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shareID Brian Killen und Bernhard Weißhuhn von ShareIQ (von links).

Der Sportschuh-Hersteller war neugierig: Was mochten Fans im Internet zu seiner jüngsten Kollektion sagen? Eine Google-Suche half kaum weiter: „Die Leute sagten nicht viel“, erinnert sich James Clark, Mitgründer der Media-Agentur Room 214 aus Boulder im US-Bundesstaat Colorado, die mit der Spurensuche beauftragt war. „Aber sie stellten Fotos ins Netz.“ Das Problem war wie geschaffen für eine neue Software aus Berlin, die Room 214 gerade testete.

Mit der Fotosuche des Startups ShareIQ konnten Clarks Mitarbeiter plötzlich sehen, wo bestimmte Produktbilder im Internet zum ersten Mal auftauchten. Und verfolgen, wie sie ihren Weg von Blogs zu sozialen Medien nahmen – ob sie etwa von Pinterest zu Facebook wanderten oder umgekehrt. Mehr noch: ShareIQ zeigte ihnen auch, welche Nutzer sich besonders für welche Schuhmodelle begeisterten.

„Wir sind in der Lage, genau zu sehen, wie visuelle Inhalte geteilt und von anderen Nutzern wahrgenommen werden“, sagt Clark. Für Texte ist das schon lange möglich – für Fotos dagegen nur, solange sie per Teilen-Funktion herumgereicht werden. Andernfalls geht die unsichtbare Datenspur zum Original verloren. „Wir nutzen zahlreiche Tools zur Datenanalyse“, sagt der Agenturchef, „aber dieses ist das einzige, das auf visueller Basis arbeitet. Jetzt können wir Text- und Fotosuche kombinieren, um Sehnsüchte zu identifizieren.“

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shareiq1 Wer teilt was, wie oft und wo? Das ShareIQ-Dashboard gibt Auskunft (einige Informationen hat die Firma auf diesem Screenshot unkenntlich gemacht, um nicht zu viel über ihre Kunden preiszugeben)

Genau so hatten Bernhard Weißhuhn und Brian Killen sich das erhofft. Die beiden ShareIQ-Gründer arbeiten seit rund zwei Jahren an ihrem Konzept einer neuen Bildersuche, die speziell die Bedürfnisse von Unternehmen bedient. Die Idee kam dem Kalifornier Killen, der lange als Big-Data-Analyst gearbeitet hat, weil er von Firmen immer wieder hörte, dass sie nicht wussten, wie sie mit dem eifrigen Geteiltwerden ihrer Produktbilder auf Blogs und in sozialen Netzwerken umgehen sollten.

„Ich sehe überall unsere Fotos im Internet – aber wie schaffe ich es, Geld mit Pinterest und Instagram zu verdienen?“, habe ihn einmal ein Kunde gefragt, erzählt Killen. „Da war mir klar: Es gibt ein Riesenproblem.“ Killen tat sich mit Weißhuhn zusammen, einem Spezialisten für Web-Entwicklung, um einen neuen Weg zu finden, Bilder im Netz wieder aufzuspüren.

Die Herausforderung sei vor allem die praktische Anwendbarkeit gewesen, erzählt Weißhuhn: „Das reine Identifizieren von Kopien ist kein neues Problem“, sagt der Informatiker, „aber wir müssen jedes Bild mit Milliarden anderen vergleichen. Da stößt man schnell an Grenzen.“ Monatelang tüftelte er an einer Lösung, bis es ihm gelungen war, den Aufwand weit genug zu reduzieren, um die Analyse auf drei Cloud-Dienste zu verteilen: Google, Amazon Web Services und IBM. „Jeder übernimmt eine andere Aufgabe“, erklärt Killen. „Wir müssen 50.000 Bilder pro Sekunde herunterladen und verarbeiten – das ist ein enorm komplexes Unterfangen.“

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shareiq2 Trendforschung: Aus den Ergebnissen der Suche können Nutzer unter anderem ablesen, wann welche Bilder populär geworden sind und ob die Konkurrenz ähnlichen Erfolg hat.

Um die Datenmengen zu begrenzen, durchsucht ShareIQ nicht das ganze Internet, sondern konzentriert sich auf bestimmte Blogs, soziale Medien und Themengebiete, die fürs Produktmarketing besonders ergiebig sind. „Wir werten gezielt Inhalte aus, von denen wir wissen, dass sie unsere Kunden interessieren“, sagt Killen. Seit dem offiziellen Start der Firma Anfang des Jahres – zunächst unter dem Namen Resolution Foundry – habe ShareIQ mit etwa einen Dutzend großer Marken zusammengearbeitet, darunter Red Bull, Nestlé, Porsche und Toyota.

Auch die Berliner Agentur C3 hatte Gelegenheit, mit ShareIQ zu experimentieren. „Die Ergebnisse sind vielversprechend“, sagt Projektmanager Achim Cremer. „An jedem Bild, das man findet, hängen alle Informationen“ – etwa, wie oft es geteilt wurde und welcher Pinterest- oder Facebook-Nutzer ursprünglich die Aufmerksamkeit auf ein Produkt gelenkt habe. „Man kann auf der Ebene einzelner Bilder sehr detailliert verstehen, welche Knotenpunkte wichtig sind, und einzelne Influencer ansprechen“, sagt Cremer. „Das ist der Unterschied zur Google-Bildersuche.“

Für Unternehmen ergibt sich daraus die Möglichkeit, besser einzuschätzen, wie ergiebig ihre Social-Media-Kampagnen sind. Bisher stochern viele im Nebel: Fast zwei Drittel geben laut dem Marktforscher eMarketer das Messen der Effizienz als größte Herausforderung bei Kampagnen auf Facebook, Instagram & Co. an.

Zugleich sehen viele Firmen im sogenannten Influencer Marketing ein ideales Mittel, um Kunden anzusprechen, die sich zunehmend hinter Werbeblockern verstecken. Sie zahlen Social-Media-Stars, die eine große Fangemeinde vorweisen können, oft Zehntausende von Euro, um ihre Produkte zu präsentieren.

Mit ShareIQ für jedes Bild sehen zu können, wer was wie geteilt hat, gebe Unternehmen ganz neue Möglichkeiten, ihre Social-Media-Kampagnen zu planen, sagt Brian Killen: „Wir können genau zeigen, an welchen Stellen Dinge entdeckt werden. Das ist weit aussagekräftiger, als einfach nur Follower zu zählen.“

Den Gedanken, dass manchen Nutzern mulmig werden könnte angesichts der neuen Transparenz, wehren die ShareIQ-Gründer ab. „Wer nicht will, dass etwas gefunden wird, muss es ja nicht posten“, sagt Weißhuhn, und Killen betont: „Wir folgen niemandem durchs Internet – da ist Facebook weit schlimmer –, sondern schauen nur, wer etwas ins Netz gestellt hat. Und das ist ein öffentlicher Akt.“

Dieser Artikel erschien zuerst bei Wired.de.

Bild: malzkornfoto.de / ShareIQ