Ihr habt das Handy immer bei Euch? Gesund ist das offenbar nicht.

Eine breit angelegte Studie der US-Regierung befeuert die Debatte über die Frage, ob die Strahlung von Handys zur Krebsentstehung beitragen kann. Eine nach wissenschaftlichen Standards durchgeführte Studie des National Toxicology Program (NTP) stellte bei männlichen Ratten einen schwachen Zusammenhang zwischen den Strahlen, wie sie von Handys emittiert werden, und zwei Tumorarten fest.

Die Ergebnisse widersprechen bisherigen wissenschaftlich fundierten Studien zum Thema, die eine Krebsgefahr durch Handystrahlen überwiegend verneint hatten. Über die aktuelle Studie hatte unter anderem das Wall Street Journal berichtet. Festgestellt wurde der schwache Zusammenhang für Hirntumore und Tumore im Herzen.

Dabei handelt es sich um ein Zwischenergebnis einer lange angelegten Studie, das nicht in einem wissenschaftlichen Journal veröffentlicht wurde und damit auch nicht durch ein sogenanntes Peer-Review-Verfahren anderer Forscher überprüft wurde. Zudem fanden die Forscher den schwachen Zusammenhang nur bei männlichen Ratten und nicht bei weiblichen.

Sollte sich der Verdacht erhärten, wäre aber selbst ein schwach ausgeprägter Zusammenhang zwischen der Handystrahlung und Tumoren brisant. Angesichts der enormen weltweiten Nutzung mobiler Kommunikation in allen Altersklassen hätte selbst ein geringer Anstieg einer Krankheit aufgrund der Aussetzung mit Strahlen „große Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit“, schreiben die Forscher in einem Zwischenbericht.

Eine der größten Studien zur Handystrahlung überhaupt

Laut Wall Street Journal handelt es sich bei der aktuellen US-Regierungsstudie mit Kosten von 25 Millionen Dollar um eine der bislang größten und umfassendsten Studien zu den gesundheitlichen Auswirkungen von Handystrahlen. „Es handelt sich um die lange erwarteten Ergebnisse einer wichtigen Studie, die sehr sorgfältig aufgebaut war“, sagte die Strahlenforscherin Elisabeth Cardis vom Centre for Research in Environmental Epidemiology (CREAL) in Barcelona der Welt.

Cardis hatte die sogenannte Interphone-Studie durchgeführt, die bereits 2011 Hinweise auf einen möglichen schwachen Zusammenhang zwischen der Nutzung von Mobiltelefonen und den zwei Tumorarten fand, die auch Gegenstand der aktuellen Untersuchung waren: Schwannome im Herzen, Tumore des Nervensystems, und Gliome, eine Klasse von Tumoren, die im Gehirn entstehen.

Als Reaktion auf Cardis‘ Interphone-Studie bewertet die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Nutzung von Mobiltelefonen seit 2011 als potenziellen Krebserreger der Stufe 2B. In dieselbe Kategorie fallen neben dem Pflanzengift DDT beispielsweise auch bestimmtes eingelegtes Gemüse oder Kaffee. Die Forscher selbst wiesen allerdings damals auf methodische Schwächen ihrer Studie hin. So basierte beispielsweise die Auswertung der Handynutzung auf Befragungen.

Tumor-Fallzahlen sind sehr gering

Allerdings warnt Strahlenforscherin Cardis vor voreiliger Panikmache. „Die Tumor-Fallzahlen waren in der NTP-Studie recht gering, und die Ergebnisse wurden in der Studie lediglich als ,geringe Auftretenshäufigkeit‘ von Gliomen und Schwannomen im Herzen bezeichnet“, sagt Cardis. Aufgrund der enormen Kosten solcher extrem kontrollierter Experimente seien nur 90 männliche und ebenso viele weibliche Ratten pro Untersuchungsgruppe den Strahlen ausgesetzt worden.

Dennoch hält sie die Ergebnisse für relevant: „Weil Gehirntumore und Schwannome sowohl unter Tieren als auch unter Menschen selten sind und weil es Milliarden Handynutzer weltweit gibt, sind diese Ergebnisse sehr wichtig, um mögliche Gesundheitsauswirkungen mobiler Kommunikationstechnik zu bewerten“, sagt Cardis. Pro 100.000 Einwohner würden in Europa jährlich nur vier bis zehn Fälle von Gehirntumoren auftreten. „Die Leute, die bislang behaupteten, es gäbe gar kein Risiko, werden das künftig vermutlich nicht mehr sagen“, zitiert das Wall Street Journal Ron Melnick, der die Studie bis 2009 leitete.

Eine ebenfalls im Mai veröffentlichte Studie von Forschern der Universitäten von Sydney und Neusüdwales, die in der Fachzeitschrift Cancer Epidemiology veröffentlicht wurde, hatte allerdings erst kürzlich wieder Entwarnung gegeben. Weitgehend Konsens unter Forschern war bisher, dass Handystrahlung für Menschen ungefährlich ist und sich höchstens in einer leichten Erwärmung der menschlichen Zellen in unmittelbarer Nähe des Handys auswirkt.

2500 Ratten und Mäuse wurden Handystrahlung ausgesetzt

In der aktuellen NTP-Studie wurden über zwei Jahre mehr als 2500 Ratten und Mäuse in unterschiedlichen zeitlichen Abständen mit Radiofrequenzen bestrahlt, wie sie typischerweise Handys zur Kommunikation nutzen. Die Ratten wurden ihr Leben lang mit Handystrahlen des amerikanischen CDMA- und des auch in Europa genutzten GSM-Standards in einer üblichen Frequenz von 900 Megahertz bestrahlt. Die Bestrahlungen erfolgten dabei jeweils 18 Stunden am Tag, allerdings nicht durchgängig. Auf zehn Minuten mit Bestrahlung folgten zehn Minuten ohne. Zusammengerechnet wurden die Ratten so täglich neun Stunden der Strahlung ausgesetzt.

Die Mäuse wurden einer anderen typischen Handystrahlenfrequenz von 1900 Megahertz ausgesetzt. Eine Veröffentlichung der Ergebnisse dieser Studie steht noch aus. Die Endauswertung haben die NTP-Forscher für Herbst 2017 angekündigt.

Die Untersuchung wurde von der amerikanischen Food and Drug Administration (FDA), der US-Behörde für Arzneimittel- und Lebensmittelsicherheit, vor rund 20 Jahren in Auftrag gegeben. Die US-Behörde NTP hatte das IIT Research Institute in Chicago mit der Durchführung beauftragt. Laut den Forschern habe die Entwicklung des Studien-Designs aufgrund der hohen Komplexität des Themas mehrere Jahre gebraucht.

Noch ist unklar, ob die Ergebnisse auch politische Auswirkungen auf die Regulierung von Handys haben werden. Ein Sprecher der US-Regulierungsbehörde FCC sagte dem Wall Street Journal, dass sich die Regulierung immer nach dem Stand der Forschung richte, und deutete an, dass es aufgrund der jüngsten Erkenntnisse Anpassungen geben könnte.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Welt Online.

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