Kaspar Zoth (2. von links) und die Berliner Schülerpaten beim Dreh eines Imagefilms

Projekte mit Sinn

Wer seine Fähigkeiten und Ideen in sozialen Projekten einbringen möchte, findet im Netz eine neue Vielfalt an Möglichkeiten. Die meist projektorientierten Formate bieten Arbeitnehmern und Freelancern willkommene Perspektivenwechsel. Studierende können über ein Skill-basiertes Engagement zudem relevante Praxiserfahrungen sammeln.

Kaspar Zoth absolviert ein Trainee-Programm in der Videoredaktion einer Berliner Kommunikationsagentur. Hier setzt er sich in erster Linie mit der Postproduktion auseinander. Im Sommer wollte er sich wieder selbst hinter die Kamera wagen und drehte einen Imagefilm für die studentische Initiative Schülerpaten Berlin e.V., ein Bildungsprojekt, das sich für Kinder und Jugendliche mit arabischem Hintergrund einsetzt. „Es war ein tolles Gefühl, das ganze Projekt vom Dreh bis zum Schnitt umzusetzen”, erzählt Kaspar. „Ich konnte meiner Leidenschaft nachkommen und zugleich etwas wirklich Sinnvolles tun.”

Der fertige Film macht die Arbeit des Vereins für Außenstehende greifbarer, was insbesondere das Fundraising erleichtert. Kleinere Engagement-Projekte wie das von Kaspar machen für die beteiligten Nonprofits einen enormen Unterschied. Und das Gefühl, dass die kreative Leistung eine direkte Wirkung zeigt, ist wiederum für viele Freiwillige Ansporn, auch ohne Vergütung aktiv zu werden. Fällt die finanzielle Entlohnung als Motivator weg, werden plötzlich ganz andere Faktoren wichtig: Wertschätzung, Dankbarkeit, neue Kontakte und Spaß an der Umsetzung sind dabei zentral.

Viele Nonprofits leisten tagtäglich großartige Arbeit, um Lösungen für soziale Probleme zu entwickeln. Doch sind sie besonders in Zeiten der Digitalisierung auf fachliche Expertise angewiesen, um durch gezielte Kommunikation auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen. Insbesondere kleineren Vereinen und Social Startups in der Gründungsphase fehlt es hier jedoch an Budget, um beispielsweise eine Kreativagentur mit dem Redesign ihres Webauftritts zu beauftragen. Wer dann nicht zufällig einen Webdesigner im Freundeskreis hat, setzt die Ideen häufig gar nicht erst um.

Soziales Engagement und Praxiserfahrung

Für Organisationen ist es daher sinnvoll, nach qualifizierten Fachkräften zu suchen. Für die Freiwilligen bietet das klassische Ehrenamt so eine neue Perspektive: das fähigkeitenbasierte Engagement ermöglicht neue Formen der Berufsqualifikation. Personaler sahen Ehrenamt bisher einzig als Garant für Soft Skills. Wenn innerhalb einer ehrenamtlichen Tätigkeit gezielt berufsbezogene Fähigkeiten eingesetzt werden, kommen neue Aspekte hinzu.

Für Kreative entstehen so beispielsweise spannende Arbeiten für das eigene Portfolio, interessante Kontakte und Erfahrungen im Management eigener Projekte. Wenige Vorgaben, große Offenheit und die menschliche Zusammenarbeit lassen viel Gestaltungsraum für neue Ideen. Wer sonst im engen Korsett von Styleguides und endlosen Freigabeschleifen steckt, freut sich über die neuen Freiheiten und probiert vielleicht Dinge, die er sich im Berufsalltag nicht (mehr) traut.

