Ein Beitrag von Roland Eisenbrand, Head of Content bei OnlineMarketingRockstars.de.

„Lie­ber Mobil­funk­kunde, Sie wur­den unter 500 Per­so­nen gezo­gen! Nut­zen Sie Ihre 12h Gra­tis Chance auf Ihr iPhone6!“ So oder so ähn­lich lau­ten die Texte von Spam-SMS, die in den ver­gan­ge­nen Mona­ten offen­bar immer mehr Handy-Besitzer erhal­ten haben. Die Nach­richt ent­hält immer einen Link; meist zum URL-Verkürzer bit.ly. Eine Suche bei Google und Twit­ter nach Begrif­fen wie „bitly sms spam“ legt die Ver­mu­tung nahe, dass sol­che SMS in gro­ßem Stil ver­schickt wer­den. Wer aber steht hin­ter den Nach­rich­ten, wie machen die Ver­sen­der Geld und wie erfolg­reich sind sie dabei? Wir haben ver­sucht, es her­aus­zu­fin­den.

Nach­dem SMS- und ande­rer Spam in den Anfangs­jah­ren der Mobil­funk­te­le­fo­nie noch ein Thema gewe­sen ist, ist die­ses Pro­blem in den ver­gan­ge­nen Jah­ren größ­ten­teils aus der öffent­li­chen Wahr­neh­mung ver­schwun­den. In den ver­gan­ge­nen 24 Mona­ten hat sich dies jedoch offen­bar geän­dert. Weil sich inter­net­fä­hige Smart­pho­nes mitt­ler­weile nahezu flä­chen­de­ckend durch­ge­setzt haben, ist ein bruch­lo­ser Über­gang von der SMS ins Web mög­lich – und damit ist die­ser Kanal für halb­sei­dene Prak­ti­ken offen­bar wie­der inter­es­san­ter gewor­den.

Dem Ver­neh­men nach wer­den Tele­fon­num­mer­lis­ten in der Adress­bran­che unter der Hand gehan­delt. Wer seine Num­mer von Apps zwie­lich­ti­ger Her­kunft aus­le­sen lässt oder an der fal­schen Stelle auf For­mu­la­ren oder im Web hin­ter­las­sen hat, ris­kiert, dass diese in die Fänge der Händ­ler gerät. Auch die Nut­zung der Messenger-App Whats­App birgt das Risiko, dass Unbe­fugte an die eigene Num­mer gelan­gen. So soll über eine offene Schnitt­stelle von Whats­App mit­tels Soft­ware für jeden ande­ren aus­les­bar sein, ob der Inha­ber einer bestimm­ten Mobil­funk­num­mer online ist. Auf diese Weise könn­ten Spam­mer Mobil­funk­num­mern veri­fi­zie­ren. Sie müs­sen dafür ledig­lich auto­ma­ti­siert eine Liste mög­li­cher Mobil­funk­num­mern erstel­len, wobei sie von den vie­len mög­li­chen Kom­bi­na­tio­nen einige – etwa Num­mern mit sie­ben glei­chen Zif­fern – bereits aus­schließen kön­nen.

Mit­tels der Web-Anwendung WhatsSpy Public kön­nen sie an alle Num­mern aus die­ser Liste ein „Request“ schi­cken, um so zu prü­fen, ob die Num­mer in Ver­wen­dung ist. Wer schließ­lich über eine sol­che Liste an veri­fi­zier­ten Num­mern ver­fügt, kann mit einem so genann­ten Bulk SMS Tool SMS in gro­ßer Menge und preis­güns­tig (teil­weise für weni­ger als 1 Cent pro Nach­richt) ver­sen­den.

