Ein Beitrag von Sebastian Rave, der als Interim-Manager unter anderem bereits dabei half, Glossybox und Scarosso zu professionalisieren.

Die Zahl gescheiterter Startups ist hoch. Oft geraten selbst gehypte und schnell wachsende Unternehmen ins Straucheln, die Gründer müssen plötzlich ihren Hut nehmen und die Gesellschafter sind unzufrieden. Läuft es schlecht, kommt es immer wieder zum Zerwürfnis zwischen Gründern und Investoren. Dabei gehen nicht alle diese Unternehmen den Weg in die Insolvenz. Manchmal beauftragen die Investoren nach dem Ausscheiden der Gründer einen Interims-CEO, der Erfahrung mit sanierungsbedürftigen Unternehmen hat.

Nicht selten entstehen diese Situationen, weil sich das Unternehmen zwar zu einem soliden Mittelständler, nicht jedoch zu dem viel beschworenen „Category Killer“ entwickelt hat. Damit wird das Startup für Business Angels und Venture-Capital-Fonds, die auf hohe Rendite setzen, zunehmend uninteressant. Und damit auch für den Gründer. Der macht erst Kasse, nachdem die Investoren ihr Geld zurückbekommen haben. Das ist schwierig, wenn anfangs viel Kapital aufgenommen wurde. Deshalb gehen viele Gründer das Thema Restrukturierung gar nicht oder zu zögerlich an.

Sanierungsbedarf entsteht also oft erst durch untätige Gründer. Wenn das Startup nicht so rasant wächst wie geplant, müssen alternative Strategien entwickelt werden. Es kann sinnvoll sein, Umsatzwachstum als wichtigstes Ziel in Frage zu stellen. Gründer können dadurch schlechte Presse vermeiden und potenziell von einem Exit unter der letzten Bewertung profitieren – wenn sie die Restrukturierung selbst in die Hand nehmen und so einem unfreiwilligen Abgang zuvorkommen.

Doch wie gehen Gründer die Sanierung am besten an?

1. Von Anfang an effiziente Strukturen schaffen

Der größte Hebel des Sanierers sind die Personalkosten, denn diese laufen in der Wachstumsphase häufig völlig aus dem Ruder. Ein Grund für unkontrolliertes Hiring ist, dass viele Gründer das Tagesgeschäft nicht aus der Hand geben können oder wollen. Wer jeden Prozessschritt kontrollieren will, versinkt in Arbeit; so entsteht meistens der Eindruck, man bräuchte mehr Mitarbeiter, um die anfallenden Aufgaben bewältigen zu können.

Dabei liegt die Lösung im Schaffen von Prozessen mit klaren und dokumentierten Arbeitsanweisungen – und in der Strukturierung des eigenen Arbeitens. Grundsätzlich gilt: Ein Gründer sollte sich mit dem Tagesgeschäft nicht täglich befassen müssen. Deshalb ist es von Anfang an eine der wichtigsten (und schwierigsten) Aufgaben des Gründers, ein starkes Executive-Team einzustellen, zu beteiligen, weiterzuentwickeln – und nicht zuletzt zu halten. Um das Tagesgeschäft weniger kontroll- und personalintensiv zu machen, braucht ein Unternehmen außerdem Standards und Automatismen.

Ein einfaches Beispiel ist der Urlaubsantrag, durch den alle wesentlichen Fragen (welcher Mitarbeiter, Zeitraum, Vertretung, Resturlaub) gebündelt geregelt und dokumentiert werden. Komplexer wird es, wenn beispielsweise die Budgetplanung auf einzelne Abteilungen aufgeteilt und mithilfe verschiedener Kostenstellen quartalsweise mit den Ist-Zahlen abgeglichen wird. Quintessenz ist, dass der Gründer einen immer größer werdenden Teil seiner Kontrolle an die Organisation abgeben muss.

Solche Automatismen kann nur der Gründer durchsetzen, denn die Wandlung vom schnellen, flexiblen aber chaotischen Startup zum soliden Unternehmen ist für viele Mitarbeiter ein schmerzhafter Prozess. Auch wer angetreten ist, um mit seinem Unternehmen einen Hort des freien Geistes und der Kreativität zu erschaffen, kommt darum nicht herum. Ein Unternehmen mit 50 Mitarbeitern lässt sich nicht mehr am Kickertisch führen.

Das Gründer-Ego steht oft im Weg

Eine Herausforderung an dieser Stelle ist für viele Gründer das eigene Ego. Vielfach werden unnötig viele Mitarbeiter eingestellt, schließlich kann man sich über die Mitarbeiterzahl schon früh besser profilieren als über Umsätze, Bestellungen oder Userzahlen. Wer viel einstellt, vernachlässigt zudem nicht selten die Qualität der Mitarbeiter. Eine hohe Fluktuation stellt keine Qualität sicher, sondern ist einfach nur teuer und erschwert es, Prozesse einzuhalten.

Einen schweren Fehler gilt es bei der Internationalisierung zu vermeiden: die mangelhafte Kompetenzverteilung zwischen der Zentrale und den Zweigstellen. Dies führt nicht nur zu politischen Kämpfen zwischen den Einheiten, sondern auch zur ineffizienten Dezentralisierung von Aufgaben. Manche Aufgaben könnten mit den richtigen Prozessen ebenso gut zentral erfüllt werden. Wer acht Landesgesellschaften hat und jede davon eine eigene Performance-Marketing- und Design-Abteilung beschäftigen lässt, kann sicherlich effizienter operieren.

