Stephan Krafczyk, Carsten Mahrenholz, Tobias Güra und René „Dr. Plasma“ Bussiahn von Coldplasmatech


Bevor wir zu diesem biblischen Gleichnis von David und Goliath kommen – ist eines so sicher wie das Amen in der Kirche: Für jeden potentiellen Unternehmer wird irgendwann ein Amtsweg zur Pflicht. Und so begab es sich, dass vier Gelehrte – einer weiser als der andere – am 16. Juni 2015 sich zum Notar in Greifswald begaben, um der Geburt der Coldplasmatech GmbH beizuwohnen. Wir folgten allerdings keinem Stern, sondern einer Vorgabe des BMWi: Wer in die zweite Förderphase eines EXIST-Forschungstransfers will, muss einen Eintrag im Handelsregister vorweisen können. Eine wenig transzendente, doch dafür umso pragmatischere Vorgabe. In den altehrwürdigen Hallen des Notariats wird man sich auch der nun bevorstehenden Verantwortung bewusst, mit der die Beurkundung einhergeht. Eine GmbH-Gründung ist ein eher schmuckloser, formeller Akt, der mit der Durchsicht von Unterlagen und der Unterrichtung in relevanten Gesetzestexten seitens des Notars einhergeht.  Ein gewöhnlicher Tag für den Notar – ein großer für uns!

Auch wenn es den meisten unangenehm ist, über Finanzielles und Verträge zu reden, so ist offene Kommunikation zwischen den Gründern im Vorfeld der Gründung von elementarer Bedeutung. Nicht nur sämtliche Szenarien müssen durchgespielt werden, sondern das Unternehmen und das Miteinander der Gesellschafter müssen auf eine solide Basis gesetzt werden. Und hier unser Rat: Tut euch selbst den Gefallen und zieht juristischen Beistand hinzu, der offen mit allen Beteiligten diesen wichtigen Schritt begleitet. Verträge im Nachhinein zu verhandeln und Absprachen nur per Handschlag zu besiegeln scheitert in den meisten Fällen und ist eher eine Legende aus schlechten Mafia-Komödien. Am Ende ist es wie so oft: Eine Unterschrift besiegelt eine Entscheidung, die unser Leben verändern kann. Und so gaben wir uns wie vor dem „Traualtar“ das GmbH-Ja-Wort.

So sehen Gründer aus, wenn sie sich vor dem Notar das Ja-GmbH-Wort geben müssen.

Ob sich Alexander Wacker am 13. Oktober 1914 in Traunstein ähnlich fühlte, als er sein Unternehmen gründete, können wir nur vermuten. Vielleicht feierte er bei einer ordentlichen Maß Weizen im Festzelt. Doch aus seiner damaligen Gesellschaft für elektrochemische Industrie KG ist in den letzten 100 Jahren ein multinationaler Chemie-Konzern geworden – ein wahrer Goliath der Chemie-Branche: die Wacker Chemie AG.

Wir hingegen sind ein kleines Start-Up: innovativ, wendig, motiviert und mutig – ein David. Sind wir also Gegner? Ist der übergroße Konzern ein Feind, den es zu meiden gilt, mit dem wir uns auf eine Konfrontation einstellen müssen? Werden wir überhaupt gesehen? Wie ist die Luft da oben? Gibt es vielleicht eine Chance, wie die kleinen mit den Großen spielen können oder gar die ungleichen Partner voneinander profitieren können? Im ersten Moment denkt man an bekannte Beispiele für Exits, wo Start-Ups durch große Konzerne aufgekauft wurden. In den Chroniken der Gründerszene findet man aber auch viele negative Erfahrungsberichte, wo gerade junge Gründer auch mannigfaltige Probleme mit der Größe dieser global agierenden Unternehmenskonstrukte hatten. Hier treffen kleine Teams auf durchorganisierte Hierarchien mit einer bemerkenswerten Infrastruktur.

Mittlerweile kennt jeder das Harvard-Prinzip. Vereinfacht gesagt sind die Lösungen die besten, die beide Seiten mit Vorteilen ausstatten. Und diese Lösungen gilt es zu suchen – ob in einer Verhandlung oder einer Businesspartnerschaft.

Was haben wir also, was einen Riesen interessieren könnte? Ideen? Technologie? Ähnliche Ziele?

