Die Büroräume materialisieren Träume vom Reisen. Wie hier im Knitting Room.

Es ist nicht einfach, die Geschichte hinter Trivago nachzuerzählen. Wer sich im Internet auf Spurensuche begibt, wird enttäuscht. Das liegt nicht an der Geschichte selbst. Es liegt schlichtweg  daran, dass ausführliche Berichte über das Düsseldorfer Reiseportal Mangelware sind.

Dass sich bislang nur wenige Journalisten ausführlich mit der Causa Trivago beschäftigt haben, erscheint kurios: Die Seite galt bei ihrem Start als erste deutsche Meta-Hotelsuchmaschine. Mit einem Alter von zehn Jahren ist das Unternehmen außerdem ein regelrechtes Szene-Fossil. Mittlerweile ist es in 52 Ländern mit eigenen Plattformen vertreten und beschäftigt nach eigenen Angaben ungefähr 750 Menschen. Das Unternehmen will die Preise von „über 900.000 Hotels auf mehr als 250 Online-Buchungsseiten“ miteinander vergleichen – und so ungefähr 120 Millionen Reisenden pro Monat ein Hotelzimmer vermitteln.

Geld verdient Trivago, indem es seine Nutzer an Buchungsplattformen wie Booking.com oder HRS weiterleitet. 2015 sollen 500 Millionen Euro umgesetzt worden sein. Es gäbe hier also die deutsche Startup-Erfolgsgeschichte zu erzählen, nach der sich die hiesige Szene immer sehnt. Doch Trivago schlägt in Sachen Öffentlichkeitsarbeit lieber leise Töne an.

„Wir sind sehr organisch gewachsen“

Umso größer fielen die Schlagzeilen aus, als Ende 2012 öffentlich wurde, dass die US-Reiseportal-Gruppe Expedia 61,1 Prozent an Trivago übernommen hatte. Die üppige Kaufsumme: 477 Millionen Euro in Aktien und Barmitteln. In den Medien heißt es noch heute, Trivago hätte mit dem Verkauf einen der größten Exits der deutschen Startup-Geschichte hingelegt.

„Exit“. Rolf Schrömgens, Mitgründer von Trivago, hört das Wort in diesem Zusammenhang nicht gern: „Klar, für die Investoren, die ihre Aktien verkauft haben, war das toll. Wir Gründer haben das nie als Exit gesehen und damals mit knapp 40 Prozent des Unternehmens den überwiegenden Teil unserer Anteile behalten. Die haben wir auch noch immer, weil wir nach wie vor ein großes Interesse daran haben, Trivago weiterzuentwickeln.“

Beim Günderszene-Ranking belegte die trivago GmbH den 54. Platz

  • Wachstumsrate: 76 Prozent
  • Gründungsjahr: 2005
  • Firmensitz: Düsseldorf
  • Branche: Travel & Leisure
  • Webseite: www.trivago.de

Trotz umgeworfener Besitzverhältnisse haben die Gründer die Fäden also noch nicht aus den Händen gegeben. Kurios ist auch: Zwischen Gründung und Expedia-Übernahme hatte Trivago gerade einmal eine Million Euro an Investorengeldern aufgenommen, unter anderem von den Samwer-Brüdern, Florian Heinemann und Christian Vollmann. Schrömgens erklärt das so: „Auf der einen Seite wollten wir uns die Kompetenz von erfahrenen Gründern ins Boot holen, uns auf der anderen Seite aber nicht zu früh in die Abhängigkeit von Investoren begeben.“

Als finanzielle Starthilfe hat das relativ geringe Funding offensichtlich ausgereicht: „Wir sind sehr organisch gewachsen“, meint Schrömgens dazu. „Wann immer wir gerade Geld hatten, haben wir einen neuen Mitarbeiter eingestellt.“ Diese Zurückhaltung kommt nicht von ungefähr. Schrömgens erzählt, er habe aus seinem ersten Projekt gelernt: Ende der Neunziger gründeten er und seine späteren Trivago-Partner Stephan Stubner und Peter Vinnemeier die Verbraucherplattform Amiro.de, die Anfang 2000 mit dem Preisvergleichsportal Ciao.de fusionierte.

Bei Ciao.de war Schrömgens anschließend für Produkt und Strategie zuständig. „In der Zeit haben wir viel Kapital aufgenommen. Ich selbst hatte nur wenige Prozente an dem Unternehmen und musste feststellen, dass ich es nicht da hin führen konnte, wo ich es persönlich gern hingeführt hätte. Ich bin dann ausgestiegen und habe mir vorgenommen, bei einem neuen Anlauf alles anders zu machen, nichts künstlich aufzublasen, nicht um jeden Preis möglichst viel Kapital aufzusaugen.“

Schrömgens, der BWL an der Leipziger Handelshochschule studierte, brachte sich nach seinem Ausstieg bei Ciao das Programmieren bei. Geld verdiente er mit einem Berater-Job, setzte parallel dazu einige Software-Ideen um. Eines dieser Nebenbei-Projekte war Trivago. „Wir wollten damals eine kommerzialisierte Version von Wikipedia für Reisen entwerfen“, so Schrömgens. Auf der Idee blieben er und seine Mitdenker Vinnemeier und Stubner hängen.

