Scapegoat-Gründer
Scapegoat-Gründer Sehen sich als „Friedensdienstleister mit Baseballschläger“: die Scapegoat-Gründer Sönke Schwark (links) und Michel Schreier

Auf den ersten Blick sieht das Gestell aus wie die Futterkrippe aus der Weihnachtsgeschichte. Doch statt kratzigem Stroh und Jesuskind steckt ein Autoreifen drin. Auch ein Baseballschläger ist zu sehen. Und natürlich die stolzen Eltern der Apparatur, Michel Schreier und Sönke Schwark. Mit ihrer Kautschuk-auf-Holz-Installation wollen sie – und das wäre ja ganz im Sinne der Weihnachtsgeschichte – Frieden in deutsche Büros bringen.

Der sogenannte Scapegoat (englisch: Sündenbock, Prügelknabe) braucht weder Strom noch Updates. Für Startups könnte er trotzdem interessant sein – als Büro-Gadget. Denn trotz aller Gründer-Euphorie kann bei haufenweise unbezahlten Überstunden und Wochenendarbeit schon mal Frust aufkommen, den es irgendwie abzubauen gilt. Am Scapegoat sollen sich Bürohengste abreagieren – indem sie mit dem Baseballschläger auf den Autoreifen eindreschen. „Balance und Energie auf einen Schlag“, werben die Gründer.

Das sieht dann in etwa so aus:

„Wer Scapegoat in sein Unternehmen integriert, schafft Raum zum Druckausgleich“, erklärt Mitgründer Michel Schreier, der auch als Werbetexter arbeitet. „Denn nicht alle Projekte laufen rund, nicht immer herrscht Einigkeit im Team. Unser Ziel ist ein friedliches Miteinander.“

Schreier hat einige Jahre geboxt, nun macht er Yoga. Das Thema Stressbewältigung wollte er endlich unternehmenstauglich machen: „Es gibt in der Box-Szene ein recht brachiales Tool zum kostengünstigen, aber effizienten Training der Schlagkraft. Da haut man mit einem Vorschlaghammer auf einen LKW-Reifen. Das war unsere Inspiration.“

Sein Partner Sönke Schwark ist freier Kameramann, aber auch ausgebildeter Tischler. Von ihm stammt der Entwurf zum hölzernen Prügelknaben. Dieser soll besonders stabil und standfest sein. Auch dank seines stattlichen Gewichts von 38 Kilogramm.

Ihren Berufen gehen die Gründer weiterhin nach. Denn vom Verkauf ihrer Geräte könnten sie noch nicht leben, erzählt Schreier. „In den Köpfen mancher Leute ist noch eine Hemmschwelle, sich zu ihren Anspannungen am Arbeitsplatz zu bekennen“, sagt er. Deshalb sei geplant, im ersten Halbjahr 2016 mit einem mobilen Showroom durch Deutschland zu touren, Firmen anzusteuern und Mitarbeiter in der Mittagspause den Scapegoat testen zu lassen.

Das Design ihrer Konstruktion bezeichnet das Gründer-Duo als „zeitlos“. Weil sie nicht erst im Boden verankert werden müsse, könne sie „überall platziert und einfach bedient werden“. Und so auch während Team-Besprechungen oder Brainstorming-Sessions zum Einsatz kommen. Konkrete Abverkaufszahlen nennt Schreier nicht, man sei aber „zufrieden“ mit der bisherigen Nachfrage.

Gefertigt wird der Scapegoat in Hamburg – in Handarbeit von Mitgründer Schwark. Bei steigender Nachfrage könne ein Teil der Produktion an lokale Tischlereien ausgelagert werden, heißt es. Knapp 700 Euro kostet das komplette Fabrikat momentan. Analoge Updates (zusätzliche Baseballschläger) schlagen mit knapp 25 Euro zu Buche.

Nun könnte man seinen Mitarbeitern natürlich auch anbieten, anderweitig Entspannung zu suchen. Das geht etwa über Meditations-Apps wie 7Mind oder Headspace aus den USA. Mit idyllischen Landschaftsaufnahmen und Natur-Geräuschen soll Calm Stress abbauen. Wer aber selbst mit Baseballschläger in der Hand und Smartphone-Geplätscher im Ohr nicht mehr entspannen kann, der sollte vielleicht einfach mal eine Pause machen. Oder nach Hause gehen. Auch das ist sehr heilsam. Versprochen.

Bild: Oliver Schwarzwald