Alternative zum Praktikum

Berufseinsteigerin Isabella Lehmann beendete im Frühjahr ihr Kommunikationsmanagement-Studium und suchte daraufhin Kontakte zur Berliner Startup-Szene. Über die Engagement-Plattform für junge Kreative youvo.org traf sie auf das Team von Jourvie. Die gemeinnützige Initiative suchte Unterstützung für die Launch-Kommunikation einer neuen App zur Therapie von Essstörungen. Isabella zögerte nicht lange, die Vorteile lagen für sie auf der Hand: „Ich begleite die spannende und herausfordernde Anfangsphase, lerne die Start-Up Szene kennen und kann Praxiserfahrung sammeln. Vor allem aber setze ich meine Kompetenzen für ein Vorhaben ein, das mich persönlich überzeugt und arbeite selbstbestimmt.“

Letzteres ist ein wichtiges Merkmal für Skilled-Volunteering-Projekte: Sie erlauben Studierenden und Absolventen, Projekte eigenverantwortlich umzusetzen. Die Lernkurve verläuft meist steiler als in vielen Praktika oder Werkstudententätigkeiten, da man selbst am Hebel sitzt und direkt mit dem Kunden bzw. Auftraggeber arbeitet. Ferner lassen sich die eher kurzfristigen Engagement-Projekte gut in das Studium integrieren. Gerade weil im Studium häufig an fiktiven Kommunikationsstrategien und -konzepten gearbeitet wird, ist die Arbeit an realen Problemstellungen eine willkommene Abwechslung.

Hilfreich sind dabei auch die Möglichkeiten der dezentralen Zusammenarbeit über das Internet. 75% der über youvo.org vermittelten Design-Projekte finden online statt – ohne dass sich die beiden Seiten vor Ort treffen. Das ist insbesondere für junge Menschen interessant, die an Standorten studieren, an denen es nur wenige Möglichkeiten gibt, Praxiserfahrungen zu sammeln.

Neue Perspektiven für die Personalentwicklung

Viele können es zum Ende des Jahres schon gar nicht mehr hören: „Die Generation Y sucht Sinn im Job.“ Eine These, die es aus den Karriereressorts auf die Titelseiten großer Zeitungen geschafft hat. Seitdem sind Unternehmensberater bemüht, neue Konzepte für die Personalabteilungen ihrer Kunden zu finden. „GenY-Recruitment“ heißt das dann häufig. Eine Entwicklung, die dazu führt, dass Trainee- und Ausbildungsprogramme heute vermehrt um „Helden“ oder „Engel“ werben. Auch Kreativ-Agenturen und Startups proklamieren für sich, die Welt ein kleines bisschen besser zu machen. Doch nicht jede App verändert die gesellschaftlichen Zustände und nicht jede Werbekampagne ist sinnstiftend.

Zugleich ist aber nicht jede oder jeder bereit, einen gut bezahlten Job aufzugeben und Social Entrepreneur zu werden. Trotzdem wollen nicht nur junge Absolventen, sondern auch erfahrene Mitarbeiter in Agenturen und Start-Ups ihren Beitrag zur Verbesserung der sozialen und gesellschaftlichen Umstände leisten. Corporate Volunteering Programme bieten hier die Möglichkeit, die eigene Profession für einen guten Zweck einzusetzen und so für alle Beteiligten spürbare Potentiale freizuschalten. Qualifizierte Zeitspenden helfen nicht nur den betreffenden Nonprofits, sondern haben auch eine motivierende Wirkung auf die Arbeitnehmer. Davon profitieren auch die Arbeitgeber. Zusätzlich können die Mitarbeiter durch einen Perspektivenwechsel in einem pro-bono-Projekt relevante neue Qualifikationen erwerben.

Skilled Volunteering als neue Form des Engagements im Kreativ- und Startupsektor bietet somit Vorteile für alle Beteiligten. Während Nonprofits professionelle Unterstützung bei Fragen der IT, Marketing und Öffentlichkeitsarbeit erhalten, eröffnen sich für Studierende und Absolventen Möglichkeiten, um Praxiserfahrung zu sammeln und zugleich etwas Gutes zu tun.

FOTO: Sebastian Schütz