Grundlage für jede Zusammenarbeit sind für uns die bewährten kaufmännischen Prinzipien*, um auch vertrauensvoll und partnerschaftlich miteinander zu arbeiten. Daher sollten sich spätestens jetzt alle Gründungswilligen in der Videothek des Vertrauens in der Abteilung „Klassiker“ Die Buddenbrooks besorgen. Vieles, was im alltäglichen Business geschieht, findet hier seine Ursprünge. Na gut, ihr dürft auch Wall Street schauen – Geld schläft ja bekanntermaßen nie! Bis jetzt haben wir nur Unternehmen kennenlernen dürfen, die wertschätzend, ehrlich und offen auf uns zugegangen sind. Trotzdem sollte man sich mit gebührendem Respekt und Vorsicht begegnen, um den Einzelfällen vorzubeugen. Falls wir an ein schwarzes Schaf geraten, seid Ihr die ersten, die es in der Kolumne erfahren. Basierend auf diesen kaufmännischen Prinzipien nähert man sich an und findet (hoffentlich) aneinander Interesse.

Die Anfänge unserer Partnerschaft mit Wacker liegen rund 2 Jahre zurück und bilden zeitgleich eine feste Säule bei der Entwicklung unserer Plasma-Patches, die in naher Zukunft bei der Behandlung chronischer Wunden neue Maßstäbe setzen sollen. Ohne zu sehr ins Detail zu gehen: Wir haben einen gemeinsamen Nenner mit WACKER gefunden, den wir seitdem zusammen ausbauen – eine für beide Seiten positive Basis der Zusammenarbeit.

Übrigens können wir die GmbH-Gründung mit einem erfolgreichen Start in die Förderphase 2 und einem Innovationspreis – oder besser gesagt einem Doppelerfolg beim IQ-Preis Mitteldeutschland – untermauern. Wir wurden in den Naumburger Dom zur feierlichen Preisverleihung am 01.07.2015 in ein wunderbares Ambiente eingeladen. Neben Vertretern aus Politik und Wirtschaft fanden sich auch zahlreiche Gründer aus Mitteldeutschland ein – darunter auch alte Bekannte, die wir mittlerweile aus der deutschen Gründerszene kennen. Hier zeigt sich der Wert eines sich ständig erweiternden Netzwerkes. Eingereicht und vorgestellt hatten wir unser Plasma-Patch in der Kategorie Life Science und mussten auch hier wieder gegen harte Konkurrenz antreten.

Und die Spannung stieg als der Sieger verkündet wurde: „Chapeau an Coldplasmatech!“, hieß es nach der Vorstellung der Nominierten. Es war ein einprägsamer Augenblick im altehrwürdigen Dom. Überraschender und emotionaler war die Bekanntgabe des Gesamtsiegers des IQ-Preises Mitteldeutschlands, der unter mehr als 200 Teilnehmern ausgewählt wurde. Da wir bereits in einer Kategorie gewonnen hatten, war die Anspannung gefallen und wir hatten nicht mehr mit weiteren Ehrungen gerechnet. Bis kurz vor der Auslobung des Gesamtsiegers ein Zettel mit der Aufschrift „Gratulation zum Gesamtsieg, Coldplasmatech“, stillschweigend von hinten in unsere Mitte gereicht wurde. Und da hieß es schon: „Die Herren von Coldplasmatech mögen bitte erneut nach vorne kommen.“ Das Team aus Greifswald hat die strenge Jury zwei Mal überzeugen können.

Stätte des Doppelsieges: der altehrwürdige Naumburger Dom.

Die Feier ging bis 2 Uhr morgens und war begleitet von einem wunderbar organisierten Rahmenprogramm auf dem Gelände des Doms zwischen Weinberg und Barbecue Grill. Sorry, dass wir wieder den Rausschmeißer machen mussten, aber um halb zwei kamen dann die Kellner und meinten, dass Sie morgen wieder früh raus müssten. Feierabend – hmm, ein Fremdwort für Gründer.

Das Team nach der Preisverleihung mit Zuwachs (ganz links unser Axel, das Fertigungsgenie) und
Dajana Westenberg von WACKER Chemie.

*Eine genauere Definition des „ehrbaren Kaufmanns“ findet Ihr auf den Seiten der Humboldt-Universität (http://www.der-ehrbare-kaufmann.de). Zu seinen Tugenden gehören Redlichkeit, Sparsamkeit, Weitblick, Ehrlichkeit, Mäßigkeit, Schweigen, Ordnung, Entschlossenheit, Genügsamkeit, Fleiß, Aufrichtigkeit, Gerechtigkeit, Mäßigung, Reinlichkeit, Gemütsruhe, Keuschheit und Demut. (Anm. Tobias: Zwar hat Carsten noch so seine Probleme mit Keuschheit, Demut und Schweigen, aber er arbeitet kontinuierlich daran.) (Anm. Carsten: Nicht wirklich…)

Hier die ersten drei Teile unseres Gründertagebuches von Coldplasmatech:

Teil 1: Wir sind die Sieger

Teil 2: Zwischen Laudatio und Laboralltag

Teil 3: Sonnenfinsternis, Torte und noch ein Gründerpreis

Fotos: Coldplasmatech