck-Datenbank AFIS abgeglichen. In dieser Datenbank sind mehrere Millionen Fingerabdrücke abgelegt. Werden dort Vergleichsabdrücke gefunden, die zu circa 95 Prozent mit der gesicherten Spur identisch sind, dann werden diese Vergleichsspuren von einem daktyloskopischen Sachverständigen visuell verglichen.

Und Dein Gerät soll direkt am Tatort zum Einsatz kommen?

Wir wollen unser Laborgerät als Handgerät verkleinern. Ich sehe die Möglichkeit, mit diesem Handscanner in zwei bis drei Jahren an einem Tatort einen Fingerabdruck direkt zu scannen, nach einer Sekunde einen Fingerabdruck zu haben und per Klick drahtlos ans Präsidium oder die BKA-Datenbank zu schicken, um noch am Tatort die Möglichkeit zu bekommen, einen möglichen Täter zu benennen und verfolgen zu können.

Deine Daten sind hochaufgelöst und dreidimensional. Hat das einen Vorteil?

Fingerspuren werden heute nur zweidimensional gesichert und ausgewertet. Durch die dreidimensionale Darstellung eröffnen sich weitere Auswertungsmöglichkeiten, deren Tragweite man heute noch nicht beschreiben kann.

Aber was wäre denkbar?

Stellen wir uns einen Tatort vor, bei dem ein Tisch untersucht wird. Auf dem sind normalerweise unzählige Fingerabdrücke. Ein Großteil davon ist nicht verwertbar, weil es sich zum Beispiel um Teilabdrücke handelt. Mit unserer Detailgenauigkeit wären möglicherweise auch diese verwertbar. Es wäre weiterhin denkbar, überlagernde Abdrücke zu scannen und digital auseinander zu ziehen.

Das ist aber noch Zukunftsmusik?

Ja, dafür brauchen wir erst Messergebnisse in großer Zahl. Unsere Vorteile liegen daher vor allem auf dem berührungslosen Verfahren, bei dem wir keine Chemikalien und physikalischen Hilfsmittel einsetzen, die möglicherweise das Ergebnis verfälschen.

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Wie kamst Du überhaupt auf die Idee, Fingerabdrücke mit Lasern zu erkennen?

Nach meiner Zeit bei Mars habe ich zwei Messgeräte entwickelt und 2007 gemeinsam mit dem BKA eine Studie durchgeführt, inwieweit unsere Labortechnologie in der Forsenik einsetzbar ist. Das konnte aber so nicht zur Anwendung gebracht werden. Die Erkenntnisse aus der Studie habe ich dann zu einer Lasermesstechnologie weiterentwickelt, die wir 2014 zum Patent angemeldet haben. Später konnten wir mit der Kahmann Familienstiftung einen Investor finden, der uns das Startkapital zur Verfügung gestellt hat, um den ersten Laser-Prototyp zu bauen. Diesen Prototyp haben wir Ende 2016 bei einem BKA-Symposium den Spezialisten vorgestellt. Das ist auf positive Resonanz gestoßen.

Einen ersten Versuch, Fingerabdrücke zu scannen, hattest Du bereits mit Deinem vorherigen Unternehmen Eviscan, das pleite ging und heute unter dem Namen German Eforensics weiter macht. Warum hat es damals nicht geklappt?

Der Grund hierfür ist, dass es Differenzen im Management-Team gab. Ziele und Vereinbarungen gemäß der Milestones wurden seitens einzelner Teammitglieder leider nicht erreicht, was für mich sehr enttäuschend war. Jetzt versucht man auf Basis der Kameratechnologie weiterzumachen – was meiner Meinung nach problematisch ist.

Warum?

Die Kamera-Technik hat signifikante Nachteile gegenüber einem Laserscanverfahren. Sie ist nicht schnell genug, sie kann nur zweidimensional abbilden – und der wichtigste Punkt ist, dass wir günstiger sind. Zudem können wir durch den Laser das Gerät sehr klein machen.

Welchen Weg musst Du gehen, damit Dein Gerät tatsächlich von der Polizei verwendet wird?

Es gibt unterschiedliche Wege. Wir arbeiten unter anderem mit dem BKA zusammen. Sie werden in einen Feldversuch einsteigen. Eine andere Möglichkeit ist es, dem LKA Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz einen Prototyp zur Verfügung zu stellen, damit sie selbst Tests durchführen können. Eine weitere Möglichkeit ist es, von der wissenschaftlichen Seite heranzugehen. Das werden wir über das kriminaltechnische Institut des BKA machen und arbeiten mit ausländischen forensischen Spezialisten zusammen.

Es gibt also noch keine festen Zusagen, wann das Produkt zu kaufen ist?

Nein, gibt es nicht. Die Polizei ordert neue Technologie erst nach der Evaluierungsphase. Das ganze wird dann begutachtet, den Gremien vorgestellt und geht dann in den Beschaffungskreislauf ein. Es wäre aber möglich, die Geräte zu leasen und sie dann für einen bestimmten Zeitraum in der Praxis zu testen.

Wann glaubst Du wird das Gerät das erste Mal im Einsatz sein?

Der früheste Zeitpunkt ist Ende dieses Jahres. Wir planen aber eher mit dem ersten Quartal 2018 und wollen ab diesem Sommer in die Evaluierungsphase gehen.

Wie wird das Geschäftsmodell aussehen?

Das Modell beruht hauptsächlich darauf, Geräte herzustellen und zum Einzelpreis zu verkaufen oder zu vermieten. Noch interessanter könnte sein, die Dienstleistung selbst anzubieten, also ein Labor aufzubauen, Asservate schicken zu lassen und innerhalb kürzester Zeit diese zu scannen.

Der letzte Ansatz ist wahrscheinlich der spannendste, weil es da um das meiste Geld geht?

Wahrscheinlich ist das viel lukrativer, ja. Und für die Polizei ist das hochinteressant, das BKA steht dem offen gegenüber, denn im Bereich der DNS-Sequenzierung machen sie das heute schon. Die englische und französische Polizei verfolgt das Modell sehr viel konsequenter.

Ihr sammelt gerade Geld auf FunderNation. Warum habt Ihr Euch für die Plattform entschieden, die beispielsweise mit Trainerstar von Lothar Matthäus einen Funding-Flop hinlegte?

Der Grund ist ganz einfach: Zwar haben wir uns auch bei Seedmatch und Companisto beworben, aber FunderNation hat hier einfach schneller reagiert und wir wollten möglichst schnell starten. Auch wir haben uns über alle Plattformen im Vorhinein informiert und jede Plattform hat mal den ein oder anderen Flop gehabt. Aber FunderNation hatte auch Erfolge vorzuweisen. Des Weiteren haben sie sich im Laufe der Kampagne bewiesen und sehr ins Zeug gelegt. Ausschlaggebend für unsere Entscheidung war zudem die regionale Nähe.

Vielen Dank für das Gespräch, Jürgen!

Bild: Scanovis