Wer emsig alle Kanäle von Facebook bis Twitter bespielt, kann im Nu Millionen Follower, Fans und Kunden gewinnen – oder verlieren: Ein falsches Wort, schon fliegt dem Promi oder der Firma alles um die Ohren. Statt netter Likes und Follower gibt’s plötzlich einen gewaltigen Shitstorm. Aber was genau ist eigentlich ein Shitstorm, wie läuft er ab und wie rüstet man sich dagegen? Antworten findet Ihr im Folgenden.

Ein Sturm aus Scheiße?

Der Begriff „Shitstorm“ war der Anglizismus des Jahres 2011, und bis heute hat sich kein deutsches Äquivalent durchgesetzt – zumal die wörtliche Übersetzung „Scheißsturm“ nicht besonders galant klingt. Gemeint ist jedenfalls ein Sturm der Entrüstung, der auf einem Kommunikationskanal im Internet tobt und dem Betroffenen mit wütenden Kommentaren und Beleidigungen mächtig ins Gesicht bläst.

Ob Promi, Politiker, öffentliche Behörde oder Firma: Dank sozialer Netzwerke war es noch nie einfacher, mit Fans und Verbrauchern in Kontakt zu stehen und die eigene Zielgruppe kennenzulernen. Gleichzeitig war es aber auch noch nie leichter, sich öffentlich zur Zielscheibe zu machen. Deshalb kümmern sich Social Media Manager um die Online-Reputation von Unternehmen oder Promis. Sie verhindern oder deeskalieren Shitstorms – oder kehren nachträglich den Scherbenhaufen zusammen, den ein wütender Mob mit einem Shitstorm angerichtet hat.

Treffen kann der Zorn der Masse jeden, das weiß auch Bernhard Jodeleit. Mit seiner Media Agentur vertritt er als Social Media Manager vor allem internationale Konzerne, aber auch Einzelpersonen wie Manager im Internet. Er leitet Kampagnen in den sozialen Netzwerken, zeigt dabei seine Kunden von der menschlichen Seite und interagiert mit Verbrauchern oder Fans.

Laues Lüftchen, steife Brise, Sturm

Was den Job des Social Media Managers nicht gerade einfacher macht: Häufig löst schon ein kleiner Ausrutscher auf Facebook, Twitter & Co. einen Shitstorm aus. Eine flapsige Bemerkung, ein Bild mit unbedacht gewähltem Hintergrund, schon hagelt es eine Lawine von wütenden Kommentaren anderer Nutzer.

Aber wann ist eine Welle der Empörung tatsächlich ein Shitstorm und nicht nur eine Versammlung von Meckerfritzen, die gerade online sind? Von einem Shitstorm sprechen Experten, wenn sich die Reichweite von Empörung oder Protest in kurzer Zeit mehrfach vervielfältigt. Social Media Manager halten es dabei wie Seemänner: Sie haben eine Sturm-Skala.

Diese Skala legt jedes Unternehmen anders fest. Anhand von festgelegten und qualifizierten Bewertungskatalogen ordnen die Krisenkommunikationsprofis ganz detailliert die Reichweite, Relevanz und Dynamik von kritischen Äußerungen im Netz ein und errechnen eine Punktzahl. „Das ist sozusagen der Shitstorm Score, der sagt: Auf einer Skala von null bis zehn liegt diese Entrüstungswelle bei sieben“, erklärt Jodeleit. Auf Basis dieser Bewertung muss der Social Media Manager dann Gegenmaßnahmen einleiten.

Krisenmanagement und Erstversorgung

Im Idealfall eliminieren die Kommunikations-Profis schon im Vorfeld mögliche Ursachen für einen Shitstorm. Diese Prävention erfordert aber umfassende Vorbereitungen. Deshalb muss gerade ein Social Media Manager die Schwachpunkte seines Unternehmens oder des Kunden kennen: Nur wenn er weiß, welche Aspekte Kritiker anziehen werden, kann er sich im Vorfeld mit passend zurechtgelegten Antworten rüsten und scheinbar spontan souverän reagieren.

„Mal ehrlich: Die meisten Unternehmen wissen ganz genau, wofür sie demnächst kritisiert werden könnten. Im Vorteil ist, wer sich umfassend vorbereitet und das souveräne Handling von Kritik regelmäßig trainiert“, erklärt Jodeleit. Blöd nur, wenn ein Mitarbeiter des Unternehmens mit einer unbedachten Äußerung einen Shitstorm auslöst. Um das zu verhindern, müssen Firmen ihre Angestellten im Umgang mit Betriebsgeheimnissen und dem Auftritt im Internet schulen. Schließlich sollen die Mitarbeiter nicht eingeschüchtert auftreten, aber Kritiker auch nicht unnötig provozieren.

Was Außenstehenden meist entgeht: Krisen sind für einen Konzern nicht die Ausnahme, sondern treten Jahr für Jahr dutzendfach auf. Verbraucher erfahren davon meist nichts, weil der Krisenbrandherd schnell gelöscht wird, bevor Schlimmeres passiert. Dass es den ein oder anderen trotz Krisenmanagements eiskalt erwischt, sorgt häufig noch längere Zeit für Belustigung und Schadenfreude im Netz.

Dieser Artikel erschien in der Welt und zuvor in der Computer Bild, Ausgabe 5/2015.

Bild: Namensnennung Bestimmte Rechte vorbehalten von aslakr