Felix Petersen (Amen) und Conrad Fritzsch (Tape.tv)
Felix Petersen (Amen) und Conrad Fritzsch (Tape.tv) Felix Petersen (Amen) und Conrad Fritzsch (Tape.tv)

Tape.tv kauft Amen

Antworten zum Deal zwischen Amen-Gründer Felix Petersen und Tape.tv-Gründer Conrad Fritzsch.

Wer geht mit zu Tape.tv?

„Das gesamte Team“, sagt Felix Petersen gegenüber Gründerszene. Neben ihm als künftigem Tape-Produktchef wechselt auch Mitgründer Florian Weber zum Musikfernsehanbieter. Weber war einst der erste Entwickler, der mit Jack Dorsey an Twitter arbeitete. Am Dienstagabend checkte Weber via Foursquare bei Tape ein und schrieb: „Hacking with the crew.“ Auch Felix Petersen checkte demonstrativ bei seinem neuen Arbeitgeber ein. Mitgründer Caitlin Winner hat das Amen-Team hingegen schon vor Monaten verlassen. Insgesamt gehen rund zehn Leute zum neuen Arbeitgeber. Ob und wieviel Geld geflossen ist, dazu will sich Petersen nicht äußern, außer: „Alle sind happy.“

Was haben Fritzsch und Petersen vor?

Das Ziel ist: Die User noch mehr einbinden, sie eigene Boards oder Listen mit Lieblingsvideos zu bestimmten Themen erstellen lassen. Und das Empfehlungsmanagement verbessern, wie Fritzsch gegenüber Gründerszene sagt. Er will die drei Kanäle – Social-, Behaviour- und Editorial-Empfehlungen noch mehr zusammen führen. „Es wird über Content – siehe Tatort – im Social Web diskutiert, aber die Contentproduzenten haben darüber nicht die Ownership. Wir wollen etwas bauen, dass wir direkt am Content einbinden, und nicht nur Kommentare, sondern eine Möglichkeit, dass sich User wirklich austauschen können.“ Damit soll der User ein Teil der Redaktion werden; User sollen die Chance haben mit den Musikvideos spielerisch umzugehen, so dass es Spaß macht. „Darum passt die Hochzeit mit Amen wie Arsch auf Eimer: Wir kennen uns mit Content aus, und Amen mit Engagement.“

Und mobile wollen er und Petersen vorankommen, bisher hat Tape nur ein Mobileangebot, das browserbasiert läuft. „Es ist klar, dass Musikfernsehen künftig nicht im Browser, sondern auf Tablets, Smartphones und Co. stattfinden wird“, sagt Petersen.

Warum hat Amen nicht funktioniert, Felix Petersen?

Der Nutzwert sei vielen nicht deutlich geworden, sagt Petersen. Auf Amen konnte jeder User das Beste von irgendetwas bewerten. Daraus sollten Listen entstehen, die am Ende nützliche Ergebnisse liefern sollten wie „Die beste Currywurstbude in Berlin-Mitte“. Das Engagement der User sei groß gewesen, „die Viralität haben wir außerhalb von Amen aber nicht hinbekommen.“

Wie sieht das Tape-Geschäftsmodell in Zukunft aus?

Neben Werbung, auf die Tape weiter setzen will, arbeitet das Team an einem Abo-Modell. Man müsse viel ausprobieren, sagt Fritzsch. Im September startet ein Kooperation mit Vodafone, der Netzbetreiber darf exklusiv auf Tape werben. Für das kommende Frühjahr strebt Tape eine neue Finanzierung an.

Was bleibt von Amen?

