Online-, Media- Marketingrecht
Ein Beitrag von Dominik Schmidt, Rechtsanwalt bei der Kanzlei Fechner Rechtsanwälte in Hamburg.

Ist die deutsche Rechtslage nicht mehr zeitgemäß?

Da besitzt das unabhängige Rechtssystem eines souveränen und eigentlich auch ziemlich fortschrittlichen Staates doch die Frechheit, ein hochgepriesenes Geschäftsmodell eines vermeintlichen Startups für nicht so ganz konform mit dem deutschen Rechtssystem zu erachten und lässt es dann gerichtlich verbieten. Und relativ viele Menschen – mal abgesehen von Taxifahrern – schreien laut auf: „Skandal!“, die Deutschen hätten nichts verstanden und die deutsche Rechtslage sei sowieso nicht mehr zeitgemäß.

Nicht mehr zeitgemäß? Mag vielleicht sein, ist aber eine andere Frage – denn es geht bei dieser Frage nicht um Modernität, sondern um geltendes Recht und die Anwendung bestehender Spielregeln.

Wer denkt bei den ersten Zeilen nicht sofort an Uber? Klar. Aber neben dem sehr öffentlichkeitswirksamen Disput zwischen Uber und dem deutschen Personenbeförderungsgesetz haben in den vergangenen Monaten noch weitere Fälle sehr interessante Meinungen über mehr oder minder riskante Unternehmensstrategien und andere Rechtsfragen aufgeworfen.

Heftig.co vs. Mr. Urheberecht

Den Anfang machten die Macher von Heftig.co, die eine sehr fragwürdige Ansicht von der zulässigen Verbreitung viralen Contents und der urheberrechtlichen Bewertung ihres Geschäftsmodells hatten.

Nach einer in einem Artikel der Rhein-Zeitung beleuchteten Stellungnahme von Heftig.co entspreche es nämlich grundsätzlich dem Wesen viralen Contents, dass jeder User, der viralen Content herstellt und veröffentlicht, auch beabsichtigt, dass dieser im Sinn maximierter Aufmerksamkeit unkontrolliert verbreitet wird. Auch würde jeder User den Kontrollverlust genießen und sich darüber freuen, wenn sein Inhalt ohne sein Zutun in fremden Kontext-Anpassungen auftauche.

Aha. Folgte man also dieser Argumentation, wäre ein urheberrechtlich geschütztes Werk im Wesentlichen „vogelfrei“: Sobald es einmal online veröffentlicht worden ist, könne damit also jeder machen, was er will. Dass diese Ansicht im krassen Gegensatz zum deutschen Urheberrecht steht, weiß eigentlich nicht nur der geneigte Leser, der mit der Verwendung fremden Contents zu tun hat oder sich dafür interessiert. Denn grundsätzlich hat immer der Urheber das Recht, darüber zu bestimmen, wer sein Werk wann und wie verwendet.

Da helfen dann auch das herumgeisternde Zitatrecht, Fair Use oder andere Rechtfertigungen nicht weiter, da diese – bis auf wenige Ausnahmen – zumindest bei der werblichen Verwendung, die recht schnell vorliegt, meist ohnehin nicht für das in Betracht kommen, was man Allgemeinen fälschlicherweise damit verknüpft und darunter versteht. „Ich habe ja die Quelle angegeben“ reicht rechtlich eben nicht, um fremden Content verwenden zu dürfen.

Darüber hinaus funktioniert die Verwendung fremden Contents nach dem deutschen Urheberrecht nach der sogenannten Zweckübertragungsregel, nach der der Verwender stets nachweisen muss, die jeweilige Erlaubnis für die Verwendung vom jeweiligen Rechteinhaber zu haben. Das ist im Grunde nicht besonders schwierig, wenn man sich ganz spießig an folgende Regel hält: Für jede eigene Verwendung fremden Contents immer erst den Berechtigten um Erlaubnis bitten und erst dann entsprechend verwenden.

Uber mit voller Kraft voraus

Vor kurzem kam dann mit lautem Getöse Uber um die Ecke, um den Markt der Personenbeförderung auch in Deutschland umzukrempeln. Eigentlich keine schlechte Idee – wäre da nur nicht diese aus der Zeit gefallene deutsche Gesetzeslage. Das meint zumindest Uber.

Mittlerweile weiß fast jeder, wer Uber ist und was Uber macht. Vor allem wissen das die Taxifahrer. Die meisten Menschen haben mittlerweile sogar schon mal vom sogenannten Personenbeförderungsgesetz (PBefG) gehört. Gerade in diesem Zusammenhang wird bei den verschiedenen deutschen Gesetzesbestimmungen, mit denen junge innovative Unternehmen zu kämpfen haben, vom deutschen Symptom einer Innovationsfeindlichkeit der rechtlichen Regeln und Bestimmungen gesprochen. Vor einigen Wochen wurde dieser Punkt in Bezug auf Uber in dem Beitrag „Innovationsfeindlichkeit | Uber-leben im Paragraphen-Dschungel“ sehr gut beleuchtet.

