Ein Beitrag von Torben Lux, Redakteur bei OnlineMarketingRockstars.de.

Mit maxi­mal zehn Stun­den Arbeit pro Woche bis zu 50.000 Dol­lar im Monat ver­die­nen und ein Leben im Luxus füh­ren – was für die meis­ten nach einem küh­nen Traum klin­gen mag, war für Jeff Deutsch lange gelebte Rea­li­tät. Von 2009 an ver­diente der US-Amerikaner mit einem selbst­ge­bau­ten SEO-Tool, was durch aggres­si­ves Link­buil­ding schein­bar sehr zuver­läs­sig Web­sites auf die erste Seite von Googles Such­er­geb­nis­liste pus­hen konnte, von China aus Mil­lio­nen – bis Google Spamming rigo­ros ein­dämmte. Nun hat Deutsch in einem viel beach­te­ten Blog­ein­trag beschrie­ben, für wel­che obsku­ren Aus­schwei­fun­gen und Exzesse die SEO-Millionäre in der dama­li­gen Zeit ihren plötz­li­chen Reich­tum ver­schwen­de­ten.

Eigent­lich habe er diese Tätig­keit ja gar nicht aus­üben wol­len, aber durch die Ableh­nung sei­ner Bewer­bung beim Webspam-Team 2010 hätte Google ihn quasi dazu gezwun­gen, schreibt Deutsch auf inbound.org, einem bekann­ten Por­tal zu Marketing-Themen. Gemeint ist damit seine Arbeit als Black-Hat-SEO, also das Umge­hen von vor allem Googles Richt­li­nien, um höhere Ran­kings für Web­sites zu erzie­len. Zu die­sem Zweck hat­ten Deutsch und sein Part­ner eine Soft­ware pro­gram­miert, die für Kun­den auto­ma­tisch tau­sende Back­links auf Sei­ten in Foren­netz­wer­ken plat­ziert.

Back­links waren und sind ein wich­ti­ger Indi­ka­tor, um im Ran­king von Googles Such­er­geb­nis­liste zu stei­gen. Der Han­del und alle nicht auf natür­li­chem Wege erhal­te­nen Links ver­sto­ßen jedoch gegen Googles Richt­li­nien. Die Soft­ware namens „ALN ser­vice“ lie­ßen er und sein Part­ner sich natür­lich gut bezah­len: Etwa 150.000 US-Dollar setzte der Ver­kauf des Tools pro Monat um. Bei einer Gewinn­marge von 70 bis 80 Pro­zent für zwei Per­so­nen eine recht ansehn­li­che Summe.

 

Beispiele für von "ALN service" automatisiert erstellte Texte.

Mit nur fünf Minu­ten Arbeits­auf­wand auf die erste Seite in Googles Suchergebnisliste

Der Name des Tools lei­tet sich vom Aut­ho­rity Link Net­work (ALN) ab, was bis etwa 2012 eines der größ­ten Lin­k­netz­werke der Welt war und von Deutsch und sei­nem Part­ner auch für ihren Boost-Service genutzt wurde. „Es funk­tio­nierte ein­fach immer. Egal ob mit hoch­prei­si­gen Affiliate-Keywords oder mit was auch immer – mit einem Arbeits­auf­wand von etwa fünf Minu­ten beka­men wir alles auf die erste Seite“, schreibt Jeff Deutsch heute. Die ein­zige echte Akquise betrie­ben die bei­den über Foren der Sei­ten warriorforum.com und wickedfire.com, bei­des große ame­ri­ka­ni­sche Por­tale für SEO, Affiliate-Marketing & Co.

Jeff Deutsch beschreibt sein Leben zu die­sem Zeit­punkt, vor etwa vier bis fünf Jah­ren, als sehr sor­gen­los und luxu­riös. Das täg­li­che Geschäft, also vor allem Kun­den­sup­port und Assis­ten­ten, wurde kom­plett ausgelagert.

Jeff Deutsch

Er hatte zwei rie­sige Woh­nun­gen in China, arbei­ten musste er kaum und vom nor­ma­len Tages­ab­lauf her glich sein Leben eher einem Urlaub: nach dem Auf­ste­hen ein wenig Sport, beim Früh­stück NBA-Übertragungen im Fern­se­hen anschauen und den Rest des Tages im Wech­sel ent­we­der mit sei­nem Sohn ver­brin­gen oder im Fit­ness­stu­dio, am Strand, im Pool…Nur sel­ten küm­merte er sich bei kur­zen Skype-Calls ums Geschäft wenn er mit Bekann­ten aus der Black-Hat-SEO-Szene sprach.

