Was Gründer aus dem Sociomantic-Erfolg lernen können

In nur vier Jahren ist Sociomantic von drei Gründern auf 160 Mitarbeiter gewachsen, von null auf 100 Millionen US-Dollar Jahresumsatz, alles ohne VC-Geld. Und trotzdem kennt kaum einer den Online-Werbevermarkter aus Berlin.

Das hat sich vergangene Woche geändert. In ihrem ersten großen Interview erklärten die Mitgründer Thomas Nicolai und Thomas Brandhoff, wie sie ihr Startup anschoben, wie es dabei so rasant so gewaltig wachsen konnte – und was sie anders machten als andere Gründer. Was kann man aus der Erfolgsgeschichte von Sociomantic lernen?

1. Nichts gelingt von heute auf morgen

Die vier Jahre, die Sociomantic für sein imposantes Wachstum gerade mal benötigte, erscheinen auf den ersten Blick als kurzer Zeitraum. In Wirklichkeit war der Erfolg von Sociomantic von langer Hand vorbereitet.

Die Mitgründer Lars Kirchhoff und Thomas Nicolai kennen sich seit über zehn Jahren, sie haben zusammen in Sankt Gallen promoviert und dort gemeinsam die Grundlagen für die Technologie von Sociomantic entwickelt.

Nicolai und der dritte Gründer, Thomas Brandhoff, trafen sich bei Zanox, wo beide zuvor arbeiteten. Die Zeit bei dem Berliner Werbevermarkter, der übrigens gerade den Sociomantic-Wettbewerber Metrigo übernommen hat, brachte Branchenwissen und wichtige Kontakte.

2. Kein Geschäftsmodell ist für die Ewigkeit

Während die Basistechnologie von Sociomantic immer gleich blieb, mussten die Gründer das darauf aufbauende Geschäftsmodell mehrmals drehen, insgesamt drei Mal. Die erste Idee – frei verfügbare Informationen im Internet zu crawlen, daraus einen globalen Social Graph zu bauen und diesen gegen Kundendatenbank großer Firmen zu matchen – landete wegen Datenschutzbedenken nach einem halben Jahr im Papierkorb.

Die zweite Idee ging mehr in Richtung Yield-Optimierung, das dritte Modell war Social Targeting, mit ersten Anfängen von Real-Time-Bidding-Technik, also der Echtzeit-Versteigerung von Online-Werbeplätzen. Und schließlich wurde eine Demand-Side-Plattform für den Online-Werbemarkt daraus.

3. Sparsamkeit ist Trumpf

Wer länger braucht, um sein Geschäftsmodell zu finden, muss sich während der „Findungsphase“ irgendwie über Wasser halten. Die Sociomantic-Macher übernahmen nebenher Projekt- und Auftragsarbeit für andere Unternehmen wie Zanox oder die Schweizer PubliGroupe. Und sie achteten peinlich genau auf ihr Geld. „Es geht um harte Arbeit, saubere Finanzen und Zurückhaltung“, erzählt Nicolai. „Wenn man am Anfang sauber haushaltet, kann man auch ein höheres Risiko gehen.“

4. Banken sind besser als ihr Ruf

Sociomantic gehört noch heute zu hundert Prozent den drei Gründern. Das war so nicht unbedingt geplant. Doch weil Investoren entweder zu langsam oder nicht risikobereit genug waren, kam nie ein Deal zustande.

Stattdessen marschierten die Gründer zur Bank und nahmen einen klassischen Kredit auf, auf eigenes Risiko. Das sei in zwei Wochen durch gewesen, erinnert sich Nicolai. Und gab dem Team die Möglichkeit, sich auf die Arbeit am Produkt zu konzentrieren – und das Geschäftsmodell wieder und wieder zu ändern, ohne dass ein Investor dazwischen funkte.

5. Kein Gründer kann alles selbst am besten

Wer so viel Zeit und Energie in sein Startup steckt, dem wächst das Unternehmen sehr wahrscheinlich ans Herz. Und dann loszulassen – das muss schmerzen. Trotzdem: Schon 2012 holten die drei Gründer mit dem Google-Mann Jason Kelly einen neuen Chef von außen – weil sie überzeugt waren, dass jemand anderes in dieser Phase des Unternehmens einen besseren Job machen würde.

Wahrscheinlich braucht jeder Gründer etwas Größenwahn. Genauso wichtig ist aber die Akzeptanz der eigenen Grenzen.

6. Sichtbarkeit ist kein Selbstzweck

Sociomantic rangierte lange unter dem Radar der deutschen Startupszene – was zwar auch an fehlenden Mitteln für Marketing und PR lag, den Gründern aber eigentlich sehr recht war. Sie wollten den Kopf runter nehmen, mit Vollgas am Unternehmen arbeiten. Ihre Kunden würden sie auf den üblichen Szene-Veranstaltungen kaum antreffen – also blieben sie lieber unter sich.

Dazu kommt: Der Online-Werbemarkt ist heiß umkämpft. „Wenn man in so einem Markt überleben will, sollte man sich nicht zu früh aufs Schlachtfeld begeben“, sagt Thomas Nicolai. „Wir haben uns also immer ein bisschen in den Wäldern drum herum versteckt.“

Bild: Gründerszene