joe schoenburg silicon valley
joe schoenburg silicon valley Das Silicon Valley aus der Luft

„Deutschlands Wirtschaft geht es gut, den Unternehmen geht es gut – aber das wird nicht immer so bleiben.“ Diese Warnung kommt von Joe Schoendorf, einem renommierten Silicon-Valley-Investor. Schoendorf kam bereits 1966 ins Silicon Valley, arbeitete 18 Jahre für Hewlett-Packard, war später Marketingmanager bei Apple. 1988 wechselte der gelernte Elektroingenieur zu dem Wagniskapitalinvestor Accel Partners. Accel hat unter anderem in Internetunternehmen wie  Facebook, Spotify und Dropbox investiert.

Deutschland fehle bisher der Wille, mehr zu experimentieren, mehr Geld in Forschung zu investieren. „Deutschland muss mehr riskieren“, sagte Schoendorf in Berlin. Im Silicon Valley, der Brutstätte digitaler Geschäftsmodelle, Sitz globaler Internetkonzerne wie Google und Facebook, hat Schoendorf nach eigenen Worten den Wert der „Disruption“, der kreativen Zerstörung etablierter Geschäftsmodelle, schätzen gelernt.

joe-schoendorfKeine gesunde Fehlerkultur

Eine Fehlerkultur, eine Kultur des Experimentierens, habe sich allerdings bisher in Deutschland nicht entwickelt, behauptet Schoendorf. Die Kultur sei zu sehr auf Anpassung und Übereinstimmung ausgerichtet.

Gleichzeitig werde die digitale Informationsökonomie immer wichtiger. Geschäftsmodelle, die auf Teilen und sofortigen Abruf von Diensten und Angeboten ausgelegt seien, setzten sich durch. Deutschland werde seine dominante Rolle in der industriellen Wirtschaft seiner Einschätzung nach nicht auf die neue digitale Wirtschaft übertragen können.

Fabriken voller Roboter

Die drei laut Schoendorf wichtigsten Treiber der Veränderung sind: Technologie, Demografie und Wirtschaft. Was die Veränderung mit sich bringe, sei eine Revolution in der Arbeitswelt: „Wir werden mehr Wert mit weniger Menschen produzieren können.“ In China gebe es bereits Produktionsanlagen, in denen ausschließlich Roboter zum Einsatz kämen. Maschinen übernähmen in Zukunft keineswegs nur die Aufgaben einfacher Arbeiter. Was freilich zur Frage führt, wie die Gesellschaft mit diesem Umbruch umgeht. Neue Jobs müssten gefunden werden.

Die Aufgabe von Gründern und Investoren ist es, so sieht es Schoendorf, neue Ideen, Geschäftsmodelle und Unternehmen aufzubauen, die dann neue Jobs anbieten. „Deutschland ist bisher nicht auf dem Weg, ein Erfinder, ein Schöpfer in der neuen Wirtschaftswelt zu sein“, urteilt Schoendorf. „Aber wenn du kein Schöpfer bist, wirst du zerstört.“

Beispielsweise müsse sich der Bankensektor auf große Veränderungen einstellen. Die digitale Währung Bitcoin sei vielleicht so etwas wie das gescheiterte soziale Netzwerk MySpace. Aber es werde neue Versuche geben und damit auch „ein Facebook der digitalen Währung“, da sei er sich sicher. Die durch den Siegeszug der Smartphones vorangetriebene mobile Revolution habe erst begonnen.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Die Welt.

Titelbild: NamensnennungWeitergabe unter gleichen Bedingungen Bestimmte Rechte vorbehalten von Nouhailler; Portraitfoto: Axel Springer SE; Joe Schoendorf sprach auf Einladung der Initiative United Europe und der „Bild“-Zeitung in Berlin. Jürgen Grossmann, der ehemalige Vorstandsvorsitzende von RWE, ist Initiator der Non-Profit-Organisation United Europe. „Bild“ wird wie die „Welt“ von der Axel Springer SE herausgegeben.