Schnel­les Geld durch Abnehm-Pillen, Bade­salz als Dro­gen­er­satz und Gold in World of Warcraft

Seine Kun­den nutz­ten den „ALN ser­vice“ für die kurio­ses­ten Geschäfts­mo­delle, die sich nahezu immer in einer recht­li­chen Grau­zone befan­den. So ver­kaufte einer dubiose Abnehm-Pillen im Wert von rund 100.000 Dol­lar in nur einer Woche. Eine Frau ver­kaufte über ihre SEO-optimierte Seite Bade­salze, Sal­bei (bei­des zweck­ent­frem­det auch als Ersatz­droge bekannt) und Gui­des zum erfolg­rei­chen Fremd­ge­hen. Und ein beson­ders kurio­ser Geschäfts­part­ner ver­kaufte Gold, die vir­tu­elle Wäh­rung des Online-Rollenspiels „World of War­craft“. Um an die vir­tu­el­len Reich­tü­mer zu gelan­gen, arbei­tete er mit Gefäng­nis­wär­tern in China zusam­men, die Häft­linge dazu zwan­gen, Gold im besag­ten Spiel zu sammeln.

Nicht weni­ger kurios waren die pri­va­ten Ange­wohn­hei­ten die­ser drei Kun­den von Jeff Deutsch. „Die gaben ihr Geld aus wie kleine Kin­der. Egal ob Luxus­au­tos oder Champagner-Flaschen für 5.000 Dol­lar, die nur dazu da waren, um sie über dem Kopf eines Freun­des aus­zu­schüt­ten. Außer­dem aßen alle ADHS-Medikamente, als wären es Süßig­kei­ten, um mög­lichst lange wach und fokus­siert zu blei­ben“, schreibt er. Wei­tere Hob­bys der Szene laut Deutsch: exzes­si­ves Body­buil­ding mit Hilfe von Ste­ro­iden, Kokain und andere Dro­gen sowie Bor­dell­be­su­che. Eine ver­rückte, nach außen sehr ver­schlos­sene Szene. Hätte man auch nur einen Hauch des inter­nen Wis­sens aus­ge­plau­dert, wäre man „ver­bannt und gemie­den“ worden.

Zwei­fel an Black-Hat-SEO nach Googles Abstra­fung des Aut­ho­rity Link Networks

Deutsch beschreibt diese Zeit heute als mit­un­ter sehr ein­sam. Rich­tig span­nend wurde es dem­nach immer nur, wenn Google Anpas­sun­gen am Algo­rith­mus vor­ge­nom­men hatte und er und sein Part­ner das Geschäfts­mo­dell ret­ten muss­ten. Bis zu einem bestimm­ten Zeit­punkt funk­tio­nierte das auch immer. Doch dann pos­tet Matt Cutts, der Lei­ter von Googles Webspam-Team, am 15. März 2012 die­sen Tweet:

 

Von einem Tag auf den ande­ren nahm Google über 5.000 Domains des Aut­ho­rity Link Net­works aus dem Index. Die Traffic- und damit auch Ein­kom­mens­quelle unzäh­li­ger SEOs brach dar­auf­hin zusam­men und Jeff Deutsch wusste sofort, dass das nur der Anfang gewe­sen sein könnte und Google jeder­zeit wei­tere Lin­k­netz­werke kom­plett schlie­ßen könnte. Mit die­sem Wis­sen und immer stär­ker wer­den­den Zwei­feln am eige­nen Geschäfts­mo­dell flo­gen er und sein Part­ner kurz dar­auf zu der Bran­chen­ver­an­stal­tung, der Link Love Kon­fe­renz 2012 nach Lon­don. „Ich fühlte mich wie ein Aus­sät­zi­ger und wollte noch drin­gen­der als zuvor end­lich ein seriö­ses Busi­ness betrei­ben. Kein Mensch sprach posi­tiv von Link­buil­ding, wenn es über­haupt ein Thema war“, erin­nert sich Deutsch. Als dann Rand Fish­kin, SEO-Ikone und u.a. Grün­der von inbound.org mit sei­nem Vor­trag „Fuck Link­buil­ding“ auf der Bühne war, ging seine Stim­mung jedoch noch wei­ter in den Keller.

In den fol­gen­den Mona­ten schwor sich Jeff Deutsch, alles zu ver­su­chen, um den „Kampf gegen Google“ zu gewin­nen. Er inves­tierte 100.000 Dol­lar, um die Ver­luste Tau­sen­der von Google aus dem Index genom­me­nen Sei­ten auf­zu­fan­gen. Alle Maß­nah­men blie­ben letzt­lich aber erfolg­los. „Ich fühlte mich depres­siv, kaufte teure Kla­mot­ten als Aus­gleich und schlief lange nur drei Stun­den pro Nacht. Aber eigent­lich wusste ich schon, dass Rand Fish­kin Recht hatte“, so Jeff Deutsch heute. 18 Monate ver­suchte er noch, sein Black-Hat-SEO-Business am Leben zu erhal­ten, bis er schließ­lich auf­gab und sich geläu­tert einen seriö­sen Job im Mar­ke­ting suchte. Heute arbei­tet er bei „Pten­gine“, einem Anbie­ter eines Conversion-Rate-Tools und gesteht ein: „Google hat gewon­nen. Con­tent is king. Macht mir das nie­mals, nie­mals nach…“

Dieser Artikel erschien zuerst auf OMR.com.