Schwänzchen in die Höh. Original-Ente beim Gründeln im See.

Man lässt den Blick genüsslich schweifen an diesem regnerischen Sonntag. Hinter den schützenden Glasscheiben erstreckt sich der Ruppiner See. Er ist mit 14 Kilometern der längste See im Land Brandenburg. Drinnen ist es behaglich. Warmes Wasser, warme Luft. Dazu gekühlte Getränke. Draußen ziehen zwei einsame Enten auf dem Gewässer ihre Kreise. Gründelszene. Im Ruheraum sind elektronische Geräte verboten. Die Gäste könnten sich gestört oder sogar beobachtet fühlen. Für raschelnde Zeitungen gilt das übrigens nicht. Das geht noch als analoges Kaminfeuergeprassel in deutschen Wellnessoasen durch.

Ja, eine Menge Menschen in Deutschland fühlen sich sehr schnell gestört von den beängstigenden Dingen, die hinter den Glasscheiben passieren. Man möchte nicht gestört werden. Ist doch ziemlich gemütlich hier. Kann alles so bleiben. Bleibt es aber leider nicht. Eine Studie hat ergeben, dass die digitale Transformation für lediglich sechs Prozent der Führungskräfte und Vorstände deutscher Unternehmen ab einem Jahresumsatz von 250 Millionen Euro derzeit als Top-Thema auf der Prioritätenliste steht. Läuft.

Netz-Philosoph Gunter Dueck schreibt: „Digitalisierung. Dieses Wort verwenden die Analogen jetzt so oft, weil sie das Digitale seit einigen Monaten irgendwie ernst nehmen. Sie befürchten jetzt wirklich, dass es praktische Konsequenzen in ihrem Leben haben könnte.“ Wird auch langsam Zeit. Aber Furcht war immer schon die stärkste Antriebskraft für Veränderung.

 

Dueck schreibt weiter: „Wenn das Neue die zehn Prozent überschreitet, zwingt es durch seine weiterhin zweistelligen Wachstumsraten das Alte zum Schrumpfen, was man ,Konsolidierung‘ oder ,Transformation‘ nennt. Das Alte stirbt langsam. Nicht über Nacht! Deshalb hat es Hoffnung bis zuletzt. Im Todeskampf ringt es mit Kostensenkungen und Beschwörungen.“ Gut beobachtet. Kommt euch auch bekannt vor, oder?

Unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel hat längst verstanden, wie wichtig das Thema ist. Wahrscheinlich von ihrem Generalsekretär und Digitalversteher Peter Tauber gecoacht. Auch im heutigen Interview in der Bild am Sonntag sagt sie nebenbei, dass die Digitalisierung zu den drei wichtigsten Projekten in Deutschland zählt. Auch wenn sie gerade sehr damit beschäftigt ist, ihre Flüchtlingspolitik zu erklären. Versteht ja auch niemand.

Mit den Flüchtlingen ist es ähnlich wie mit der Digitalisierung. Jeder hat eine Meinung, irgendwie ein ungutes Gefühl, jede Menge Emotionen. Aber das eigene, tägliche Leben bleibt seltsam unbeeinflusst davon. Man lässt lieber die anderen machen. Noch mal ein Zitat aus der oben erwähnten Studie: „Als Gründe für die lahmende Transformationsbereitschaft gaben über die Hälfte der Studienteilnehmer die Verteidigung bestehender Strukturen im Unternehmen, die fehlende Zeit und die fehlende Erfahrung an.“ Außerdem scheuten Führungskräfte radikale Entscheidungen. Man fragt sich, warum sie dann Führungskräfte geworden sind.

 

Der Chef des israelischen Startups Meerkat hat sich jetzt zu einem radikalen Schritt entschieden. Ben Rubin war als Wunderkind gestartet und löste mit seiner Plattform für Live-Streaming per Smartphone einen Hype aus. Doch dann wurde er vom Konkurrenten Periscope überholt. Lest morgen unseren Bericht, wie Rubin startete, scheiterte und jetzt Meerkat neu ausrichten will. Radikal. Und angstfrei. Es ist nicht alles schlecht hinter der Glasscheibe.

Aber jetzt gehen wir Enten füttern, denken an die Brandenburger Spaziergänge von Theodor Fontane und empfehlen eindringlich die Netflix-Serie Fargo 2 mit Kirsten Dunst:

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