Es kann mühselig sein, sich im hohen Alter noch damit zu beschäftigen wie ein Smartphone funktioniert und was eigentlich eine App ist. Doch der Aufwand lohnt sich.

Laut einer Studie des Internationalen Instituts für angewandte Systemanalyse (IIASA) senkt die Nutzung von Computern und Smartphones das geistige Alter von Senioren um vier bis acht Jahre. Das Forscherteam untersuchte 3.000 Menschen über 50 Jahre in England und Deutschland im Jahr 2012 auf ihre geistigen Fähigkeiten. Diese Daten verglich das Team mit den Resultaten aus dem Jahr 2006. Damals hatte man bereits 2.000 Personen getestet. Das Ergebnis der Studie, dass die Forscher im Magazin „Intelligence“ veröffentlichten, ist eindeutig.

Mit 60 geistig so fit wie früher mit 52

In sämtlichen Tests schnitten die Probanden 2012 besser ab als die Getesteten vor sechs Jahren. Die Testpersonen machten nicht nur einen IQ-Test, sie zählten auch in einer Minute so viele Tiere auf wie sie konnten, um ihre Wortflüssigkeit unter Beweis zu stellen. Außerdem gab es einen Gedächtnistest und die Forscher untersuchten die Verarbeitungsgeschwindigkeit von Informationen. „In vielen Fällen waren die 60-Jährigen von 2012 so geistig fit wie die 52-Jährigen im Jahr 2006“, sagt Valeria Bordone vom IIASA.

Für die Steigerung der geistigen Fähigkeiten führen die Forscher viele Faktoren an: Ein besseres Gesundheitssystem, mehr Bildung, gesündere Ernährung, aber auch die Nutzung von Smartphones oder Computern. Senioren, die sich viel mit Technik beschäftigten, waren fitter als solche, die die Finger davon ließen.

Bordone erklärt dies damit, dass der Gebrauch von Technik die kognitiven Fähigkeiten des Gehirns verbessert, da die Senioren sich damit beschäftigen müssen, wie die Technik funktioniert und so ihr Gehirn beanspruchen. Die neuen Reize halten geistig fit.

Von „digitaler Demenz“ keine Spur

Das Ergebnis der Studie scheint auf den ersten Blick dem Resultat einer Umfrage des Marktforschungsinstituts Mymarktforschung.de zu widersprechen. Bei der Befragung von 1.000 Personen gab ein Drittel an, weder seine eigene Handynummer noch die des Partners zu kennen. Schließlich sei alles auf dem Smartphone gespeichert. Die Technik nimmt Menschen immer mehr den Zwang ab, Dinge auswendig zu wissen. Denn die meisten Fakten gibt es im Internet. Forscher fürchten, dass dies gerade bei jüngeren Generationen zu Gedächtnisstörungen führt. Der Direktor der psychiatrischen Uniklinik Ulm, Manfred Spitzer, bezeichnet dies als „digitale Demenz“.

Doch die Ergebnisse der Studie und der Umfrage lassen sich in Einklang bringen. Wer sein Gehirn beansprucht, in dem er sich beispielsweise mit neuer Technik beschäftigt, bleibt geistig fit. Wer allerdings wenig neue Reize aufnimmt, hauptsächlich jeden Tag das Gleiche unternimmt und sein Gehirn entlastet, in dem er sich nichts mehr selber merkt, läuft Gefahr, dement zu werden.

Derzeit gibt es etwa 1,5 Millionen Demenzkranke in Deutschland. Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft rechnet damit, dass sich die Zahl bis 2050 auf über drei Millionen verdoppelt. Das entspricht einem mittleren Anstieg der Zahl der Erkrankten um mehr als 100 pro Tag.

Auch Handyspiele können stimulieren

„Das Erlernen neuer Fähigkeiten ist wichtig für die geistige Fitness“, sagt Emrah Düzel, Direktor des Instituts für kognitive Neurologie und Demenzforschung am Universitätsklinikum Magdeburg. Er hält das Smartphone für ein gutes Mittel bei der Vorbeugung von Demenz. „Das Handy wird ein wichtiges Medium werden, um ältere Menschen mit neuen Inhalten zu stimulieren.“ Damit meint er nicht nur Apps. Auch Handyspiele hielten durch die neuen Reize geistig fit. Außerdem könnten Senioren mit dem Smartphone über soziale Netzwerke mit ihren Mitmenschen kommunizieren und so Einsamkeit verhindern.

Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts INSA fühlen sich zwei Drittel der 60 bis 69-Jährigen mehr als zehn Jahre jünger, als sie wirklich sind. Eine vom Bildungsministerium geförderte Studie ergab, dass Senioren sich deutlich länger wohl fühlen und geistig leistungsfähig sind. Heute 75-Jährige sind im Schnitt erheblich fitter als noch vor 20 Jahren.

„Die Zugewinne, die wir an kognitiver Leistungsfähigkeit und Wohlbefinden in Berlin gemessen haben, sind beträchtlich und von großer Bedeutung für die Lebensqualität im Alter“, sagt Ulman Lindenberger, Direktor am Forschungsbereich Entwicklungspsychologie des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung.

Nicht nur die geistige Fitness im Alter steigt, sondern auch die Lebenserwartung. Mädchen, die im Jahr 2015 geboren wurden, werden voraussichtlich im Schnitt 83 Jahre alt, Jungen 78. Vor fünfzig Jahren, war die Lebenserwartung von Neugeborenen 73 Jahre bei Frauen und 68 bei Männern.

Doch auch wenn 70-Jährige geistig fitter sind als früher, bleiben sie im Alter nicht von Krankheiten verschont – sie kommen nur später. „Am Lebensende beobachten wir jedoch in der Regel weiterhin einen schnellen und deutlichen Abbau der geistigen Fähigkeiten“, heißt es in der Studie.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Die Welt.

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