Sicherlich ist es richtig, dass eine Vielzahl rechtlicher Normierungen in Deutschland den geänderten Verhaltensweisen, Gepflogenheiten und Möglichkeiten der „neuen“ digitalen Welt nicht gerecht wird und dadurch vielleicht auch Entwicklungspotenzial verschenkt wird.

Was aber ein wenig zu kurz kommt, ist die Tatsache, dass es um Regeln geht, die die Gesellschaft irgendwann einmal aufgestellt und dabei meist auch einen tieferen Sinn dahinter gesehen hat, diese Regeln eben genau so zu erstellen. Es klingt banal – aber ist doch richtig: Es gibt ein Gesetz und das müssen alle einhalten, solange es das Gesetz gibt, denn vor dem Gesetz sind alle gleich.

Damit wir uns aber nicht falsch verstehen: Nicht alle gesetzlichen Regelungen sind gut und Verbote aus meiner Sicht per se eher negativ, da meist gewichtige Gründe vorliegen müssen, um konkrete Handlungen zu verbieten. Aber solange diese Regeln bestehen, sind sie nun mal auch einzuhalten, so innovationshinderlich sie auch sein mögen.

Bei Uber ist das aber etwas schwieriger zu beurteilen, da Uber vereinfacht gesagt nach dem Motto „erstmal mit dem Kopf durch die Wand und Fakten schaffen“ etwas anders agiert und offenbar durch eine Art Verdrängungs- und Expansionswettbewerb darauf setzt, dass sich irgendwann der Widerstand legt und Gesetze angepasst werden könnten.

Reaktionen und Aussagen wie „Uber kooperiert mit niemandem, Uber führt Krieg“ sind vor diesem Hintergrund jedenfalls mehr als verständlich. Vielleicht setzt Uber auf den ersten Blick auch deshalb mittlerweile auf etwas mehr Kooperation beziehungsweise verabschiedet sich von der „Arschloch-Strategie“.

Gut – nur was geht mich das an?

Wir reden darüber, weil es hier um eine Strategie geht, die man sich erst einmal auch leisten können muss. Bei Uber wird das wahrscheinlich weniger die Frage sein als bei den meisten anderen kleinen Unternehmen. Deshalb wird Uber auch weniger davor zurückschrecken, flächendeckend in deutschen Großstädten ein Geschäftsmodell auszurollen, das jedenfalls nach Meinung vieler Experten mit großer Wahrscheinlichkeit rechtswidrig ist. Bei den Machern von Heftig.co sieht das aber vielleicht schon anders aus. Es kann ja gut sein, dass der eine oder andere Nutzer, dessen Content dort einwilligungslos verbreitet wird, irgendwann mal sagt: „Nee Freunde, so nicht!“

Als Unternehmensverantwortlicher geht mich das aber vor allem deshalb etwas an, weil es unabdingbar ist, ein Gespür und ein Gefühl dafür zu entwickeln, was denn überhaupt rechtlich erlaubt und auch umsetzbar ist: Als Strategie-, Marketing– oder Content-Verantwortlicher hat man oft vieles im Kopf, die Tiefen mancher gesetzlicher Regelung gehören vielleicht nicht dazu. Dafür gibt es ja schließlich auch Dienstleister. Wichtig ist nur leider der Schritt davor: Zu erkennen, wann es vielleicht sinnvoll ist, darüber nachzudenken, ob etwas umsetzbar ist oder eben nicht.

Und dafür ist es absolut notwendig, auch selbst zumindest ein Mindestmaß an Gespür und Grundkenntnissen zu entwickeln und sich über eventuelle rechtliche Gefahren bewusst zu sein. Ein solches Bauchgefühl zu entwickeln ist auch durchaus nicht gruselig, Recht ist nämlich kein Hexenwerk. Gerade im Online- und Offline-Marketing-Bereich sind es Spielregeln, die in ihren Grundzügen ganz häufig auf viele andere Konstellationen übertragbar sind. Deshalb: Entwickelt ein Bauchgefühl, um selbst zu erkennen, was möglich ist und was vielleicht nicht. Wer weiß, welche grundlegenden Spielregeln zu beachten sind, wird weniger Fehler machen und sich dadurch auch weniger angreifbar machen.

Der Autor dieses Fachbeitrages, Dominik Schmidt, hält am 13. November ein Gründerszene-Seminar zu dem Thema Online-, Media- und Marketing-Recht. Sichere Dir jetzt dein Ticket!

Bild: © panthermedia.net / Andriy Popov