Amen war eine schicke Idee, die am Ende in der bestehenden Form niemand brauchte. Ja, es hat Spaß gemacht, zu Beginn wie bekloppt das Beste von allem zu wählen. Aber auch ja: Es war irgendwann langweilig; die kritische Masse, um Nutzwert zu generieren, hat gefehlt. Der Versuch von Amen, mit der im Frühjahr gelaunchten App Thanks (im Prinzip wie Amen, nur mit anderer Verkaufe: „Thanks, for the best advice“) die Idee zu retten, kam zu spät. Ob Amen nun abgeschaltet wird, ist offen. Petersen will die Plattform erstmal stehen lassen, vielleicht als Fun-Projekt weiterbetreiben, aber keine Ressourcen mehr in die Weiterentwicklung stecken.

Im Prinzip, sagt Petersen, habe Amen einen ähnlichen Lebenszyklus wie ein Game gehabt: „Erst spielen alle wie verrückt Angry Birds, dann musst du nach einer gewissen Zeit ein neues Produkt hinterherschießen, sonst ist das Game tot.“
Die Gründer setzten zu sehr auf diesen Game-Ansatz, ein Geschäftsmodell wollten sie zu Beginn sowieso erst später finden.

Die Erwartungen an das Startup waren von Beginn an sehr hoch. Dazu hatte das Unternehmen selbst beigetragen. Mit wuchtiger PR (u.a. Ashton Kutcher als Investor), die am Ende aber auch für Häme sorgte, als es nicht funktionierte. So wurde Amen vom gehyptesten Startup Berlins zu dem, das in der Szene sehr viel Spott erntete.

Trotzdem haben Amen und der Hype dazu beigetragen, dass international bemerkt wurde, dass in Berlin auch eine andere Startup-Szene – jenseits von E-Commerce und Geklone – stattfindet. Ein völlig neues Produkt zu launchen, ist auf seine Art deutlich riskanter als den x-ten Onlineshop zu bauen. Und aus einem neuen Produkt ein Business zu machen, damit tut sich selbst Foursquare zum Beispiel immer noch schwer. Amen ist schon vorher gescheitert.

Was bedeutet der Deal für Tape?

Für Tape.tv bedeutet der Zusammenschluss mit Amen vor allem eines: Das Unternehmen bekommt eine Truppe, die sowohl Produkt- als auch technikerfahren ist – und mit der es den sozialen Ausbau des Musikangebots vorantreiben kann.

Content ist und bleibt schwierig zu vermarkten im Internet. Vor allem, wenn es kein Content ist, den User selbst produzieren – und damit ein ureigenes Interesse haben, ihr Youtube-Video oder ihr Pinterest-Board oder ihren Soundcloud-Upload im Social Web zu promoten. Dass User künftig ihre eigenen Musikboards oder -listen (an der Lösung, was der beste Weg ist, arbeiten Fritzsch und Petersen noch) zusammenstellen können, ist zumindest ein Ansatz Viralität in das Produkt Musikfernsehen zu bringen.

Es ist der richtige Weg auch auf Abomodelle zu setzen. Doch auch die Verlage kämpfen um den richtigen Umgang mit Paid-Content-Strategien. Fritzsch weiß das, darum setzt er nun auf große Partner. Seine Inhalte sind bereits jetzt auf anderen Plattformen zu sehen. Mit Stroer hat er einen großen Media-for-Equity-Deal im mittleren zweistelligen Millionenbereich an Land gezogen. Doch bevor er Deutschland nun mit seiner Werbung vollballert, muss er mobile deutlich ausbauen.

Und vielleicht ergeben sich aus Kooperationen wie mit Vodafone ja auch weitere Möglichkeiten. Tape braucht Vertriebspartner, die neben der Werbung für Masse und Aufmerksamkeit sorgen. Und Netzbetreiber brauchen einen Beweis, warum ihre Kunden wirklich ihr teures LTE-Netz brauchen. Musikfernsehen wäre eine Möglichkeit für einen Ausbau des Deals, von dem beide Seiten etwas hätten.

Bild: Tape.tv; ursprüngliche Version des Artikels mit reiner News und Link zur eklusiven Geschichte der Wirtschaftswoche am 27. August 2013, gegen 18 Uhr. Update um ca. 20:30 Uhr