Constantin
Constantin Seibt war lange beim Tages-Anzeiger in der Schweiz. Jetzt arbeitet er für das Projekt R. 2018 soll es losgehen.

Die Latte liegt hoch beim Schweizer Medienprojekt Projekt R. Aber die erste Etappe ist geschafft. Ganz locker sogar. Beim Crowdfunding hat das Team um den Journalisten Constantin Seibt sogar Weltrekord im Crowdfunding für Medienprojekte gebrochen. 3.000 Abonnenten wollte man gewinnen, um 750.000 Schweizer Franken zusammenzubringen. Das Online-Magazin soll Republik heißen und es hat einen hehren Anspruch. „Es geht uns auch um die Institution des Journalismus: um eine gesunde Presse als manchmal verspielten, aber trotzdem unverzichtbaren Wachhund der Demokratie“, schreiben die Macher auf ihrer Website.

Tatsächlich lief es besser und schneller als erwartet. Gestern wurde der Weltrekord gebrochen: Republik ist das grösste Medien-Crowdfunding der Welt. Die Bestleistung lag bisher beim holländischen Vorbild De Correspondent mit 1,7 Millionen US-Dollar. Republik lag gestern bei 1.844.000 Franken. Am ersten Tag. Am Freitagnachmittag waren es bereits über zwei Millionen Franken von über 8.500 Unterstützern. 

Unabhängig von großen Verlagen

Das Crowdfunding dient auch als Markttest für größere Investoren, die noch einmal 3,5 Millionen Franken zugesagt hatten, wenn die Marke von 3.000 Crowdfundern erreicht würde. Der Markt scheint mehr als bereit zu sein, das zugesagte Geld wird fließen. Und es geht ja noch 33 Tage weiter.

Republik soll ein neues, von großen Verlagen unabhängiges Portal für Journalismus werden. In ihrem Manifest schreiben die Mitarbeiter, dass sie den Journalismus als gefährdet empfinden. Große Verlagshäuser würden sich mehr und mehr vom Journalismus verabschieden. Neue Geschäftsmodelle seien nicht in Sicht. In der Schweiz würde die Politik direkten Einfluss auf Inhalte nehmen. Auf Anzeigen soll verzichtet werden, man will von den Vertriebserlösen durch die Abonnenten leben. 

„Großzügigkeit im Herzen“

Das kleine Team mit nur elf Mitarbeitern ist sehr ehrgeizig und schreibt: „Wir müssen die grösseren Redaktionen bei großen Themen regelmäßig überflügeln. Unsere publizistische David-gegen-Goliath-Strategie, in äußerster Kurzform, hat die Formel: Fokus! Fokus! Weitwinkel! Der Weitwinkel wird darin bestehen, dass wir alles, was wir machen, groß machen. Es braucht Weite im Blick, Weite in der Recherche, Großzügigkeit in der Aufmachung. Und nicht zuletzt braucht es Großzügigkeit im Herzen.“

Die Kollegen aus der Medien-Branche lesen solche großspurigen Ankündigungen sicherlich mit gemischten Gefühlen. Wird ihre Arbeit doch implizit als dringend verbesserungswürdig hingestellt – mit Sätzen wie: „Es ist Zeit für Journalismus ohne Bullshit.“ Auch der Verweis darauf, dass Verlage ihr Geld inzwischen ihr Geld mit Anzeigenverkäufen im Internet verdienen und sich vom Journalismus verabschiedet haben, ist diskutabel.

Inzwischen ist Demut eingekehrt

Republik schreibt weiter: „Wir sind eine kleine Rebellion. Für den Journalismus. Und gegen die Medienkonzerne. Denn die großen Verlage verlassen die Publizistik: Sie bauen sich in hohem Tempo in Internet-Handelshäuser um.“ Ein seltsames Argument. Verlage haben auch in analogen Zeiten vom Anzeigenverkauf gelebt. Aber dass viele Zeitungen heute unter gewaltigem Druck stehen, ist natürlich richtig. 

Beim ähnlich gelagerten Projekt Krautreporter aus Deutschland ist inzwischen eine leichte Ernüchterung eingetreten. Aus deren Fehlern will Constantin Seibt lernen, und er klingt im Angesicht des schnellen Erfolges seines Projektes etwas demütiger. Gegenüber der Zeit sagte er: „Wir verkaufen den Menschen momentan hektoliterweise Hoffnung und müssen sie dann über Jahre in kleinen Fläschchen zurückstottern. Verflucht, einfach wird das alles nicht.“ Wenn 22.000 Abonnenten an Bord sind, soll sich Republik finanziell tragen. Das wäre dann die dritte Etappe.

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