Trivago starteten sie im Januar 2005. Stubner schied im Jahr darauf aus der Geschäftsführung aus, Malte Siewert löste ihn ab. Er besetzt den Posten noch immer. Trivago selbst sitzt seit seiner Gründung in Düsseldorf, wo das internationale operative Geschäft geleitet wird. 90 Prozent aller Trivago-Angestellten arbeiten dort. Es gibt weitere Niederlassungen, reine Entwicklungsstandorte, in Leipzig, Amsterdam und Palma de Mallorca. Probleme bei der Rekrutierung neuer Köpfe hat Trivago offenbar nicht: Schrömgens erzählt, dass auf 300 offene Stellen rund 50.000 Bewerbungen kommen.

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Übersicht: Die Top Ten des Gründerszene-Rankings

Das Gründerszene-Ranking: Die Top Ten

Bild: Tom Ziora

Ein Teil des Trivago-Teams

Arbeitszeit? Unwichtig!

Ein Grund für den Bewerberandrang könnten die vermeintlich rosigen Arbeitsbedingungen sein, mit denen sich Trivago schmückt: Es gibt keine vorgegebenen Arbeitszeiten, keine feste Zahl an Urlaubstagen. Im Prinzip kann jeder kommen und gehen, wann er möchte. Eine Sprecherin erzählt, das sei die „Philosophie“ von Trivago. Als Tech-Unternehmen könne man die Arbeitsergebnisse der Angestellten ja relativ gut nachvollziehen. Arbeit wird hier in Leistung
gemessen, nicht in Minuten.

„Der Erfolg spricht für uns und diese Strategie“, meint Schrömgens. „Wir leisten unglaublich viel bezogen auf die Anzahl der Leute, die bei uns arbeiten, und sind sehr effizient – im Übrigen deutlich effizienter als Unternehmen in ähnlicher Größenordnung und mit ähnlichen Umsatzzahlen.“ Dass es seinen Mitarbeitern gefällt, macht Schrömgens auch daran fest, dass von den „Top-50-Angestellten“, die Trivago vor drei Jahren beschäftigt habe, noch immer 49 im Unternehmen seien.

Zahlen wie diese machen Schrömgens stolz. Und nicht nur die: In einem YouTube-Video des Startup-Netzwerks Entrepreneurs’ Organisation erzählt er, dass viele der Mitarbeiter, die heute im Trivago-Management säßen, als Praktikanten angefangen hätten. Solche Geschichten würden ihm schon mal die Tränen in die Augen treiben. Aber er sei ja ohnehin nah am Wasser gebaut.

Es sind allerdings nicht nur Arbeits- und Urlaubsklauseln, die Rolf Schrömgens stören. Auch von Job-Bezeichnungen hält er nicht viel. Bei Trivago sind sie inzwischen abgeschafft, alle sollen auf einer Ebene arbeiten, sich nicht von Titeln einlullen lassen: „Ich glaube, dass Titel die Manifestation von Status sind“, erklärt Schrömgens. „Man braucht sie nicht. Sie machen einen langsamer und unbeweglicher. Wer einen Titel hat, fordert in der Regel auch Macht ein, die damit verbunden zu sein scheint. Wenn man sich aber wertiger vorkommt als andere, hört man ihnen vielleicht nicht mehr zu. Diese Informationsasymmetrie wollen wir abbauen.“

Mit dieser Arbeitskultur à la Silicon Valley versucht Trivago aber sicherlich auch, sich besonders gute Tech- und Business-Talente ins Haus zu holen. Klar: Wer von sich selbst sagt, bis zu 90 Prozent seines Personals außerhalb von Deutschland zu rekrutieren, sollte sich auf dem internationalen Parkett schmackhaft darzustellen wissen.

Eigene Investitionen – und IPO?

Die Trivago-Gründer treten selbst als Investoren auf, haben ihr Geld bereits in mehrere Startups gesteckt. In ihrem Beteiligungsportfolio sollen sich etwas mehr als 30 Unternehmen befinden, darunter bekannte Namen wie Delivery Hero, HelloFresh oder Blablacar. Vor wenigen Monaten investierten Schrömgens, Vinnemeier, Siewert und Stubner in das afrikanische Finanzvergleichsportal TopCheck. Finanzierungsrunden führt die Gruppe in der Regel nicht an. Für die Lead-Investoren-Rolle, sagt Schrömgens, fehle ihnen die Zeit.

Die Investment-Strategie? Man versuche, bei der Unternehmenswahl einen Bogen um die Reisebranche zu machen, sich stattdessen in anderen Bereichen umzuschauen. Uninteressant seien außerdem frühphasige Unternehmen: „Wir glauben, dass wir einer Firma vor allem dann einen Mehrwert liefern können, wenn sie schon etwas älter ist. Dann können wir unsere Marktplatz-Kompetenz und unser Know-how im Marketing und der Internationalisierung am ehesten weitergeben.“

Schrömgens betont, dass man auch die Finanzierungen nicht unbedingt an die große Glocke hängen wolle, damit aber „relativ erfolgreich“ sei. Wo wollen die Gründer mit ihrem eigenen Unternehmen noch hin? Schrömgens hält sich bedeckt. Er sagt, er wolle sich auf die Gegenwart konzentrieren, höchstens noch an morgen denken, nicht aber in die Kristallkugel schauen. Auf einen möglichen IPO angesprochen, erklärt Schrömgens, dass der momentan nicht anstehe.

Noch nicht. Schließlich brachte das Mutterschiff Expedia schon TripAdvisor an die Börse. „Es stimmt, dass Expedia das in der Vergangenheit so gehandhabt hat“, sagt Schrömgens. Ausschließen kann der Trivago-Gründer den Börsengang nicht. Überhaupt schließe er ungern Szenarien aus. Mit Spekulationen will er keinen Krach machen. Wie immer.

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Das Gründerszene-Ranking: Die Top Ten

Bild: Tom Ziora