Republican National Convention: Day Four
Republican National Convention: Day Four Seriengründer und Milliardär Peter Thiel

Das folgende Interview mit Peter Thiel stammt aus dem Buch „Tools der Titanen – Die Taktiken, Routinen und Gewohnheiten der Weltklasse-Performer, Ikonen und Milliardäre“ von Timothy Ferriss und ist im FinanzBuch Verlag erschienen. Seine Bücher „Die 4-Stunden-Woche“ und „Der 4-Stunden-Körper“ standen auf der Bestseller-Liste der New York Times.

Peter Thiel ist als Unternehmensgründer ein Serientäter (PayPal, Palantir), als Investor schon Milliardär (erster externer Investor in Facebook und über hundert weitere Unternehmen) und hat als Autor Zero to One geschrieben. Seine Ausführungen zu Differenzierung, Wertschöpfung und Wettbewerb allein haben mir zu manchen der besten Anlageentscheidungen meines Lebens verholfen (etwa bei Uber, Alibaba und anderen).

  • Peter ist bekanntermaßen Meister des Debattierens. In meinen Podcasts beantwortete er Fragen von meinen Fans, die auf Facebook hochgevotet wurden. Beachten Sie, wie oft er Fragen umformuliert (also prüft, ob auch die richtige Frage gestellt wurde), bevor er sie beantwortet. Wie er Formulierungen dabei in ihre Einzelteile zerlegt ist oft ebenso interessant wie seine Antwort.
  • Die „Tools“ in diesem Profil geben Peters Denke wieder – und seine übergreifenden Überzeugungen, an denen sich Tausende kleinerer Entscheidungen orientieren. Seine Antworten sollten Sie ruhig alle mehr als einmal lesen und sich danach fragen: „Wenn ich das glaube, wie wirkt sich das dann auf meine Entscheidungen in der nächsten Woche aus? Und in den nächsten sechs bis zwölf Monaten?“

Was hättest du gern schon vor 20 Jahren über die Wirtschaft gewusst?

Wenn ich zwanzig oder fünfundzwanzig Jahre zurückgehen könnte, dann gern in dem Wissen, dass man nicht abwarten muss. Ich ging aufs College, ich studierte Jura. Ich arbeitete als Jurist und als Banker, wenn auch nicht sehr lange. Doch erst mit der Gründung von PayPal wurde mir so richtig klar, dass man nicht abwarten muss, um etwas Neues anzufangen. Wenn Sie also in Ihrem Leben irgendetwas vorhaben und Ihr Ziel mit einem Zehnjahresplan erreichen möchten, sollten Sie sich fragen: Warum geht das nicht in sechs Monaten? Manchmal ist es tatsächlich nötig, die ganze, komplexe, zehnjährige Laufbahn zu durchlaufen. Doch man sollte sich zumindest gefragt haben, ob das wirklich so ist – oder ob man sich das nur selbst vormacht.

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ferriss „Tools der Titanen – Die Taktiken, Routinen und Gewohnheiten der Weltklasse-Performer, Ikonen und Milliardäre“ von Tim Ferriss, 720 Seiten, FinanzBuch Verlag

Wie wichtig sind Misserfolge im Geschäftsleben?

Ich glaube, Misserfolge werden total überbewertet. Die meisten Unternehmen scheitern aus mehr als einem Grund. Geht eine Firma pleite, kann man daraus oft gar nichts lernen, weil das Scheitern überdeterminiert war: [überdeterminieren: „[etwas] in mehr als einer Hinsicht oder unter mehr Bedingungen als nötig determinieren, erklären oder verursachen.“] Sie denken vielleicht, die Sache ging aus Grund eins schief, doch in Wirklichkeit waren es die Gründe eins bis fünf. Ihr nächstes Unterfangen scheitert womöglich aus Grund zwei, das übernächste aus Grund drei und so weiter. Deshalb meine ich, dass die Menschen aus Misserfolgen gar nicht so viel lernen. Ich glaube, sie sind langfristig eher schädlich und demoralisierend.

Für mich ist jeder Niedergang eines Unternehmens tragisch. Ich sehe darin keine ansprechende Ästhetik, sondern ein Blutbad. Doch so funktioniert Fortschritt. Ein lehrreicher Imperativ ist das aber nicht. Ich halte Pleiten daher weder für darwinistisch noch für einen solchen lehrreichen Imperativ. Sie sind schlicht und ergreifend stets eine Tragödie.