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2. Plan B – Alternativen zum Wachstum?

Wer auf Wachstum setzt, braucht mehr Personal als jemand, der in Richtung Gewinn optimiert. Deshalb sollte sich jeder Gründer (am besten in direktem Austausch mit der Buchhaltung bzw. dem CFO) frühzeitig über einen Personalplan B Gedanken machen – manchmal gerät die Wachstumskurve flacher als die Prognose. Dieser Plan B sollte das absolute Minimum an Mitarbeitern beinhalten, das für den Erhalt (nicht die Weiterentwicklung) des laufenden Geschäfts unbedingt erforderlich ist. Hier ergibt es Sinn, sich Unterstützung von außen zu suchen. Als Insider ist man meist zu großzügig. Dasselbe gilt im Übrigen für alle anderen Kosten. Die Erfahrung zeigt allerdings, dass im Personalbereich die größten Einsparpotentiale schlummern.

Zu guter Letzt: Wer noch keine Umsätze erzielt, sollte sich dringend Gedanken über die Monetarisierung machen. Ohne Umsatz hilft die beste Restrukturierung nichts, wenn das Geld alle ist.

3. Transparenter Austausch mit den Investoren

Grenzen des Wachstums zeichnen sich früh anhand der wesentlichen KPIs ab. Sie richtig zu interpretieren darf von jedem Gründer erwartet werden. Natürlich sollte man nicht bei jedem Rückschlag den Kopf in den Sand stecken. Wenn sich aber ab einem bestimmten Umsatzvolumen die Customer-Acquisition-Cost trotz größter Anstrengung nicht mehr unter den Customer-Live-Time-Value bringen lässt, ist möglichst schnelles Wachstum mangels Nachhaltigkeit vielleicht nicht das beste Unternehmensziel. Dies sollte man klar an die Investoren kommunizieren und das offene Gespräch suchen. Vom Investor zu erwarten, dass er die Zeichen selbst erkennt („stand doch alles im Reporting“), wird Ärger nach sich ziehen.

Je früher man eine solche Entwicklung anspricht, desto besser. Denn selbst wenn das Unternehmen am Ende insolvent ist, steht der Gründer nicht als derjenige da, der ohne nachzudenken das ganze Investment auf den Kopf gehauen hat. Mehr noch: Wer mit seinen Investoren transparent kommuniziert, hat die Chance, sie auf eine alternative Strategie festzulegen. Diese könnte beispielsweise die Wende in Richtung moderates Wachstum mit positivem Cash Flow vorsehen. Und wer ein profitables Unternehmen geschaffen hat, findet in kleineren und mittelgroßen Private-Equity-Fonds äußerst attraktive Exitkanäle, die wiederum den Gründer an ihrem zukünftigen Erfolg teilhaben lassen (Stichwort: Buy-Out des Managements).

Oft haben Investoren zu viel investiert, um bei der aktuellen Unternehmensgröße durch einen Verkauf ihren Einsatz zurückerhalten zu können. Das ist zwar nicht schön, aber schlechte Investments sind von jedem VC fest einkalkuliert. Insofern gilt: auch dann das nahende Ende frühzeitig ansprechen. Investoren verlieren lieber ein halbes Investment als ein ganzes.

4. Klares und konsequentes Handeln nach innen

Ist die alternative Strategie gefunden und der Investor überzeugt, muss sie kompromisslos umgesetzt werden – kurz und schmerzlos. Die vor dem Unternehmen und seinen Mitarbeitern liegende Zeit wird schwer genug. Zwei Fehler sind hier häufig zu finden: Zum einen wird den Mitarbeitern nicht die Wahrheit gesagt, was außer der eigenen Bequemlichkeit niemandem nützt. Es führt lediglich zur Verunsicherung und Frustration der Mitarbeiter, deren Job sicher ist und so zu schlechterer Stimmung.

Zum anderen wird die Restrukturierung nur so weit geführt, bis das Unternehmen sich aus eigener Kraft hält – und nicht, bis seine Profitabilität optimiert ist. Hier hilft der strategische Blick: Nicht pleite sein ist zwar schön, das kauft aber niemand. Ist die Wachstumsstory vorbei, bestimmt sich der Kaufpreis fast ausschließlich nach dem operativen Cash Flow – und der kommt nur von nachhaltiger Profitabilität. Mitarbeiter zu entlassen ist nie angenehm, dennoch sollte man es richtig machen.

Diese Vorschläge sind auch für Gründer wichtig, bei denen alles nach Plan läuft. Der Aufbau eines schlagkräftigen Kernteams und das Schaffen effizienter Strukturen in Form von dokumentierten und kontrollierten Prozessen sollte jedem Gründer am Herzen liegen. Wer außerdem weiß, wie und wann er sein Startup von Investoren unabhängig machen kann, sieht Pitches und Beiratssitzungen gelassener entgegen. Und der ein oder andere mag feststellen, dass sein Unternehmen näher an der Profitabilität ist als gedacht.

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