Die Abo-Falle wartet

Häu­fig sind es offen­bar Affi­lia­tes, die ver­su­chen mit die­ser Methode Geld zu ver­die­nen. Bei hoch­pro­vi­sio­nier­ten Affiliate-Programmen (wie beim Abonnement-Verkauf) scheint sich das zu loh­nen. Gut funk­tio­niert dabei offen­bar die Masche, ver­meint­li­che Flirt-SMS zu ver­sen­den: „Hiho, habe Deine Nr. von Alex. Wenn Dir meine Bil­der auf http://bit.ly/M-Google-Date gefal­len, melde Dich doch mal! Kussi A.“ – so kann der Text einer sol­chen Nach­richt lau­ten. Die­ser bit.ly-Link sowie jene aus ähn­li­chen Nach­rich­ten füh­ren zunächst auf die Seite BensBumsBlog.com (die Domain ist bei einem Anbie­ter regis­triert, der die Iden­ti­tät des Inha­bers ver­schlei­ert).

Die dort offen­bar einst ein­ge­rich­tete Wei­ter­lei­tung funk­tio­niert heute nicht mehr – wie die Seite „Mimik­ama“ anhand anderer SMS des­sel­ben Spam­mers doku­men­tiert hat, führ­ten diese Links zum Zeit­punkt des SMS-Versandes auf eine Dating-Seite, auf der die Besu­cher einen „Test-Zugang“ zum Preis von einem Euro kau­fen konn­ten – eine Abofalle. Wil­lig­ten die Nut­zer der Abbu­chung ein, wur­den gleich 90 Euro abge­bucht. Hin­ter dem Por­tal steht das Ber­li­ner Unter­neh­men Ideo Labs, über des­sen zwei­fel­hafte Geschäfts­prak­ti­ken man sich mit einer kur­zen Google-Suche infor­mie­ren kann.

Weil der SMS-Text den Anschein erweckt, dass die Nach­richt von der Freun­din eines gemein­sa­men Bekann­ten des Emp­fän­gers stammt, ver­zeich­nen diese Nach­rich­ten offen­bar hohe Klick­ra­ten. So wurde https://bitly.com/M-Google-Date – wie die Bitly-Statistiken zei­gen – mehr als 171.000 Mal, ein wei­te­rer Link vom ver­mut­lich sel­ben Spam­mer 125.000 mal geklickt.

Eine fik­tive Bei­spiel­rech­nung anhand die­ser Zah­len zeigt, dass diese Spam-Methode durch­aus lukra­tiv sein kann. Schätzt man, dass eine SMS 500.000 Mal ver­schickt wurde, resul­tie­ren dar­aus bei 1 Cent pro SMS 5.000 Euro Ver­sand­kos­ten. In Affiliate-Programmen, in denen das ver­kaufte Pro­dukt beim Mer­chant wenig Kos­ten ver­ur­sacht (wie ein schnell und kos­ten­güns­tig auf­ge­setz­tes Dating-Portal), die Bewer­bung aber (auch wegen der nied­ri­gen Con­ver­sion Rate) hohes Risiko birgt, wer­den nicht sel­ten hohe Pro­vi­sio­nen gezahlt. Geht man bei einem „Ticket“ von 90 Euro von einer Pro­vi­sion von 30 Euro pro abge­schlos­se­nem Abo aus, erhält der Affi­liate, wenn von 171.000 Klicks nur 0,5 Pro­zent kon­ver­tie­ren, 18.750 Euro Pro­vi­sion – das ent­sprä­che fast 14.000 Euro Gewinn.

Dient SMS-Spam der Adress­ge­ne­rie­rung für nam­hafte Verlage?

Ein ande­res Geschäfts­mo­dell ist es, mit­tels Spam-SMS Adres­sen ein­zu­sam­meln und diese an Ver­lage oder andere Direkt­ver­triebs­un­ter­neh­men zu ver­kau­fen. Wer bei­spiels­weise den Link aus der ein­gangs zitier­ten SMS von einem Mobil­te­le­fon aus (auf dem Desk­top lan­det man in einer Sack­gasse) anklickt, wird über die Seite eines Schwei­zer „Lead Generierungs“-Unternehmens namens one2one auf eine Seite namens „Myquiz­pla­net“ umge­lei­tet und dort auf­ge­for­dert, sei­nen Namen und seine Adresse zu hin­ter­las­sen. Was mit den Daten geschieht? Unter dem Menü­punkt „Spon­so­ren“ sind bei Myquiz­pla­net alle gro­ßen Adress­fir­men wie Scho­ber und AZ Direct ebenso auf­ge­führt wie nam­haf­ten Ver­lage wie Bauer und Burda sowie der Abo-Sender Sky – für alle von ihnen dürf­ten die so gene­rier­ten Adres­sen äußerst inter­es­sant sein.