Welche großen Tech-Trends werden Ihrer Ansicht nach die Zukunft prägen?

Den Begriff „Trend“ höre ich gar nicht gern, denn sobald ein Trend vorhanden ist, gehen viele in dieselbe Richtung. Und sobald viele in dieselbe Richtung gehen, gibt es viel Konkurrenz und wenig Differenzierung. Ende der neunziger Jahre hätte wohl niemand gern den vierten Onlineshop für Tiernahrung aufgemacht. Und in den letzten zehn Jahren hätte keiner gern als zwölfter Anbieter Dünnschicht-Solarmodule vertrieben. Man möchte nicht das x-te Unternehmen in einem bestimmten Trend sein. Trends sollte man meiner Ansicht nach daher eher meiden. Mir ist ein gewisses Sendungsbewusstsein viel lieber als ein Trend.

Ich möchte hören, dass Sie an einer einzigartigen Lösung arbeiten, die sonst keiner bieten kann. Als Elon Musk SpaceX gründete, verfolgten er und sein Team die Mission, zum Mars zu fliegen. Dieses Leitbild mag Ihnen zusagen oder nicht, doch SpaceX strebte eine Lösung für ein Problem an, an dem sonst keiner arbeitete. Das wussten alle, die dort arbeiteten, und es motivierte sie ungeheuer. [An anderer Stelle schrieb Peter: „Der nächste Bill Gates würde kein Betriebssystem entwickeln, und der nächste Larry Page oder Sergey Brin keine Suchmaschine. Der nächste Mark Zuckerberg würde kein soziales Netzwerk aufbauen. Wer diese Leute kopiert, hat nichts von ihnen gelernt.“]

Was sagst du, wenn dir zu deiner Einstellung zum Studieren Heuchelei unterstellt wird, weil du ja selbst zwei Abschlüsse aus Stanford hast?

[Anmerkung: Viele Menschen betrachten Peter als Gegner der akademischen Bildung, weil seine Thiel Fellowship „jungen Menschen 100.000 Dollar anbietet, die etwas Neues entwickeln wollen, statt im Hörsaal zu sitzen“] Wie ich es sehe, finden die Leute immer Einwände. Wäre ich nicht in Stanford gewesen oder hätte nicht Jura studiert, würden sie sagen, ich wüsste ja gar nicht, was mir entgangen sei. Irgendwer findet immer ein Haar in der Suppe. Ich finde meine Haltung nicht scheinheilig, weil ich nie behauptet habe, dass ein Weg allein selig macht.

Würde ich sagen, dass keiner aufs College gehen sollte, dann wäre das heuchlerisch. Ich habe aber nur gesagt, dass nicht jeder den gleichen Weg gehen muss. An einer Gesellschaft kann doch etwas nicht stimmen, wenn die begabtesten jungen Leute alle dieselben Eliteunis besuchen und am Ende alle eines von wenigen Fächern studieren und eine von wenigen Laufbahnen einschlagen.

Das ist meiner Ansicht nach eine sehr engstirnige Herangehensweise an die Frage, was Menschen mit ihrem Leben anfangen sollten. Das engt unsere Gesellschaft und auch die Studenten selbst enorm ein. Das gilt durchaus auch für mich selbst, wenn ich auf meine Jahre in Stanford und an der juristischen Fakultät zurückblicke. Vielleicht würde ich das wieder so machen. Doch wenn ich noch einmal vor der Entscheidung stünde, würde ich mir mehr Gedanken darüber machen.

Ich würde Fragen stellen wie: Warum mache ich das? Nur, weil ich gute Noten und Testergebnisse habe und mir davon ein gewisses Prestige verspreche? Oder weil ich leidenschaftlich gern Anwalt werden möchte? Darauf gibt es meines Erachtens richtige und falsche Antworten. Und rückblickend war ich mit Anfang zwanzig viel zu sehr auf die falschen Antworten fokussiert.

BILD: Getty Images/Alex Wong

Republican National Convention: Day Four
Republican National Convention: Day Four Seriengründer und Milliardär Peter Thiel

Wie sieht deiner Ansicht die Zukunft der Bildung aus?

[Anmerkung: Diese Passage habe ich vor allem wegen der allerersten Zeile und ihrer Umformulierung ins Buch aufgenommen.] Das Wort „Bildung“ mag ich gar nicht, denn es ist so außerordentlich abstrakt. Ich spreche viel lieber vom Lernen. Qualifikationsnachweise oder die Abstraktion namens „Bildung“ beurteile ich sehr skeptisch.

Dann sind da all die granularen Fragen wie: Was lernen wir eigentlich? Warum lernen wir es? Geht einer aufs College, weil er vier Jahre Party feiern will? Ist es eine Konsumentscheidung? Oder eine Anlageentscheidung, mit der man in die Zukunft investiert? Ist es eine Versicherung? Oder ist es ein Wettbewerb, in dem man andere schlagen möchte? Und sind Eliteunis wirklich so eine Art Studio 54, wo es zugeht wie in einem exklusiven Nachtklub? Ich glaube, wenn wir von der Bildungsblase wegkommen, in der wir heute leben, liegt vor uns eine Zukunft, in der sich Menschen klarer dazu äußern können.

Was würdest du an dir am liebsten verändern oder verbessern?

Das ist immer schwer zu beantworten, denn es zieht ja unwillkürlich die Frage nach sich, warum ich das noch nicht getan habe. Mit Blick auf meine jüngeren Jahre würde ich sagen, ich war auf einem ungesunden Kurs und ungesund wettbewerbsorientiert. Wer so ist, erreicht auf dem Gebiet, auf dem er gegen andere antritt, gute Leistungen – doch auf Kosten vieler anderer Dinge. Wer ein ehrgeiziger Schachspieler ist, spielt womöglich irgendwann richtig gut, vernachlässigt aber andere Entwicklungen, weil er sich so darauf konzentriert, seine Gegner zu schlagen, statt etwas Wichtiges oder Wertvolles zu tun.

Starken Konkurrenzkampf sehe ich, glaube ich, heute viel bewusster und kritischer. Wir werden dabei in Rivalitäten verstrickt. Und ich möchte nicht behaupten, dass ich mich heute davon vollkommen freigemacht habe. Das ist daher etwas, worüber ich jeden Tag nachdenken und mir überlegen sollte: „Wie kann ich weniger wettbewerbsorientiert und dadurch erfolgreicher werden?“

Du hast im Bachelor Philosophie studiert. Was hat das mit der Geschäftswelt zu tun? Und inwiefern hat dich das Philosophiestudium bei der Kapitalanlage und im Beruf weitergebracht?

Ich bin nicht sicher, wie bedeutsam ein formelles Philosophiestudium ist, doch die grundlegende philosophische Frage ist eine, die für uns alle Bedeutung hat – und stets dieselbe: „Was glauben die Menschen aus rein konventionellen Gründen, und was ist die Wahrheit?“ Es herrscht ein gewisser Konsens darüber, was die Menschen für wahr halten. Vielleicht trifft die gängige Meinung ja zu, vielleicht aber auch nicht. Und wir sollten nie zulassen, dass eine Konvention an die Stelle der Wahrheit tritt. Wir müssen uns stets fragen: Stimmt das?

Und darauf zielt grundsätzlich meine indirekte Frage ab: „Erzähl mir etwas, das wahr ist, doch worin nur sehr wenige Menschen deiner Meinung sind.“ [Anmerkung: Im Vorstellungsgespräch fragt Peter Bewerber manchmal auch: „Welches bislang ungelöste Problem begegnet Ihnen täglich?“, oder: „Welches tolle Unternehmen hat noch niemand gegründet?“ Eine Abwandlung der Frage nach dem, worin „nur wenige Menschen deiner Meinung sind“, stelle ich mitunter meinen Podcast-Gästen: „Welche Ihrer Überzeugungen halten andere für verrückt?“]

Drei Fragen von sieben

Sieben Fragen empfiehlt Peter allen Unternehmensgründern. Alle erfahren Sie aus Zero to One. Hier die drei, die ich mir am häufigsten stelle:

  • Die Monopolfrage: Fangen Sie mit einem großen Anteil an einem kleinen Markt an?
  • Die Geheimnisfrage: Haben Sie eine einzigartige Chance entdeckt, die andere nicht erkennen?
  • Die Vertriebsfrage: Können Sie Ihr Produkt nicht nur herstellen, sondern auch an den Mann bringen?
Bild: Getty Images/Alex Wong