Betrei­ber von Myquiz­pla­net ist laut Impres­sum die Firma United Cust­o­mer GmbH mit Sitz im Schwei­ze­ri­schen Gla­rus. An der­sel­ben Adresse sitzt laut einem Han­dels­re­gis­ter­ein­trag das Unter­neh­men United Cust­o­mer Ser­vice, des­sen Geschäfte von Oli­ver Wyd­waldt aus Ham­burg geführt wer­den. Wyd­waldt ist eben­falls als Geschäfts­füh­rer bei der Ham­bur­ger Mega­lon Media & Mar­ke­ting GmbH ein­ge­tra­gen, offen­bar Teil der „Mega­lon Group“, die auf ihrer Web­site „maxi­ma­len Erfolg im Dia­log­mar­ke­ting“ ver­spricht und eine lange Refe­renz­liste mit vie­len nam­haf­ten Ver­la­gen auf­führt.

Auch das Schwei­zer Unter­neh­men one2one, über des­sen Web­site die von uns unter­suchte SMS-Spam-Kampagne gesteu­ert und getrackt wurde, weist Ver­bin­dun­gen zu Mega­lon auf: Als „Prä­si­dent“ des Unter­neh­mens ist ein Deut­scher namens Andreas Meyer ein­ge­tra­gen – ein Andreas Meyer befin­det sich eben­falls im Vor­stand der Mega­lon AG. Zudem ist die Domain one2one-online.ch auf Goran Kova­ce­vic aus Wien regis­triert. Ein Goran Kova­ce­vic ist bei Xing als Geschäfts­füh­rer der mitt­ler­weile in Liqui­da­tion befind­li­chen Veseco GmbH geführt, die zuvor den Namen Mega­lon Pro­jekt Deve­lop­ment & Mar­ke­ting GmbH trug. Kova­ce­vic ist außer­dem Inha­ber der Domain Megalon.at.

Eine Suche mit Google oder bei Twit­ter zeigt, dass offen­bar mas­sen­haft sol­che Spam-Kampagnen via SMS ver­schickt wer­den – auch von ande­ren Hin­ter­män­nern. Offen­bar setzt ein gan­zes Fir­men­ge­wirr auf die ille­gale Pra­xis. Foren­ein­träge bei­spiels­weise wei­sen auf ein Unter­neh­men namens Tele­mark im bos­ni­schen Ilidze hin. Trotz­dem wer­den ein Groß­teil der Kam­pa­gnen von deut­schen Mobil­num­mern ver­schickt. Wegen der in den Nach­rich­ten ver­wen­de­ten Anrede „Lie­ber Mobil­funk­kunde“ gehen offen­bar viele Emp­fän­ger davon aus, dass die SMS von ihrem Netz­be­trei­ber stammt.

Auch sol­che Adressgenerierungs-SMS ver­zeich­nen des­we­gen teil­weise hohe Klick­ra­ten – unser Bei­spiel wurde bis­lang mehr als 98.000 Mal ange­klickt. Die Con­ver­sion Rate (also der Pro­zent­satz jener Nut­zer, die ihre Daten hin­ter­lässt) dürfte in die­sem Fall wegen des angeb­lich locken­den Gewinns deut­lich höher lie­gen als beim Kauf eines „Test-Zugangs“. Selbst, wenn die Adres­sen güns­tig ver­kauft wer­den – geht man davon aus, dass die Samm­ler sie an meh­rere Unter­neh­men ver­kau­fen, dürfte auch diese Pra­xis äußerst lukra­tiv sein.

Smartphone-Nutzer dürfte auch in Zukunft nur eins hel­fen: stets vor­sich­tig zu sein bei der Her­aus­gabe der eige­nen Num­mer.

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